FOCUS online: Ihre Branche scheint ziemlich gebeutelt, viele Gastronomen haben die Preise raufgesetzt…
Björn Swanson: .. und genau das haben wir zum Anlass genommen, die Preise im „ Faelt “ zu senken. Nicht als Marketingtrick, sondern aus voller Überzeugung.
Das ist erstaunlich.
Swanson: Aber aus meiner Sicht eine logische Konsequenz. Das Konsumverhalten der Gäste hat sich mit den Weltkrisen und der Inflation geändert, das ist Fakt. Ende 2023 haben wir gemerkt: Wir kommen so nicht weiter und müssen unsere Preisstrategie anders gestalten.
Was beobachten Sie bei den Gästen, was hat sich verändert?
Swanson: Unsere Gäste lassen, umgangssprachlich, weniger „die Champagnerkorken“ knallen als früher. Es ist eine gewisse Depression im ganzen Land spürbar, nicht nur in der Gastronomie – aber dort ganz besonders, denn sind nicht wir ein Schmelztiegel der Gesellschaft?
Sie meinen, den Leuten ist die Lust am Feiern vergangen?
Swanson: So würde ich es nicht sagen, aber die Menschen haben durch Corona gemerkt und gelernt, dass man am Essen sparen kann – die Prioritäten haben sich verändert. Viele wissen jetzt, wie es ist, zu Hause zu kochen und haben weniger Interesse daran, in ein „Gourmetrestaurant“ zu gehen.
Also geht es gar nicht in erster Linie ums Sparen?
Swanson: Viele, die vorher Geld hatten, haben es immer noch. Ich sehe eher eine generelle Trendwende. Weg von den sechs, sieben oder acht Gängen mit all den Petitessen. Hin zum ungezwungenen Abend. Das Image der Sterne-Gastronomie ist in Deutschland sehr negativ behaftet.
Was meinen Sie?
Swanson: Mein Eindruck ist, dass 70 Prozent der Bevölkerung ein falsches Bild von dem haben, was wir da machen. Sterneküche heißt für die meisten: Viel zu kleine Portionen zu viel zu hohen Preisen und dann muss man auch noch, mehr oder weniger, in Anzug und Krawatte erscheinen. Alles Vorurteile und natürlich meistens auch Quatsch. Richtig ist: Es gibt keine Lobby für gehobene Esskultur, keine effizienten Marketingstrategien der Städte und Länder.
Ist das anderswo besser?
Swanson: Ja. Schauen Sie nach Frankreich, Spanien, Dänemark oder Schweden. Dort werden Sternerestaurants als Aushängeschilder betrachtet und es wird viel dafür getan, diese auch zu halten.
Zurück nach Deutschland: Ich bekomme nichts für mein Geld, und dann ist es auch noch anstrengend… Wie steuern Sie gegen, wenn dieses Bild so verbreitet ist?
Swanson: Wir haben das Glück, mit unserem Restaurant in einer ziemlich lässigen, alternativen Gegend zu sein – ein cooler Berliner Kiez. Wir spielen ein bisschen mit den Erwartungen der Leute, nehmen uns selbst nicht zu ernst. So haben wir zum Beispiel eine Mini-Pizza oder auch einen Mini-Döner auf der Karte.
In einem Sternelokal?
Swanson: Sehen Sie, genau so soll es sein: Überraschend, ungezwungen und ohne starre Erwartungen, kein Dogmatismus! Genuss, gute Laune und Spaß am Leben.
Und dabei spart man jetzt also auch noch Geld?
Swanson: Weil wir in vielen Bereichen auf Luxusprodukte verzichten, können wir die Menüs günstiger gestalten. Weniger Lebenshaltungskosten, weniger Personal – all das kann ich an die Gäste weitergeben. Drei Mitarbeiter in einem Sternerestaurant – das ist schon sagenhaft wenig.
Was hat ein Menü bei Ihnen 2023 gekostet? Und was kostet es heute?
Swanson: Noch im Dezember waren wir bei 134 Euro für sechs Gänge und sind dann im Januar, auf 99 Euro runtergegangen. Jetzt liegen wir bei 109 Euro. Aber das ist neu seit kurzer Zeit.
Warum?
Swanson: Aufgrund der Inflation mussten wir den Preis wieder etwas anheben. Das Ziel ist und bleibt aber, das Menü unter 100 Euro anzubieten. Seit diesem Jahr lassen wir das Fleisch weg. Das hilft uns zusätzlich bei den Einsparungen.
Aha. Dann bekommt der Gast also doch weniger für sein Geld?
Swanson: Ich weiß, dieser Verdacht wird hier und da geäußert. Tatsächlich ist es aber so, dass auch bei unseren bisherigen Menüs jeweils nur ein Fisch- oder Fleischgang dabei war. Heißt: Um die 90 Prozent vegetarisch, das war längst der Standard. Gäste, die weiterhin Fleisch oder Fisch essen wollen, können einen Gang zusätzlich bestellen – und fahren damit trotzdem noch günstiger als vorher. Diese Lösung macht auch deswegen Sinn, weil immer mehr Menschen lieber fleischlos unterwegs sind.
Am Ende des Tages geht es darum, auf den Punkt zu kalkulieren?
Swanson: Natürlich auch das, aber es ist mehr. Für mich ist das eine Frage der Überzeugung. Ich fühle mich einfach wohl mit unserem Konzept. Ich finde es schön, den Leuten ein Plus-Minus-100 Euro-Menü anbieten zu können.
Was genau finden Sie schön?
Swanson: Schwellenängste abzubauen. Die Liebhaber des guten Essens, die vielleicht gerade etwas mehr aufs Geld achten, zum Besuch zu motivieren. Ich meine, 100 Euro… das ist immer noch viel Geld für ein Essen. Aber im Vergleich mit anderen Sternelokalen, die mit ihren Regelmenüs bei um die 200 bis 290 Euro liegen, ist es ein Unterschied. Wohin es führt, wenn Gastronomen so weitermachen, als wäre nichts passiert, sehen wir ja.
Sind die Pleiten aus Ihrer Sicht denn selbst verschuldet?
Swanson: Es klingt hart, aber in vielen Fällen ist es so. Die Welt dreht sich immer schneller und ich finde, dass auch wir Gastronomen – nein, wir Gastronomen besonders – anpassungsfähig sein sollten. Man muss sich auf Herausforderungen einstellen wollen.
Und dazu sind viele aus Ihrer Sicht nicht bereit?
Swanson: „Früher war alles besser“ – das ist so ein geflügelter Satz, aber damit gewinnt man keinen Blumentopf. Ich finde es auch schwierig, wenn wir als Gastronomen eine Sonderrolle einnehmen wollen. Natürlich habe ich mich gefreut, als die Mehrwertsteuer mit Corona auf 7 Prozent runtergegangen ist. Aber wir waren die Einzigen, die dieses Privileg hatten, das sollte man sich bitte bewusst machen. Gegenüber anderen Branchen war das im Grunde nicht fair.
Seit Januar gilt ja nun wieder der alte Mehrwertsteuersatz.
Swanson: Das tut er und ganz ehrlich: Das Gejammer vieler Kollegen als die Umstellung kam, hat mich sehr gestört – auch wenn ich verstehe, wie scheiße das für uns alle war. Die vielen Reels, die da beispielsweise bei Insta ständig gepostet wurden – das war einfach too much und zu wehleidig.
Sie selbst waren mit der Mehrwertsteuererhöhung also fein?
Swanson: Was heißt fein? Ich will keinen Sonderstatus! Für den gesamtgesellschaftlichen Zusammenhalt ist das nicht förderlich.
Ist das in Sachen Gastro ein „weiter so“ an die Politik aus Ihrem Munde?
Swanson: Nein. Die Mehrwertsteuer sollte generell gesenkt werden, damit ein Überleben auf wirtschaftlicher Ebene auch in Zukunft möglich ist.
Also doch wieder die 7 Prozent?
Swanson: Es müssen ja nicht gleich 7 sein – aber 19 Prozent ist eine Frechheit. Die Politik muss an vielen Stellen Lösungen für ein wirtschaftlicheres Arbeiten finden. Die Gastronomie und Hotellerie ist die größte Branche in unserem Land – mit der nachweislich kleinsten Lobby und einer unfähigen Gewerkschaft. Es fehlt an Summe und Durchsetzung. Was passiert, wenn die kleinen und mittelständischen Unternehmen aufgeben? Was, wenn es keine gehobene Gastronomie mehr gibt? Wenn das Handwerk des Kochs und Wirtes ausstirbt? Treffen wir uns dann alle auf eine verwässerte Cola bei McDonalds? Ist das nicht ein trauriges Szenario?
Geht das jetzt nicht auch bei Ihnen fast ein bisschen in Richtung Jammern?
Swanson: Ich bleibe dabei: Auch wir als Gastronomen müssen lösungsorientiert sein. Wir können nicht erwarten, dass sich die andere Seite, die Politik, auf uns zu bewegt – ohne auch einen Schritt auf sie zuzugehen. Also: Das muss beides zusammen gehen – auch wenn es momentan fast unmöglich scheint. Was mich selbst angeht, so sehe ich uns auf einem guten Weg. Seit dem 5. Oktober habe ich mein Unternehmen erweitert und gehe mehr in die Breite – mit meinem zweiten Restaurant dem „ Swan & Son “.