Die Querelen bei den Freien Wählern in Rheinland-Pfalz erreichen einen neuen Höhepunkt. Der Landesvorsitzende Stephan Wefelscheid hat mit drei weiteren Parteivorständen seinen Rücktritt zum 31. Dezember angekündigt. Das geht aus einer Mitteilung an die Partei hervor, die dem SWR vorliegt.
Bei Wefelscheid war dieser Schritt erwartet worden. Er hatte am Samstag beim Landesparteitag in Kordel bei Trier von den Mitgliedern einen Denkzettel bekommen. Anstatt ihn hatten die Delegierten einen überraschend aufgestellten Gegenkandidaten zum Leiter des Parteitags gewählt. Mit Wefelscheid legten der stellvertretende Landesvorsitzende Herbert Drumm, Landesschatzmeister Marco Degen und Beisitzerin Kathrin Layman ihre Ämter nieder.
In der gemeinsamen Mitteilung von Wefelscheid, Drumm, Degen und Laymann heißt es, der Parteitag habe gezeigt, dass neue Ausrichtungen das Bild der Partei prägen. “Dies sollte sich auch in den Vorbereitungen der anstehenden Bundestags- und Landtagswahl niederschlagen.” Wefelscheid hatte auf dem Parteitag gesagt, in der Partei gebe es einen liberalen und einen mittlerweile sehr konservativen Flügel.
Neue Vorstandswahlen im Januar sollen mit dem Schritt ermöglicht werden
Somit sei der Weg frei für die Wahl eines neuen Vorstands im Januar 2025. Zugleich könnten dann direkt die Weichen für die Bundestagswahl 2025 und die Landtagswahl 2026 gestellt werden, heißt es in der gemeinsamen Mitteilung. “Der geordnete Übergang des laufenden Geschäftsbetriebs wird so sichergestellt.”
“Der verbliebene Vorstand möge entscheiden, ob er es uns gleichtut, sodass der Vorstand im Januar 2025 insgesamt neu gewählt werden kann, oder ob die vakanten Positionen nachgewählt werden”. Dazu gehören der andere stellvertretende Landeschef und Generalsekretär Christian Zöpfchen, der Landesschriftführer Dominik Stihler und die Landesgeschäftsführerin Edina Strikovic.
Generalsekretär Zöpfchen: “Keine Flügelkämpfe in der Partei”
Generalsekretär Zöpfchen zeigte sich von den Rücktrittsankündigungen überrascht. Er würdigte Wefelscheids Arbeit insbesondere im Flutuntersuchungsausschuss des Landtags und bedauerte, dass sich persönliche Differenzen und unterschiedliche Vorstellungen über die weitere Zusammenarbeit entwickelt hätten. Zöpfchen wies die Einschätzung Wefelscheids und seiner Mitstreiter zurück, dass es Flügelkämpfe in der Partei gebe. Der noch amtierende Landesvorstand werde in Kürze eine Entscheidung treffen, wie der Übergang bestmöglich gestaltet werden könne.
Wefelscheid wegen Führungsstils in der Kritik
Der 46-Jährige steht wegen seines Führungsstils in der Kritik, der als autoritär beschrieben wird. Schon bei der Wahl zum Chef der Landtagsfraktion im Sommer war er gescheitert. Die Freien Wähler sind derzeit stark zerstritten, sowohl in der Partei, als auch in der Fraktion.
Wefelscheid war im Oktober 2023 im Amt des Landesvorsitzenden bestätigt worden. Damals erhielt er mit 87 Prozent der Delegiertenstimmen eine klare Mehrheit. Das war dennoch sein bis dahin schwächstes Ergebnis. Einen Gegenkandidaten gab es nicht. Wefelscheid sprach damals von einem ehrlichen Ergebnis. Er ist seit 2014 Landesvorsitzender der Freien Wähler. Der gebürtige Koblenzer kommt aus dem Wahlkreis Neuwied.
Kreisverband Koblenz bedauert Rückzug Wefelscheids
Der stellvertretende Kreisvorsitzende der Freien Wähler Koblenz, Christian Altmaier, bedauerte den Rückzug Wefelscheids: “Die Freien Wähler Rheinland-Pfalz verlieren nicht nur einen sehr klugen Kopf, sondern auch denjenigen, dem wir den Einzug in den rheinland-pfälzischen Landtag maßgeblich zu verdanken haben. Insofern ist dies jetzt der größte Verlust, den es erstmal zu verkraften gilt. Wir wollen gestalten, wir wollen verändern und wir wollen eben auch ein starker Arm der rheinland-pfälzischen Kommunen im Landtag sein – und das wurde jetzt aufs Spiel gesetzt”, sagte Altmaier.
Partei verliert nach Austritten den Fraktionsstatus im Landtag
Am Montag hatten zwei Abgeordnete ihren Auszug aus der Fraktion angekündigt. Diese verliert dadurch ihren Fraktionsstatus. Den Freien Wählern droht parlamentarisch die Bedeutungslosigkeit. Bernhard Alscher und Herbert Drumm positionierten sich aber als Unterstützer Wefelscheids und kritisierten den neuen Fraktionsvorsitzenden Helge Schwab. Wefelscheid hatte selbst das Amt des Fraktionschefs angestrebt, war damit aber gescheitert.
Fraktionsstatus im RLP-Landtag
Eine Fraktion im rheinland-pfälzischen Landtag umfasst mindestens fünf Abgeordnete. Das regelt die Landesverfassung. Erreicht eine Fraktion diese Mindeststärke nicht mehr – etwa weil Abgeordnete ausgetreten sind, entfällt dieser Status. Die bisherigen Fraktionsmitglieder gelten dann als fraktionslose Abgeordnete. Sie haben weiterhin ein Rede- und Stimmrecht im Landtag. Allerdings entfallen für die Abgeordneten als Gruppe bestimmte Rechte, die nur Fraktionen vorbehalten sind:
- Das Recht, Gesetze einzubringen. Das können nur eine Fraktion oder mindestens acht Abgeordnete des Landtags in einem gemeinsamen Antrag.
- Fraktionslose Abgeordnete dürfen in Ausschüssen mitarbeiten, haben dort aber kein Stimmrecht. Fraktionslose Abgeordnete können Berichtsanträge stellen. Sie haben auch das Recht, von der Landesregierung zu den Beratungsgegenständen des Ausschusses Auskunft zu verlangen.
- Die Zahlung monatlicher Geld- und Sachleistungen aus der Fraktionsfinanzierung entfallen. Mitarbeitenden muss gekündigt werden. Die Geldzahlungen setzen sich zusammen aus rund 70.000 Euro Grundzahlung für jede Fraktion, etwa 2.200 Euro für jeden Abgeordneten und 514 Euro je Mitglied für die Oppositionsfraktionen.
- Der Verlust des Fraktionsstatus in einer laufenden Wahlperiode kam bislang nur in einem Fall in der 1. Wahlperiode vor. Der Abgeordnete Herbert Müller wechselte am 5. Oktober 1949 von der KPD zur SPD. Damit waren nur noch sieben Abgeordnete der KPD im Landtag vertreten. Die Mindestanzahl für eine Fraktion betrug damals acht Abgeordnete.
Details zum Rückzug der Vorstandsmitglieder werden am Mittwoch auf einer Pressekonferenz der Freien Wähler erwartet.
Rheinland-Pfalz
Meinung zu Freie Wähler RLP
Zwei Egoisten zerlegen die Freien Wähler
Die Freien Wähler in RLP verlieren ihren Fraktionsstatus und damit Einfluss, Geld und Mitarbeiter. SWR-Korrespondent Gernot Ludwig sieht dafür zwei Politiker verantwortlich.