Am Montag sind 120 Bäume auf einer großen Streuobstwiese gefällt worden. Naturschützer sind entsetzt, da die Stadt zwischen zwei Gerichtsentscheidungen gehandelt hat.
In Weil der Stadt (Kreis Böblingen) sind am Montagmorgen um 9 Uhr Holzfäller angerückt und haben einen Großteil der 142 Bäume auf einer Streuobstwiese gefällt. Dort soll ein Wohngebiet entstehen. Eine Polizeistreife war beobachtend vor Ort, vorsichtshalber, falls ein Eingreifen notwendig würde. Das war aber zu keinem Zeitpunkt nach Aussagen der Stadtverwaltung der Fall. Es war ein Wettlauf gegen die Zeit, da die Gerichte, die angerufen wurden, knapp hintereinander Entscheidungen getroffen hatten.
Naturschützer: VGH wollte das Fällen der Bäume aufhalten
Laut Stadtverwaltung Weil der Stadt hatte das Verwaltungsgericht Stuttgart am Freitagnachmittag bestätigt, dass das Fällen der Bäume auf der Streuobstwiese rechtmäßig sei. Daraufhin haben die Naturschutzverbände nach eigenen Angaben Beschwerde gegen den Eil-Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart beim Verwaltungsgerichtshof Mannheim (VGH) eingereicht. Nach Informationen der Naturschutzverbände hatte der VGH am vergangenen Freitagnachmittag aber niemanden mehr in der Anwaltskanzlei, die die Stadt vertritt, erreicht. So war der Weg frei für die Rodung der Streuobstwiese.
Korrekturhinweis
In einer früheren Version dieses Artikels hatten wir die Naturschutzverbände zitiert mit der Aussage, dass der VGH am vergangenen Freitag mit einer einstweiligen Verfügung die Rodung untersagt habe. Das war nicht korrekt. Der Richter des VGH hatte versucht, die Stadt Weil der Stadt zu erreichen, um mitzuteilen, dass der NABU Beschwerde gegen den Eilbeschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart eingelegt habe. Das teilte der NABU dem SWR am späten Montagabend mit.
Auch hatten wir in einer früheren Version des Artikels geschrieben, dass bei der Rodung der Bäume Holzvollernter im Einsatz waren. Das stimmt nicht. Nach Information des Bürgermeisters waren Bagger im Einsatz, mit den Hecken entfernt worden seien. Die Bäume wurden demnach mit Motorsägen von Hand gefällt. Das bitten wir zu entschuldigen.
Am Montagmorgen hat die Stadt deshalb begonnen die Obstbäume zu fällen. Um kurz nach 10 Uhr erreichten dann die Beschlüsse des VGH die Stadt. Sie stellten die Holzfällaktion ein.
Johannes Enssle, NABU-Landesvorsitzender, zeigte sich entsetzt. Er könne nicht nachvollziehen, wieso diese Streuobstwiese, für deren Schutz sie seit langem kämpfen, so kurzfristig gerodet wurde. Neben der Streuobstwiese, auf der teilweise sehr wertvolle Obstbäume standen, sind auch von der EU geschützte sogenannte FFH-Gebiete (Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie) betroffen.
Gemeinderat entscheidet erst am Tag nach der Rodung
Der Gemeinderat wird erst am Dienstag über den Satzungsbeschluss des neuen Baugebiets entscheiden. Zeit für die Rodung hätte die Stadt nach Angaben des Bürgermeisters bis Ende des Jahres gehabt. Er erklärte gegenüber dem SWR, dass aus seiner Sicht diese Fällung seit Jahren hätte passieren sollen. Um diese Streuobstwiese, die am Rande der Kernstadt Richtung Merklingen liegt, wird seit 2017 gerungen.
Weil der Stadt: Fällung ist Voraussetzung für Neubaugebiet
Die Stadtverwaltung weist darauf hin, dass als Ersatz 284 Obsthochstämme gepflanzt würden und abgesehen davon, es nicht die letzte Streuobstwiese auf der Gemarkung Weil der Stadt sei. 168 Hektar seien ja noch da, betonte der Bürgermeister. Die Fällung sei nun mal die Voraussetzung dafür, dass die Stadt ein neues Wohngebiet mit 370 Wohneinheiten für 806 Bewohner schaffen könne. Abgesehen davon liege das Neubaugebiet unweit vom Bahnhof und S-Bahn-Anschluss Weil der Stadt, gut angebunden ans Nahverkehrsnetz.
Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) ist darüber verwundert, wie sie in einem Statement erklärt, dass Weil der Stadt nicht abgewartet hat, bis der VGH entschieden hat. Die Fällungen in dieser Eile umzusetzen, sei unnötig.
Das Land, die kommunalen Landesverbände und die Naturschutzverbände hätten sich Anfang 2023 auf ein transparentes und offenes Verfahren zur Umwandlung von Streuobstwiesen geeinigt.
Streuobstwiesen stehen unter besonderem Schutz
Die untere Naturschutzbehörde, angedockt beim Landratsamt, hatte die Rodung genehmigt. Man habe sich die Prüfung nicht leicht gemacht, betonte Martin Wuttke, stellvertretender Landrat und Dezernat für Umwelt und Klima beim Landratsamt Böblingen. Doch für Landrat Roland Bernhard wiege “das Interesse der Stadt mit Blick auf dringend benötigten Wohnraum hier höher”, wie er am Montag in einer Pressemitteilung erklärt hat.