Jede Technik ist begrenzt durch den Anwender, der sie benutzt. Ärgern Sie sich also nicht, wenn eine der vorgestellten Entspannungstechniken bei Ihnen nicht funktioniert. Suchen Sie sich die Technik aus, die am besten zu Ihnen passt. Variieren Sie so lange, bis Sie das Gefühl von Entspannung haben. Kombinieren, verändern, integrieren, variieren Sie. Es ist dann richtig, wenn es sich für Sie richtig anfühlt.
Ziel von Entspannungstechniken
Entspannungstechniken sollen Ihnen eine Methode an die Hand geben, möglichen Stressoren zu begegnen. Stressoren können auf unterschiedlichsten Ebenen entstehen und werden häufig in vier Kategorien unterteilt. Diese sind:
- physikalische Stressoren, wie z. B. Hitze, Kälte oder Lärm
- soziale Stressoren, wie beispielsweise Konflikte, Trennung, Konkurrenz oder Isolation
- körperliche Stressoren, wie z. B. Krankheit, Hunger, Verletzungen oder Schmerzen
- psychische Stressoren, wie beispielswiese Überforderung, Zeitdruck, Perfektionismus oder Angst
Durch Entspannungstechniken soll Stressoren auf einer regenerativen Ebene begegnet werden, um langfristig Anspannungen zu lösen und innere Unruhe bzw. Nervosität zu lindern. Regeneration bedeutet, dass ein gesundes Gleichgewicht wiederhergestellt werden soll. Es fand vorher eine Belastung statt, die eine individuelle Beanspruchung nach sich gezogen hat (körperlicher oder mentaler Stress). Durch Entspannungstechniken können Sie wieder regenerieren und zum Ausgangszustand zurückfinden. Dabei können Entspannungstechniken sowohl eine abmildernde als auch puffernde Funktion aufweisen.
Abmildernd können sie auf den unmittelbaren Auslöser der Anspannung wirken, da die Person durch Entspannungstechniken befähigt wird, in der konkreten Stresssituation effektiver zu reagieren. Stellen Sie sich vor, Sie müssten gleich auf eine große Bühne und vor Publikum sprechen. Sie sind nervös. Sie nutzen eine Entspannungstechnik, mit deren Hilfe Sie sich durch tiefe Bauchatmung beruhigen können. Sie atmen zehn tiefe, langsame, vollständige Atemzüge in den Bauchraum. Der Ruhenerv wirkt aktiviert. Die Anspannung sinkt. Sie konnten den Stressor erfolgreich abmildern.
Puffernd wirken Entspannungstechniken gegen mögliche zukünftige Stressoren, indem sich durch regelmäßige Anwendung von Entspannungstechniken die eigene Widerstandsfähigkeit (Resilienz) gegenüber Belastungen erhöht. So können Sie einen Grundzustand erreichen, in dem Sie Stressreizen gegenüber weniger anfällig sind. Das Kindergeschrei zu Hause macht Ihnen nicht mehr so zu schaffen. Das ständige Klingeln des Telefons bringt Sie nicht mehr auf 180. Die vielen Termine nehmen Sie mit mehr Gelassenheit hin. Sie haben durch regelmäßige Entspannungsübungen die Stressoren erfolgreich gepuffert. Die objektive Belastung bleibt gleich – die subjektive Beanspruchung jedoch sinkt.
Durch Entspannung entstehen positive Effekte auf Körper und Geist. Diese treten vor allem aufgrund der Wirkung auf den Ruhenerv ein. Durch die Beruhigung können Gedanken, Gefühle und Körperempfindungen besser wahrgenommen werden. Übende, die regelmäßig Entspannungstechniken anwenden, können so mehr und mehr Einfluss auf den eigenen Zustand nehmen. So kann unter anderem der Atem besser und effektiver kontrolliert werden. Dieser Effekt ist nicht nur während des Übens zu beobachten, sondern verfestigt sich auch im Alltag. Der Ruhenerv ist trainiert und bildet damit einen starken Gegenspieler zum Sympathikus.
Welche Entspannungstechniken gibt es?
Die folgende Auflistung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es gibt eine große Vielfalt von Entspannungstechniken – jede und jeder kann das Richtige für sich finden! Haben Sie Mut beim Ausprobieren, Variieren und Kombinieren.
Progressive Muskelrelaxation (PMR)
Das Tiefenentspannungsverfahren der Progressiven Muskelrelaxation wurde 1929 vom amerikanischen Arzt Edmund Jacobson entwickelt. Durch eine willentliche, bewusste Anspannung wird bei dieser Technik eine anschließend umso tiefere Entspannung von einzelnen Muskelgruppen herbeigeführt. Dazu werden Muskelgruppen nacheinander erst angespannt und dann entspannt.
So wird sowohl die Grundspannung im Körper ausgeglichen als auch die Körperwahrnehmung geschult. Beides beeinflusst über das vegetative Nervensystem auch die mentale Anspannung und führt zu einer Verbesserung der Stressregulation. Die Entspannungsphase der Muskulatur wird in der Regel von einem langen, langsamen Ausatmen begleitet. Die Aktivierung des Ruhenervs bringt neben dem Loslassen der Muskeln auch eine Entspannung auf der mentalen Ebene mit sich.
Schritt 1: Legen Sie sich flach auf den Boden. Finden Sie eine angenehme Rückenlage. Polstern Sie gegebenenfalls Ihren Kopf. Finden Sie zu einer ruhigen, gleichmäßigen Atmung. Schließen Sie dafür gerne die Augen.
Schritt 2: Lenken Sie die Aufmerksamkeit auf die Hände und Arme. Ballen Sie die Hand zur Faust und bringen Sie die Faust Richtung Schulter, sodass der gesamte Arm maximal angespannt ist. Halten Sie die Anspannung für 7 Sekunden. Danach lösen Sie die Spannung schlagartig und lassen den Arm auf die Unterlage zurücksinken. Spüren Sie nach.
Schritt 3: Ziehen Sie nun das Kinn Richtung Brust. Stellen Sie sich gleichzeitig vor, Sie würden in eine Zitrone beißen, sodass sich der Kopf von der Matte hebt und die gesamte Gesichtsmuskulatur sich anspannt. Halten Sie die Anspannung wiederum für 7 Sekunden. Lassen Sie dann los und den Kopf zurücksinken. Spüren Sie nach.
Schritt 4: Lenken Sie die Aufmerksamkeit nun in die Beine und Füße. Ziehen Sie die Zehenspitzen an, bis die Beine von der Matte abheben und Sie Ihre Gesäßmuskeln zusätzlich aktivieren müssen. Halten Sie die Spannung für 7 Sekunden. Lassen Sie dann schlagartig los. Spüren Sie nach, wie das Bein entspannt auf der Matte liegt.
Zum Abschluss können Sie gern nochmal den gesamten Körper anspannen. Halten Sie die Spannung wiederum 7 Sekunden und lassen Sie dann auch hier alles wieder los. Bleiben Sie fünf Minuten auf der Matte liegen. Lassen Sie den Atem entspannt, tief und gleichmäßig fließen.
Meditation
Es gibt zahlreiche Formen der Meditation. Die Atemmeditation ist beispielsweise im buddhistischen Zen zu finden. Der bzw. die Praktizierende folgt mit Aufmerksamkeit dem Ein- und Ausströmen des eigenen Atems. Es gibt Transzendentale Meditationen, Anthroposophische Meditationen, Stille Meditationen, Gehmeditationen, Dynamische Meditationen und noch viele andere mehr. Gemein haben alle Formen der Meditation das Ziel, die Gedanken loszulassen und diese wie „Wolken am Himmel vorbeiziehen zu lassen“, ohne daran festzuhalten.
So sollen sowohl Körper als auch Geist ganz im Hier und Jetzt ankommen. Ängste über die Zukunft sollen genauso wie Sorgen von der Vergangenheit losgelassen werden. Durch das Ankommen im Moment kann Entspannung entstehen. Dazu bedarf es eines Meditationsobjekts. Bei der Atemmeditation ist das Objekt, auf das sich die bzw. der Meditierende fokussiert, die Atmung. Bei der Gehmeditation ist es das Abrollen der Füße auf dem Boden. Bei der Stillen Meditation kann es ein Bild sein.
Meditative Yoga-Atmung zum Üben
Suchen Sie sich einen Platz, an dem Sie ungestört sind. Wenn dieser Platz drinnen ist, lüften Sie mindestens 2 Minuten, einmal richtig gut durch, bevor Sie üben. Wenn Sie draußen sind, suchen Sie sich eine Stelle, an der Sie sich trocken und ohne direkte Sonneneinstrahlung ungestört aufhalten können.
Schritt 1: Setzen Sie sich auf einen Stuhl oder eine Bank, ohne sich anzulehnen. Rutschen Sie also mit dem Gesäß etwas nach vorne, bis Sie beide Füße stabil auf der Erde platzieren können. Idealerweise stehen diese hüftbreit und mit parallelen Fußaußenkanten auf dem Boden. Richten Sie Ihren Oberkörper auf. Die Wirbelsäule ist wie eine Perlenschnur: Es fühlt sich an, als zöge Sie jemand an Ihrem Scheitel in Richtung Decke/ Himmel. Das Brustbein ist leicht angehoben und zeigt schräg nach vorne/oben. Die Schultern hängen ganz entspannt nach unten. Die Augen sind geschlossen. Der Sitz sollte stabil sowie fest und gleichzeitig mühelos sein. Beim aufrechten Sitzen fällt zwar die Bauchatmung etwas schwerer als im Liegen, der Geist kann hier aber besser wach und aufmerksam gehalten werden.
Schritt 2: Stimmen Sie sich auf die Übung ein, indem Sie Ihre Aufmerksamkeit auf Ihre Atmung lenken. Der Atem fließt ruhig und geräuscharm durch die Nase ein und durch die Nase wieder aus. Spüren Sie den Luftstrom in der Nase, wenn die etwas kühlere Luft einströmt und die etwas wärmere Luft dann wieder ausströmt. Es ist völlig normal, wenn etwas mehr Luft durch das eine als durch das andere Nasenloch strömt. Das hängt zum einen mit Ihrer individuellen Physiognomie zusammen. Zum anderen wechselt die Oberhand des einen Nasenlochs über das andere während eines Tages mehrere Male.
Schritt 3: Beginnen Sie zu zählen. Zählen Sie auf 4 beim Einatmen und zählen Sie wieder auf 4 beim Ausatmen. Nutzen Sie Ihre Finger, um die Anzahl der Atemzüge zu zählen. Nach dem ersten Ausatmen ein sanfter Druck mit Daumen auf den Oberschenkel, nach dem zweiten Ausatmen mit dem Zeigefinger, und so weiter. Wiederholen Sie so lange, bis Sie bei 10 angekommen sind. Das Zählmaß für das jeweilige Atemverhältnis entspricht jeweils einer Sekunde. Auf „4 zählen“ bedeutet also für 4 Sekunden einatmen und für 4 Sekunden wieder ausatmen. Im Vordergrund steht hier die Gleichmäßigkeit und nicht, dass die Länge genau 4 Sekunden entspricht.
Schritt 4: Verweilen Sie am Ende der Übung einige Sekunden (60–120 Sekunden) und lassen Sie den Atem unkontrolliert weiter ein- und ausströmen. Beobachten Sie dabei weiter Ihre Atmung, Sie beenden nur die bewusste Kontrolle darüber. Kehren Sie nun mit Ihrer Aufmerksamkeit, Ihren Sinnen wieder zurück in die Sie umgebende Umwelt. Nehmen Sie die Geräusche, Gerüche, die Luft auf Ihrer Haut wieder intensiver wahr. Öffnen Sie langsam und vorsichtig blinzelnd Ihre Augen.