Es ist ein Fakt, mittlerweile sogar wissenschaftlich aufgearbeitet, dass wir mit 42,9 Jahren, zumindest statistisch gesehen, ganz unten angekommen sind, was das Thema Zufriedenheit mit uns und unserem Leben anbetrifft. Doch wer hätte das erwartet? Wenn Sie mich fragen, hätte ich gedacht, dass es nach der Pubertät eigentlich erst mal lange Zeit steil bergauf geht.
Endlich Schulabschluss, von zu Hause raus, dann Karriere aufbauen, den oder die richtige finden, Kinder, einen tollen Ort und Haus zum Bleiben. Alles große Träume und das muss sich doch genial anfühlen, wenn man das erreicht, so eines nach dem andern oder?
Auch hier ist die Wissenschaft dann recht ernüchternd: ab der Pubertät werden wir eigentlich immer unzufriedener, erschöpfter, denn all diese Ziele zu erreichen, verlangt uns das letzte ab. Denn irgendwie kommt ja auch alles auf einmal. Kinder, Partnerschaft, Karriere und dann noch das Haus, das leider abgezahlt werden will.
Als wäre dies nicht genug, verlassen uns dann auch noch unsere Hormone. Und wir spüren, dass wir älter werden. Der morgendliche Blick in den Spiegel bringt manchmal überraschende Bilder, die Knie tun weh, wenn man etwas länger in den Bergen unterwegs war, die ersten Zipperlein und Arztbesuche häufen sich. Bei manchen kommt nun auch noch die Pflege der Eltern als Thema dazu oder die Pubertiere, die uns mit unseren eigenen, fein säuberlich verborgenen, tiefsten, dunklen Seiten konfrontieren.
Dr. Franziska Rubin ist Ärztin, Autorin und Expertin für Naturheilkunde. Bekannt durch ihre langjährige Moderation der MDR-Sendung „Hauptsache gesund“, hat sie zahlreiche erfolgreiche Gesundheitsratgeber veröffentlicht. In ihrer Arbeit verbindet sie wissenschaftliche Medizin mit naturheilkundlichen Ansätzen und engagiert sich für ganzheitliche Gesundheit. Dr. Rubin ist weltweit als Referentin tätig.
Und schwupps, bevor wir es merken, stellen wir vieles infrage. Willkommen im Magic Midlife!
Diese Zeit hat, wie alles, was mit großen Veränderungen, Krisen und auch nach dem Älterwerden zu tun hat, bei uns nicht gerade den besten Ruf. Mich erinnert sie in gewisser Weise an meine Pubertät. Damals war auch alles verwirrend und schwer, nur hatte ich statt Falten eben Pickel. Statt Schweißausbrüchen Liebeskummer.
Das Leben scheint und schien auch damals zu komplex und manche sogar unlösbar. Doch wir alle wissen, dass wir aus dieser Zeit irgendwie als mehr oder minder bunter Schmetterling hervorgegangen sind. So kann es auch jetzt sein. Wie?
In dem wir ein paar ganz wichtige Weichen richtig zu stellen. In meinem neuen Buch „Magic Midlife“ habe ich sieben wichtige Weichen ausgemacht, die wir jetzt richtig oder falsch stellen können. Ich stelle Ihnen jetzt mal drei wichtige vor:
Weiche 1: wohin geht die Reise?
Statistisch gesehen haben wir heute 55-jährigen noch circa 30 Lebensjahre vor uns! Und das ist reine Statistik, es könnten auch noch deutlich mehr sein. Und die wollen gut gestaltet werden, sonst kann das ganz schön langweilig und zäh werden und wir vergeben uns die Chance, noch einmal richtig viel zu erleben.
Als erstes geht es darum, dass wir uns jetzt erlauben, Bilanz zu ziehen. Und uns auch selber einmal genauer zu betrachten. Wer sind wir eigentlich, was wollen wir, was können wir? Was wir nicht können, dafür wäre jetzt die richtige Zeit es entschieden, weg zu delegieren. Oder auch die Frage: wen oder was wollen wir nicht mehr? Die Lebensmitte kann durchaus so den ein oder anderen Abschied mit sich bringen. Was sehr befreiend sein kann. Deshalb lohnt es sich jetzt, genau hin zu schauen, was gerade ansteht, und sich dazu die ein oder andere Frage nochmal neu zu stellen.
Wie wäre es zum Beispiel mit: wo stehe ich? Was mache ich mit meinem Tag? Mit wem will ich meine wertvolle Zeit verbringen? Was ist Zeitverschwendung? Was will ich noch lernen? Wie will ich in Zukunft leben? Wir dürfen neugierig und gespannt sein auf das was kommt, denn wir gestalten es.
Also ohne Stress: nutzen wir diese Zeit der magischen Mitte des Lebens endlich richtig! Jetzt ist alles möglich und genau die Zeit, um die passenden Antworten auf Lebenswichtige Fragen zu finden. Jetzt ist unwiederbringlich die Lebensphase, in der wir die Entscheidung für uns treffen, die darüber bestimmen, wie wir unsere nächsten 30, 40 Jahre erleben. Am besten gelingt diese neue Zielsetzung übrigens, wenn Sie auf ihr Herz hören. Denn das ist in der ersten Lebenshälfte oft zu kurz gekommen.
Wie oft tun wir etwas, weil es anderer von uns verlangen oder weil es einfach notwendig ist? Und wie oft richten wir uns nach dem, was andere über uns denken, wie sie urteilen? Das sollte ab dem Magic Midlife vorbei sein. Es geht darum, seinem Herz zu folgen und das zu tun, was wir uns vielleicht bisher nicht getraut haben, was uns aber wirklich wichtig ist. Denn darin liegt sehr viel Glück und Zufriedenheit.
Weiche 2: Fühle ich mich jünger als ich aussehe?
Altern ist vor allen Dingen eine Herausforderung für uns, weil wir es mit so vielen negativen Begriffen belegen wie Gebrechlichkeit, Schwäche oder Verfall. Dabei könnte man das auch anders sehen, denn wir haben viel Lebenserfahrung und Wissen im besten Fall auch die dazugehörige Gelassenheit. Wir wissen, die Zeit ist zu kostbar, um sie uns durch schlechte Gedanken über uns zu verderben.
An kosmetischer Unterstützung ist heute vieles möglich, um jünger aus zu sehen. Warum nicht? Interessanterweise misst unsere Gesellschaft ja hier auch wieder mit zwei ganz unterschiedlichen Maßen. Ich war mal zu Gast in einer NDR Talk Show, in der ein Comedian stolz ein neues Buch präsentierte, indem er sich über Frauen lustig machte, die Botox, Hyaloron etc. verwendeten. Bevor sich mein Hirn einschaltete, hörte ich mich bereits sagen: „Ihr Männer könnt euch gut lustig machen, ihr werdet ja im TV nicht aussortiert, wenn ihr älter werdet. Ihr könnt im Alter sogar aussehen wie ein hässlicher, faltiger Frosch und dürft trotzdem weiter im Fernsehen auftreten. Aber wo sind all die Frauen, die natürlich altern?”
Unser Frauenbild ist trotz aller Bemühungen in den letzten Jahrzehnten nicht deutlich abgerückt von dem, was man eigentlich als gesundheitlich bedenklich bezeichnen müsste. Es ist auch für mich als Mutter schwer, meinen Kindern zu vermitteln, dass dünn sein nicht alles ist, solange die Schönheitskönigin dieser Welt einen BMI haben, mit dem man sie eigentlich ins Krankenhaus einliefern müsste.
Durch Social Media ist dieser Druck bestimmt noch gewachsen, denn alle Schönheiten dieser Welt fluten jetzt auf unser Handy. Und zudem noch stark nach bearbeitet. Ich kann Ihnen aus meiner eigenen Erfahrung berichten, wenn ich heutzutage in einer Sendung bin, werden in der Regel Social Media Bilder gemacht, die meistens ordentlich nach bearbeitet werden. Da wird hier die Taille reingeschoben, dann natürlich ein schicker Filter drauf und die Haut ein bisschen weniger faltig gemacht. Wirklich gut tut uns das nicht, denn wir vergleichen uns ständig mit unserer optimierten Version.
Kennen Sie den Begriff der Dissoziation? Man spricht heute davon, wenn junge Menschen sich auf ihrem Handy stets optimieren, bevor Sie die Bilder dann ins Netz stellen. Leider führt es dazu, dass man sich selber überhaupt nicht mehr annehmen kann, sich ohne Filter nicht vorzeigbar fühlt. Was einfach schade ist. Aber jetzt sind wir in der Lebensmitte und bestenfalls nicht mehr gewillt, uns ständig mit Erwartungen von außen nerven zu lassen. Zeit, dass wir uns treu bleiben oder werden. Mein Credo: Eine gute Ausstrahlung ist oft schöner als ein faltenfreies Gesicht. Älter werden ist keine Krankheit, sondern auch ein Geschenk. Sie kennen die Alternative.
Weiche 3: Wie viel Gesundheit ist gesund?
Es ist nicht schwer zu beobachten, dass für viele Menschen mittlerweile „das sich gesund erhalten“ zu einer Religion geworden ist. Da werden Batterien von Nahrungsergänzungsmitteln eingenommen, die eine rennt ständig ins Fitnessstudio, der andere seinen Iron Man. Viele haben sehr dezidierte Meinungen zu medizinischen Themen, allerdings meist aus dem Internet. Da werden martialische Leberkuren gemacht und der Trinkwasseraufbereiter mit Kristallsteinen reist immer mit in den Urlaub.
Prinzipiell ist es eine kluge Idee, sich gerade jetzt für gesunde Lebensweisen zu interessieren. Denn manchmal gewinnen wir in dieser Lebensmitte ja auch ein bisschen Zeit zurück, die wir jetzt gut nutzen können. Eine Anwältin sagte zu mir, sie sei mittlerweile viel effektiver in ihrer Arbeit und könne dafür jetzt jeden Tag ein bisschen Sport machen. Sicherlich sehr klug, denn wir wissen auch aus Studien, sportliche Aktivitäten oder überhaupt einen aktiveren Lebensstil auf das Rentenalter zu verschieben, funktioniert nicht. Denn dann ist man häufig schon zu fragil und verletzt sich schnell und scheidet trotz aller guten Ideen ziemlich schnell aus.
Auch seine Ernährung etwas umzustellen ist eine wichtige Weiche, zu der ich noch in anderen Artikeln oder eben in meinem Buch komme. Aber Vorsicht, denn zu viel Gesundheit kann krank machen. Es kann alles in Stress ausarten und Stress ist das, was uns am schnellsten altern lässt.