18 Notfallpraxen sollen in Baden-Württemberg schließen. Jetzt steht fest, wann welcher Standort schließen soll und wo Patientinnen und Patienten künftig hin können.
Die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) hat ihre Pläne zur Schließung von 18 Notfallpraxen in BW konkretisiert. Die Praxen sollen demnach Schritt für Schritt ihren Betrieb einstellen, die letzten fünf Ende November 2025. Das teilte die KVBW nach einem Treffen am Donnerstag mit Bürgermeistern, Landräten und Abgeordneten in Stuttgart mit. Die ersten drei Praxen sollen bereits Ende März kommenden Jahres schließen, Praxen in Neuenbürg (Enzkreis), Kirchheim/Teck (Kreis Esslingen) und Bad Saulgau (Kreis Sigmaringen). Die restlichen Standorte sollen Ende Juni, Ende Juli, Ende September und Ende Oktober geschlossen werden. Unter den letzten Praxen, die Ende November schließen, sind beispielsweise Ettlingen (Kreis Karlsruhe), Albstadt (Zollernalbkreis) und Herrenberg (Kreis Böblingen).
Die KVBW gab zudem die 23 sogenannten “Auffangpraxen” bekannt, also die Praxen, die laut einem Sprecher voraussichtlich die meisten zusätzlichen Patientinnen und Patienten aus den schließenden Praxen aufnehmen sollen. Die “Auffangpraxen” würden zum Beispiel durch längere Öffnungszeiten, mehr Ärztinnen und Ärzte vor Ort oder beides erweitert.
Bürgermeister Neuenbürg: “Sehe keine Logik hinter diesen Plänen”
Mit dabei in Stuttgart war auch Fabian Bader (parteilos), Bürgermeister von Neuenbürg (Enzkreis). Die Notfallpraxis in Neuenbürg ist eine der ersten, die geschlossen wird. Bader bemängelte, dass die KVBW nicht den Eindruck gemacht habe, sie wolle mit den Betroffenen ins Gespräch kommen. Stattdessen wurden durch die genaue Terminierung der Schließungen direkt Tatsachen geschaffen. Es sei bezeichnend, dass die Reformpläne hinter verschlossenen Türen gemacht wurden, so Bader. Er zweifelte die Rechtfertigung der Reformpläne mit dem Ärztemangel im ländlichen Raum an. Die Dienste in der Notfallpraxis Neuenbürg seien sehr gefragt und es gebe auch keinerlei Probleme diese zu besetzen. Er sehe keine Logik hinter diesen Plänen, da vor allem die regionalen und lokalen Besonderheiten nicht berücksichtigt worden seien.
Bürgermeisterin von Tettnang wünscht sich Austausch zu Notfallpraxen
Auch die Notfallpraxis in Tettnang (Bodenseekreis) gehört zu den 18 Praxen, die geschlossen werden sollen. Die Bewohnerinnen und Bewohner seien besorgt meint Bürgermeisterin Regine Rist (parteilos). Da die Distanz in die nächste Notfallpraxis in Friedrichshafen oder Ravensburg größer ist, befürchtet Rist, dass Menschen stattdessen die Notaufnahme oder Rettungsdienste beanspruchen könnte.
Sie wünsche sich, dass die Folgen auch mit den Betroffenen vor Ort besprochen werden und eine Risikoanalyse, “damit wir in einen echten Dialog kommen und der Bevölkerung auch diese Sicherheit geben können: Ja, sie sind gut versorgt.” Dass die KVBW nach alternative Lösungen suche und man die Gesundheitsversorgung anschauen müsse, sei verständlich. Allerdings müsse man eine funktionierende Alternative zeigen “bevor man sagt: wir schließen. Und dann bauen wir eine Alternative auf.”
Ettlinger Bürgermeister hält Notfallpraxen-Schließungen für falsch
Als eine der letzten soll die Ettlinger Notfallpraxis Ende November schließen. Man habe damit wenigstens genug Zeit, um noch alternative Lösungen voranzutreiben, sagte Ettlingens Oberbürgermeister Johannes Arnold (parteilos). Er hatte befürchtet, dass die Notfallpraxis bereits schon Im Frühjahr schließen muss.
Unabhängig vom Termin hält er die Schließung für falsch. Nach Plänen der KVBW sollen die Patientinnen und Patienten aus Ettlingen künftig nach Karlsruhe fahren, um sich dort in der Notfallpraxis behandeln zu lassen. Dafür werden die Öffnungszeiten dort um 26 Stunden pro Woche verlängert. Arnold kritisiert, dass die KVBW damit keine Ressourcen einspare, wenn sie die Arbeitsstunden einfach von Ettlingen nach Karlsruhe verschiebe.
KVBW: Ärztliche Bereitschaft auch weiterhin verfügbar
Der Plan der KVBW: Der ärztliche Bereitschaftsdienst soll zukunftsfähig gestaltet werden. Das will die KVBW laut der stellvertretenden Vorsitzenden Doris Reinhardt durch Bereitschaftspraxen, mit Fahrdiensten und mit Telemedizin schaffen. So solle ärztliche Bereitschaft verfügbar sein, auch wenn die Notfallpraxen in Zukunft geschlossen werden. Die Versorgung sei durch flächendeckende, gut erreichbare Bereitschaftspraxen auch weiterhin sichergestellt, auch wenn die Fahrtstrecken an einzelnen Standorten länger werden, so Reinhardt im Gespräch mit dem SWR. Jede Entlastung für Ärzte im Bereitschaftsdienst bedeute eine Verbesserung der Regelversorgung. “Jeder Euro, der von Ärzten im Bereitschaftsdienst in Anspruch genommen wird, der fehlt in der Regelversorgung.”
Zur Kommunikation sagte Reinhardt, man werde in jeder Region, in der eine Notfallpraxis geschlossen werde, mit den Bürgermeisterinnen und -meistern sowie Kliniken vor Ort sprechen. Zudem werde man Bürgerveranstaltungen an den betroffenen Standorten machen, um auch Patientinnen und Patienten zu informieren.
Städtetag fordert: Schließungen um ein Jahr verschieben
Der Präsident des Städtetags und Oberbürgermeister der Stadt Karlsruhe Frank Mentrup (SPD), sagte, der Städtetag verstehe, dass eine Reform notwendig sei und begrüße grundsätzlich die Diskussion um die Aufstellung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes für die nächsten Jahre. Zudem begrüße man, dass die KVBW nun auch die Betroffenen aus den Kommunen miteinbeziehe. Man habe allerdings andere Vorstellungen darüber, wie bei den Schließungen vorgegangen werden solle.
Mentrup forderte die Schließungen um ein Jahr zu verschieben. In dieser Zeit könne man den Ausbau der Telemedizin und die Professionalisierung des mobilen Bereitschaftsdienstes an erste Stelle stellen. “Wenn wir dann nach einer Zeit merken, dass der Druck auf Bereitschaftspraxen nachlässt (…), dann kann man nochmal mit besseren Voraussetzungen um die Verlagerung von Standorten diskutieren”, so Mentrup gegenüber dem SWR. Man erwarte zudem, dass die Risiken der Schließung eines Standortes mit den Vorteilen der Eröffnung einer anderen Stelle gegenüber gestellt werden. Auch das könne man in diesem einen Jahr tun.
BW-Gesundheitsminister Lucha: Man muss Ängste nehmen
Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) sagte, die KVBW habe sehr lange und sehr intensiv daran gearbeitet, das System der ärztlichen Bereitschaftsdienste besser und zukunftsfest zu machen. Lucha begrüßte es, “dass jetzt Transparenz einzieht. Das ist richtig. Man muss im Gespräch bleiben, um Ängste zu nehmen und zu erklären, was macht man warum und was erwartet die Menschen.”
SPD: “Konzept der KVBW gescheitert”
Der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Florian Wahl, kritisierte die KVBW: “Das Konzept der Kassenärztlichen Vereinigung, ihre Schließungspläne wie bei einer Tupperparty im Neuen Schloss zu präsentieren, ist dank der massiven Kritik aus der kommunalen Familie und seitens der Krankenhäuser gescheitert”, so Wahl. Es brauche keine Verkaufsveranstaltungen, sondern ein sofortiges Ende aller Schließungspläne.