CLA EQ im Härtetest: So fährt sich die neue Mercedes A-Klasse
Dienstag, 04.03.2025, 07:37
Die Erprobung des vollelektrischen Mercedes CLA EQ geht kurz vor dem Marktstart in die finale Phase. Wir haben den Prototypen in kalten Winterlandschaften auf den Dynamik-Zahn gefühlt.
Was für BMW die Neue Klasse ist , das ist für Mercedes der CLA beziehungsweise die MMA-Plattform. Mit dieser Architektur will Marke mit dem Stern gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Zum einen mit einem Verbrennungsmotor und zum anderen soll die Elektro-Version den schwäbischen Autobauer auf die Poleposition im knallharten Verdrängungswettbewerb der Elektromobilität bringen. Kein leichtes Unterfangen. Nicht nur BMW schaltet bei den Stromern einen Gang hoch, auch die chinesischen Autobauer verbessern ihre Fahrzeuge gefühlt mit jedem Software-Update.
Mercedes will A-Klasse wieder für alle attraktiv machen
Die Mercedes-Strategen haben aus dieser Gemengelage den einzig richtigen Schluss gezogen. Reine Leistung ist längst kein Unterscheidungsmerkmal mehr. Die Autos müssen mit Innovationen überzeugen und sich dennoch wie aus einem Guss anfühlen. Ein Vehikel mit Technik vollzupacken, die nicht harmoniert beziehungsweise aufwendig abgestimmt ist, beeindruckt auf dem Papier aber nicht immer auf der Straße. Das beginnt schon beim Antrieb. Beim vollelektrischen CLA EQ mit Allradantrieb setzt Mercedes auf zwei PSM-Motoren (Permanenterregte Synchronmotoren): vorne mit 80 kW / 109 PS und hinten mit 200 kW / 272 PS. Das ergibt eine Systemleistung von 260 kW / 354 PS. Das ist vorläufig das Topmodell. „Was aus Affalterbach kommt, weiß ich nicht“, schmunzelt Axel Heix, Baureihenleiter der kompakten Baureihen. Da dürfte dann die 210-km/h-Marke fallen. Alles andere wäre nicht AMG-like.
Mercedes setzt auf ein Zweigang-Getriebe
Die Sternen-Ingenieure haben sich offenbar den Porsche Taycan ganz genau angeschaut und den Elektromotor an der Hinterachse mit einem Planetenrad-Zweigang-Getriebe bestückt. Da der BEV-CLA grundsätzlich mit einem Hinterradantrieb kommt, kann man diese Entscheidung gut nachvollziehen. Mercedes gibt aktuell 210 km/h als Höchstgeschwindigkeit an. Anders als Audi, die an der Vorderachse auf eine ASM-Maschine setzen, nutzt Mercedes auch da einen PSM-Motor. „Dieser E-Maschine ist im Betrieb effizienter und bietet eine höhere Rekuperationsleistung“, erklärt Christoph Starzynski, Leiter Gesamtfahrzeugentwicklung. Die Antriebseinheiten stammen im Grunde aus der Reichweiten-Studie Vision EQXX. Um Schleppverluste zu vermeiden, wird der Elektromotor mit der Disconnect Unit (DCU), einer elektrisch aktivierten Klauenkupplung, bei Bedarf vom Vortrieb ausgeschlossen. Diese Lösung ist aufwendiger als die Variante mit einem ASM-Aggregat, zahlt aber mehr in die Reichweite ein und da will ja Mercedes mit bis zu 750 Kilometern und einem angepeilten Verbrauch von lediglich 12 kWh/100 km beim CLA EQ ganz weit vorne mitspielen. Mercedes spricht stolz vom „Ein-Liter-Auto des Elektrozeitalters“. Diese Werte wird die Allradversion wohl nicht erreichen, aber rund 700 km sollten es schon sein.
Die Ladeleistung von über 320 kW hilft, die Stromtank Pausen kurz zu halten. In zehn Minuten soll so Energie für mehr als 300 km in die Akkus fließen, die von Mercedes selbst entwickelt worden und sich durch eine besonders flache Bauweise auszeichnen. Die haben einen beim CLA EQ eine nutzbare Kapazität von 85 Kilowattstunden beziehungsweise 58 kWh. Der Aufbau ist unterschiedlich: Die größeren Akkus haben eine Siliziumoxid-Anode, die anderen sind mit einer Lithium-Eisen-Phosphat-Kathode bestückt. Die Hardcase-Zellen sind in vier großen Modulen zusammengefasst und reparaturfähig.
Immer größere Batterien in die Autos zu packen, ist für Mercedes nicht zielführend. Die Effizienz des gesamten Autos muss gesteigert werden, um den Verbrauch und die Kosten zu senken. Statt einer klassischen Wärmepumpe setzt Mercedes beim CLA auf eine Multi-Source-Wärmepumpe, die verschiedene Quellen nutzt, um den Innenraum möglichst schnell zu erwärmen und dazu nur ein Drittel der Energie eines konventionellen elektrischen Zuheizers benötigt. Auch hier stand die Studie Vision EQXX Pate. Neben dem Wärmetauscher, der die Wärme aus der Umgebungsluft saugt, kommen ein Verdampfer, der die Wärme nutzt, die beim Entfeuchten der Luft durch die Klimaanlage entsteht und einen Kühler, der die Hitze des Antriebsstrangs zum Heizen verwendet, zum Einsatz. Mission erfolgreich erfüllt. Auch bei knackigen Minusgraden wird es im Innenraum des CLA sehr schnell wohlig warm. „Doppelt so schnell wie im aktuellen EQA“, freut sich Ingenieur Georg Ernst. Durch den Wegfall der Wasserkühlung der Wärmepumpe sinkt auch das Gewicht.
Energiesparende Heizung fürs Elektroauto
Aber jetzt geht es um die Dynamik. Wir nehmen im CLA EQ Platz und schieben den Automatik-Wählhebel auf D. Los geht die wilde Hatz. Trotz des Schnees geht es gleich zügig voran. Der Allradantrieb erledigt seinen Job also zuverlässig. Der Fahrmodus-Wucher gehört beim Stromer, der in einigen Wochen seine Weltpremiere feiert, der Vergangenheit an. Comfort und Sport, das wars. Die Lenkung ist präzise und die Regelsysteme gewähren im Sportprogramm dem Heck mehr Freiheit. Aber nie so, dass es nervös zuckt und den Piloten zu ebensolchen Reaktionen verleitet. Im Gegenteil: Das ESP regelt feinfühlig und man kann mit dem CLA herrlich um die Kurven carven. Selbst wenn man das Stabilitätsprogramm weitgehend deaktiviert (ganz abgeschaltet ist es nie), verwandelt sich der Mercedes nicht in eine unberechenbare Bestie, sondern lässt sich bei herrlichen Drifts sofort wieder einfangen. Quer ist mehr lautet die Devise.
Die Einstellung der Rekuperation erfolgt ebenfalls über den Automatikhebel am Lenkrad: Neben einer starken Energierückgewinnung sind eine mildere, eine automatische und das Segeln möglich. Interessant ist auch das Bremsverhalten. Hier haben die Sternentechniker viel getüftelt. Das Brake Control System (BCS) kommt sowohl bei den BEV- als auch den Mildhybrid-Versionen zum Einsatz und ist für alle Antriebs- und Fahrwerksvarianten der CLA-Baureihe verfügbar.
Neuartiges Bremssystem
Wir gehen ohnehin davon aus, dass diese Innovationen den Weg in die Mercedes-Modellpalette finden werden. „Das BCS nutzt alle Aktuatoren im Auto, hat 100 Funktionen und unterstützt den Fahrer in fast allen Situationen“, erklärt Techniker Philipp Neuwirth. Der Clou ist, dass das Bremspedal entkoppelt ist, das Bremsgefühl immer von der BCS-Einheit kommt und dadurch immer identisch sein soll. Wir können dem Prototypen ein gutes Zeugnis ausstellen. Sowohl beim vollen Stempel oder dem progressiven Verzögern bei vollbesetztem Fahrzeug bleiben der Pedalweg zum Druckpunkt und eben das Gefühl gleich. Sollte das System mal seinen Dienst quittieren, existiert immer noch ein hydraulisches Ersatzsystem. Apropos: Im CLA finden auch vier Erwachsene locker Platz und die versenkbaren Türgriffe helfen der Aerodynamik.