Fragen und Antworten: Verbrenner-Aus auf dem Prüfstand – was die EU jetzt ändern will
Donnerstag, 06.03.2025, 14:28
Die EU will die umstrittenen Klima-Strafzahlungen für Autobauer auf 2027 verschieben. Das Verbrenner-Verbot könnte aufgeweicht werden, Europa soll aber eine schlagkräftige Batterie-Produktion bekommen. FOCUS online erklärt, was Autofahrer jetzt wissen müssen.
Die Mehrheit der Menschen in Europa ist dafür, das Verbrenner-Verbot entweder ganz aufzuheben oder zumindest zu verschieben . Der Verkausferfolg des Elektroautos in Europa verläuft bislang eher uneinheitlich und ist stark davon abhängig, welche staatlichen Fördermittel es gibt. Zuletzt hatten immer mehr Autobauer ihre sehr hohen Verkaufsziele für E-Fahrzeuge der tatsächlichen Kunden-Nachfrage anpassen müssen. Während BMW oder Toyota schon immer eine technologieoffene Strategie fuhren, korrigierten zuletzt auch die US-Autobauer sowie Mercedes und Porsche zumindest teilweise ihre Antriebsstrategien . Kurzum: Die Emobilität wächst zwar deutlich, aber noch nicht in dem Tempo, in dem es sich Brüssel wünscht: „Es mangelt für die Erreichung der Flottengrenzwerte und den erfolgreichen Hochlauf der Elektromobilität offensichtlich an den Rahmenbedingungen – ob mit Blick auf Ladeinfrastruktur, Energiepreise oder auch Rohstoffversorgung“, fasst es der deutsche Autolobbyverband VDA in einer aktuellen Mitteilung zusammen.
EU stellt Verbrenner-Verbot auf den Prüfstand
Bei dieser Ausgangslage sieht sich die EU nun offenbar gezwungen, ihre bisherige Strategie anzupassen. Doch was genau könnte sich ändern, wie glaubwürdig ist der Kurswechsel überhaupt und was bedeutet es für Millionen Autofahrerinnen und Autofahrer? FOCUS online beantwortet die wichtigsten Fragen.
1. Was sieht das Verbrenner-Verbot bislang vor?
Nach gegenwärtigem Stand ist ab dem Jahr 2035 der Verkauf folgender PKW-Neuwagen in der EU verboten:
- Benziner
- Diesel
- Hybrid
- Plug-in-Hybrid
- Gasfahrzeuge (Autogas/LPG und Erdgas/CNG)
Erlaubt sind dann nur noch batterieelektrische Fahrzeuge oder E-Fahrzeuge, die mit Wasserstoff (H2) betrieben werden. Eine mögliche Ausnahme bilden Neufahrzeuge, die zu 100 Prozent mit alternativen Kraftstoffen, speziell E-Fuels, betankt werden.
2. Sind E-Fahrzeuge überhaupt klimafreundlicher als Verbrenner?
Das hängt stark davon ab, wie die gesamte Wertschöpfungskette betrachtet wird und welchen Strommix man zur Berechnung heranzieht. Eine Studie des VDI zeigt: Ab 90.000 Kilometern Laufleistung sind E-Autos der Kompaktklasse klimafreundlicher unterwegs als Verbrenner . Würde man ausschließlich Ökostrom tanken, sinkt die Schwelle, ab der das E-Auto sauberer ist, auf 65.000 km. Andere Studien kommen zu anderen Ergebnissen; die VDI-Studie gilt aber aufgrund ihrer Unabhängigkeit von Lobby-Interessen und ihres umfangreichen Studiendesigns unter Experten als einer der ausaagekräftigsten.
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3. Wie viele Neufahrzeuge wären vom Verbrenner-Verbot betroffen?
Legt man die aktuellen Zulassungszahlen in Deutschland zugrunde und würde das Verbrenner-Verbot schon heute gelten, dürften 82,2 Prozent aller Autos nicht mehr verkauft werden. Der Elektro-Anteil inklusive H2-Stromer liegt derzeit bei 17,7 Prozent, was allerdings einen deutlichen Zuwachs im Vergleich zu den letzten Monaten bedeutet. Es bleibt Spekulation, wie hoch der Anteil reiner Batterieautos an den Neuzulassungen in 10 Jahren ohne den Druck eines Verbrenner-Verbots sein würde.
4. Welche Änderungen sind konkret geplant?
Der jetzt von der EU veröffentlichte Aktionsplan enthält folgende Punkte:
- Die Überprüfung des Flotten-Umbaus soll auf den Herbst 2025 vorgezogen werden. Dies war unter anderem von der Kraftstoff-Lobby gefordert werden: Sie wartet auf klare Signale aus Brüssel, ob und in welchem Umgang sie in die Herstellung alternativer Kraftstoffe wie HVO und künftig auch E-Fuels investieren können oder nicht. Denn ohne Planungssicherheit auch keine Investitionen.
- Die Autoindustrie soll beim Umstieg auf mehr E-Fahrzeuge unterstützt werden. In dem Aktionsplan der EU ist die Rede von „konkreten Maßnahmen, die einen robusten und nachhaltigen Automobilsektor gewährleisten und dazu beitragen, Innovationskraft zu stärken und eine starke europäische Produktionsbasis zu erhalten und strategische Abhängigkeiten zu vermeiden.“ Dabei geht es zum Beispiel um die Abhängigkeit von Rohstoffen zur Batterieproduktion, bei denen die EU stark von Diktaturen wie China abhängt.
- Die EU geht zudem auf eine zentrale Forderung der Autobauer ein: Die Klima-Strafzahlungen bei Nicht-Einhaltung der CO2-Flottenziele werden auf 2027 verschoben. „Mit der Abschwächung der CO2-Flottengrenzwerte möchte man den wirtschaftlich unter Druck stehenden Autobauern drohende Milliarden-Strafen ersparen. Dies würde – die Zustimmung des Parlaments und der Mitgliedsstaaten vorausgesetzt – nicht nur zeitlichen Aufschub bedeuten. Vielmehr will man auch die Möglichkeit einräumen, dass Überschreitungen in einem Jahr durch eine Übererfüllung in einem anderen Jahr kompensiert werden können“, schreibt die „Automobilwoche“.
Wichtig dabei: Die Änderungen sind noch nicht beschlossen, sondern benötigen noch die Zustimmung des EU-Parlaments und der Mitgliedstaaten. Es ist also durchaus möglich, dass alles beim Alten bleibt, dass es weniger starke oder auch noch stärkere Änderungen der Strategie gibt – je nachdem, wie sich jetzt die einzelnen Mitgliedstaaten positionieren.
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5. Wird das Verbrenner-Verbot wirklich gekippt?
Diese Frage lässt sich derzeit nicht beantworten, weil sie von einem entscheidenden Faktor abhängt: Der Überprüfung der Fortschritte im Flotten-Umbau. Diese Überprüfung war ursprünglich für 2026 vorgesehen und soll jetzt auf 2025 vorgezogen werden. Dabei geht es darum zu beurteilen, welchen realen Anteil die europaweite Elektro-Flotte bislang zur Reduzierung der CO2-Emissionen beigetragen hat, ob dieser ausreicht oder durch weitere Maßnahmen – etwa der stärkeren Ergänzung durch alternative Kraftstoffe – ergänzt werden muss.
E-Fuels oder andere Klima-Kraftstoffe wären nur dann eine auch für die Autobauer sinnvolle Alternative, wenn die EU ihren bisherigen Ansatz ändert, ausschließlich Elektroautos als „Zero Emission Fahrzeuge“ anzuerkennen. Nur wenn sich die Hersteller den Klimaschutz-Effekt alternativer Kraftstoffe auch auf ihre Flotten anrechnen lassen könnten, gäbe es eine Chancengleichheit zwischen den Antriebsarten. Dazu wäre es erforderlich, dass der bisher der Bilanzierung der CO2-Emissionen eines Fahrzeugmodells zugrundeliegende „Tailpipe“-Ansatz – entscheidend sind nur die Emissionen direkt am Auspuff, die Emissionen der Stromerzeugung werden ignoriert – durch eine gerechtere Systematik ersetzt wird. Diese müsste dann sämtliche CO-Emissionen über den gesamten Lebenszyklus eines Autos und dessen Antriebsenergie umfassen.
6. Wie glaubwürdig ist der Stimmungs-Schwenk der EU?
Insider in Brüssel weisen immer wieder darauf hin, dass EU-Kommissionspräsidentin Von der Leyen ihre grundlegende „Elektro-Only“-Strategie eigentlich gar nicht ändern möchte und nur sehr widerwillig Anpassungen vornimmt. Dazu passt folgende Tatsache, die kürzlich ans Licht kam: Die EU-Kommission leitet Gelder an Lobbyorganisationen wie „ClientEarth“ und „Transport & Environment“ weiter, damit diese bei EU-Politikern Druck zur Verbreitung der Elektromobilität macht. Nach Informationen von FOCUS online ist daher für 2035 folgendes Szenario wahrscheinlich:
- Brüssel wird das Verbrenner-Verbot weitgehend beibehalten, allerdings eine Ausnahme zulassen: Den Verkauf von Plug-In-Hybridfahrzeugen, die eine bestimmte Mindeststrecke rein elektrisch zurücklegen können.
- Der Einsatz von E-Fuels könnte dagegen auf Druck von Lobby-Organisationen in der Praxis so erschwert werden, dass er nur auf Nischen-Anwendungen beschränkt bleibt.
7. Was hat die EU in ihrem Aktionsplan sonst noch beschlossen?
Von der Leyen will die Produktion von Batteriezellen innerhalb der EU fördern, um „strategische Abhängigkeiten“ zu vermeiden. Außerdem sollen sich mehrere Autohersteller und Zulieferer in einer „Allianz für vernetzte und autonome Fahrzeuge“ zusammenschließen. „Sie soll gemeinsam Software, Chips und Technologien für das autonome Fahren entwickelt – ein höchst ambitioniertes Ziel. Denn Software wird immer mehr zum Unterscheidungsmerkmal zwischen Herstellern“, schreibt die „Automobilwoche“. Eine derartig enge Zusammenarbeit könnte allerdings zu Konflikten führen, da womöglich das Kartellrecht berührt würde.
Auch beim Thema Schutzzölle will Brüssel weiter vorangehen und spricht von „Antisubventionen“. So wurden zuletzt mehrere chinesische Hersteller mit Zöllen auf ihre Elektroautos belegt.
8. Welche Auswirkungen können Autofahrer konkret erwarten?
Sollte die EU das Verbrenner-Verbot tatsächlich aufweichen, könnte das bedeuten, dass Autokäuferinnen und -käufer künftig wieder mehr Auswahl beim Antrieb haben. Die Hersteller könnten dann – was sie zum Teil ohnehin schon tun – wieder mehr Hybridmodelle oder sparsame Benziner anbieten. Allerdings wird ab 2027 der Verkehr in den Emissionshandel einbezogen, so dass man spätestens dann von stark steigenden Benzin- und Dieselpreisen ausgehen muss . Solange die EU also nicht ihre Klima-Politik grundlegend ändert, können Autofahrer nicht damit rechnen, dass Änderungen beim Verbrenner-Verbot ihnen künftig auch bezahlbare Mobilität garantieren.
Die nämlich sieht Brüssel nach wie vor ausschließlich im Bereich der Emobilität verankert. Parallel zur Stärkung der Batterieproduktion sieht die EU daher auch Fördermaßnahmen für E-Fahrzeuge vor. Diese werden auch von den Autoherstellern oder dem deutschen Auto-Lobbyverband VDA immer wieder gefordert.