HomeNachricht"Vereinte Patrioten" in Koblenz zu langen Haftstrafen verurteilt

“Vereinte Patrioten” in Koblenz zu langen Haftstrafen verurteilt

Sie wollten die Regierung stürzen und Gesundheitsminister Lauterbach entführen. Jetzt sind die “Vereinten Patrioten” in Koblenz zu langen Haftstrafen verurteilt worden.

Das Oberlandesgericht Koblenz sah es als erwiesen an, dass die Angeklagten Mitglieder einer terroristischen Vereinigung waren und einen Umsturz in Deutschland geplant hatten. Sie sollen einen mehrwöchigen Stromausfall, die Entführung von Minister Karl Lauterbach (SPD) und die Einführung einer neuen Verfassung nach dem Vorbild des Kaiserreichs 1871 geplant haben.

Das Gericht verurteilte die vier Rädelsführer zu Haftstrafen zwischen fünf Jahren und neun Monaten und acht Jahren. Ein fünfter Angeklagter bekam zwei Jahre und zehn Monate. Er war der einzige der fünf, der zuletzt nicht mehr in Untersuchungshaft gesessen hatte.

Der Prozess in Zahlen: Urteil nach zwei Jahren Verhandlung am OLG Koblenz

Es gab laut Gericht 106 Verhandlungstage. 38 Zeugen haben vor dem OLG Koblenz ausgesagt. Fünf Sachverständige waren eingesetzt für unterschiedliche Fragestellungen, z.B. für die Frage, ob die Umsturzpläne realistisch waren. Außerdem sei es ein sehr großes Verfahren mit erhöhter Sicherheit gewesen: 13 Wachtmeister der Justiz waren an den Prozesstagen im Einsatz.

Die Bundesanwaltschaft hatte für vier der Angeklagten Haftstrafen zwischen sechs Jahren sowie acht Jahren und neun Monaten gefordert. Dem fünften Angeklagten schrieb die Anklage eine untergeordnete Rolle in der Gruppe zu. Für ihn hatte sie drei Jahre und sechs Monate Haft gefordert. Zwar sei die Gruppe dilettantisch vorgegangen. Trotzdem dürfe die Gefahr, die von ihr ausgehe, nicht unterschätzt werden, argumentierte die Bundesanwaltschaft.

Verteidiger will das Urteil überprüfen lassen

Der Verteidiger des Angeklagten, der zu acht Jahren Haft verurteilt wurde, sagte dem SWR, er habe bereits auf dem elektronischen Postweg Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt. Er hatte für seinen Mandanten auf Freispruch plädiert. Seiner Auffassung nach war die Gruppierung nicht gefährlich, weil sie komplett vom Staat überwacht worden war. Das schließe eine Gefährlichkeit aus.

Verschwörungstheorien und Selbstdarstellung im Prozess

Während des Prozesses gab es reichlich Einblicke in die abstrusen Ideen der Angeklagten und ihren geplanten Umsturz in Deutschland. Verschwörungstheorien und Selbstdarstellungen prägten den Prozess. Mehrere der Angeklagten propagierten die Ideologien der sogenannten Reichsbürger, die die Bundesrepublik Deutschland nicht anerkennen.

Was sind “Reichsbürger”?

Sogenannte Reichsbürger erkennen die Bundesrepublik Deutschland und ihre Institutionen und Gesetze nicht an. Für viele von ihnen besteht das Deutsche Reich in den Grenzen von 1937 fort. Sie weigern sich oft, amtlichen Bescheiden Folge zu leisten und Abgaben und Bußgelder zu zahlen. Häufig sind sie mit erfundenen Ausweisen oder Autokennzeichen unterwegs. In Rheinland-Pfalz zählt der Verfassungsschutz etwa 950 Personen zu dieser Szene, davon seien 140 gewaltbereit (Stand August 2023).

Frühere Lehrerin aus Mainz soll Vordenkerin der Gruppe gewesen sein

Vor allem eine der fünf Angeklagten fiel während des Prozesses mit ihren Äußerungen auf: Die mittlerweile 77-jährige ehemalige Lehrerin aus Mainz präsentierte immer wieder antisemitische Erzählungen. Für Zuhörer und Zuhörerinnen war es teils sehr schwer, ihren Ausführungen zu folgen.

So bezeichnete die Frau Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) als “Geschäftsführer”, fabulierte über eine Nazisiedlung in der Antarktis und darüber, dass die damaligen Verzichtsurkunden des Kaisers Fälschungen seien. Die Frau nannte sich selbst meist “Treuhandbegünstigte” oder “Preußin” und sprach von sich meist in dritter Person. Die 77-Jährige gab auch die unter “Reichsbürgern” verbreitete Auffassung wieder, Deutschland habe keine gültige Verfassung, sondern nur ein provisorisches Grundgesetz.

Koblenz

Im Prozess gegen die mutmaßliche Terrrorgruppe "Vereinte Patrioten" sagt ein verdeckter Ermittler aus.

Lauterbach-Entführung und Staatsstreich
Prozess gegen “Vereinte Patrioten”: Verdeckter Ermittler sagt aus

Im Prozess gegen die mutmaßliche Terrorgruppe “Vereinte Patrioten” hat am Mittwoch ein verdeckter Ermittler vor dem Oberlandesgericht in Koblenz ausgesagt.

Mi.25.10.2023
6:00 Uhr

SWR4 RP am Morgen

SWR4 Rheinland-Pfalz

Corona-Pandemie als Auslöser für Pläne

Auch andere Angeklagte scheuten nicht vor Show im Gerichtssaal zurück. Gleich am ersten Prozesstag inszenierte sich der aus Brandenburg stammende Sven B. Er hielt einen Zettel auf einem Aktenordner hoch, auf dem in kyrillischer Schrift stand: “Mit unserem Bruder. Für Frieden und Freundschaft. Krieg gegen den Faschismus.” Dazu waren eine blaue Taube und ein rotes Herz gemalt. B. sagte im Prozess, dass für ihn alles mit der Corona-Pandemie angefangen habe.

Ziel der Gruppe soll laut Bundesanwaltschaft die Beseitigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland gewesen sein. Bei der Festnahme der angeklagten Männer spielte ein verdeckter Ermittler eine wichtige Rolle – er hatte einem der Angeklagten Waffen zum Kauf angeboten.

Source link

LEAVE A REPLY

Please enter your comment!
Please enter your name here

RELATED ARTICLES

Most Popular

Recommended News