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Protest gegen Zwangsmitgliedschaft in Pflegekammer

Seit Jahren gibt es Kritik an der Zwangsmitgliedschaft in der Pflegekammer Rheinland-Pfalz. Pflegekräfte haben am Samstag zu einer Demo in Mainz aufgerufen.

Die Landespflegekammer Rheinland-Pfalz wurde 2016 gegründet – als erste Pflegekammer überhaupt in Deutschland. Die Erwartung war, dass sich in allen anderen Bundesländern ebenfalls Pflegekammern gründen würden und die Pflegekräfte eine starke Lobby hätten. Doch nur in Nordrhein-Westfalen kam eine Pflegekammer zustande. Fast zehn Jahre später stellen immer mehr Mitglieder die Legitimität der Pflegekammer Rheinland-Pfalz infrage. Was ist passiert?

Hauptkritik ist die Zwangsmitgliedschaft. Alle Pflegekräfte in Rheinland-Pfalz werden in die Kammer aufgenommen, müssen den Verordnungen folgen und auch Mitgliedsbeiträge zahlen. Sie sind nach Gehalt gestaffelt und liegen im Schnitt bei 120 Euro im Jahr.

Kritiker werfen Pflegekammer chaotische Verwaltung vor

Michael Pauken, Leiter des Seniorenzentrums Kell am See hatte 2016 für eine Pflegekammer gestimmt. Heute ist er enttäuscht. Und das aus mehreren Gründen, sagt er: “In der Pflegekammer herrscht Chaos.” Die Kammer habe Mitgliedsbeiträge nachträglich für mehrere Jahre in Rechnung gestellt. “Eine meiner Mitarbeiterinnen hat im vergangenen Jahr 800 Euro nachzahlen müssen. Das war bitter, weil die Frau auch noch alleinerziehend ist.” Die Kammer sei einfach schlecht organisiert, meint er. “Es gibt hier im Haus Pflegekräfte, die sind nicht bei der Pflegekammer registriert und müssen auch nichts zahlen, andere schon.” Die Kammer komme offenbar nicht hinterher, ihre mehr als 40.000 Pflegekräfte zu verwalten, meint er.

“Pflegekammer ist Wettbewerbsnachteil für RLP”

Und die Pflegekammer, die eigentlich die Pflege in Rheinland-Pfalz unterstützen und fördern soll, entpuppt sich womöglich auch noch als Standort- und Wettbewerbsnachteil für Arbeitgeber im Land. Denn in den Nachbarländern müssen die Pflegekräfte keine Zwangsbeiträge an eine Interessenvertretung zahlen. In Nordrhein-Westfalen wird die Pflegekammer bis 2027 vom Land finanziert und die Mitgliedschaft ist kostenlos, in anderen Bundesländern gibt es sie gar nicht. Pauken sagt, das sei für Pflegekräfte in seiner Region durchaus ein Argument. “Nicht weit entfernt im Saarland müssen sie nichts zahlen.”

Vorwurf: Pflegekammer stimmt Fortbildungen nicht mit Arbeitgebern ab

Auch die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di sieht die Pflegekammer eher als Störfaktor denn als Unterstützung. ver.di-Sprecher Frank Hutmacher gibt ein Beispiel. “Die Pflegekammer verlangt von ihren Mitgliedern, bestimmte Fortbildungen zu machen. Die sind aber nicht mit den Arbeitgebern abgestimmt und werden unter Umständen abgelehnt. Für die Pflegekraft sind sie aber Pflicht. Sie muss die Fortbildung dann aus eigener Tasche zahlen und sich Urlaub nehmen.”

Die Pflegekammer sei lediglich ein Lobbyverband – ohne rechtliche Möglichkeiten etwas durchzusetzen. “Die Entscheidungen zur Pflege werden alle auf Bundesebene gefällt. Eine einzelne Pflegekammer hat kaum Einfluss”, sagt Hutmacher.

Aufgaben der Pflegekammer Rheinland-Pfalz

  • Die Landespflegekammer Rheinland-Pfalz wurde 2016 gegründet. 76 Prozent der damals befragten Pflegekräfte hatten sich dafür ausgesprochen. Die Kammer vertritt mehr als 40.000 Pflegekräfte. Die inhaltliche Arbeit der Kammer wird in Ausschüssen und Arbeitsgruppen geleistet.
  • Die Landespflegekammer regelt die Fort- und Weiterbildung der Mitglieder. Die Pflegekammer entwickelt beispielsweise seit 2023 Rahmenvorgaben für die Fachweiterbildung in der Pflege von Krebs-Patienten.
  • Die Pflegekammer überprüft, ob die Berufsordnung noch den aktuellen Ansprüchen und Gegebenheiten entspricht.
  • Die Pflegekammer erarbeitet Maßnahmen, mit denen die Pflegenden bei ethischen Konflikten unterstützt werden sollen.
  • Die Pflegekammer versteht sich als Sprachrohr der Pflegekräfte. Sie informiert über die Situation in der Pflege und stellt Forderungen an die Politik.

Bundesverband ruft zu Demo gegen die Pflegekammer in Mainz auf

Der Bundesverband für freie Kammern fordert nun, dass die Mitgliedschaft in der Pflegekammer freiwillig ist und das Land die Finanzierung übernimmt. Die Verwaltung der Pflegekammer müsse sorgfältiger werden und für die Pflegekräfte auch tatsächlich erkennbare Verbesserungen im Arbeitsalltag erreichen. Der Bundesverband hat für Samstagmittag 12 Uhr zu einer Demonstration auf dem Schillerplatz in Mainz aufgerufen.

Pflegekammer RLP hält Kritik für Einzelfälle

Die Pflegekammer sieht die angekündigte Demonstration nicht als Ausdruck einer breiten Kritik. “Die Forderungen der Demonstrierenden richten sich überwiegend auf individuelle Anliegen einzelner Mitglieder”, teilte die Kammer dem SWR mit. “Dabei geht es insbesondere um persönliche Aspekte der Mitgliedschaft, wie beispielsweise Beitragsfragen oder ob grundsätzlich eine Mitgliedschaft in der Pflegekammer besteht.”

Zunehmend wird der Pflegekammer auch ihre demokratische Legitimität abgesprochen. Die Absicht sei zwar positiv gewesen, betonen die Kritiker, aber an der Befragung der Pflegenden zur Gründung der Kammer hätten sich 2016 nur 16 Prozent beteiligt. Auch wenn 76 Prozent von ihnen für die Einführung gestimmt hätten, sei das nicht repräsentativ.

Der Leiter des Seniorenheims Kell am See, Pauken, und auch ver.di-Sprecher Hutmacher fordern, eine neue Mitgliederbefragung. Die Mitglieder sollen abstimmen, ob die Pflegekammer in ihrer jetzigen Form erhalten bleiben soll. ver.di will sich nach der Sommerpause bei der Landesregierung dafür einsetzen. Das Gesundheitsministerium hat die Rechtsaufsicht über die Pflegekammer Rheinland-Pfalz.

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