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    „Putin will den Krieg mit einem Sieg beenden“

    Berlin. Kremlchef Wladimir Putin strebe in der Ukraine einen Regimewechsel an, sagt der Osteuropa-Experte John Lough. Eine Waffenruhe? Eher unwahrscheinlich.

    Für große Hoffnungen über eine Waffenruhe in der Ukraine gebe es keinen Anlass, warnt der Osteuropa-Experte John Lough von der Londoner Denkfabrik New Eurasian Strategies Centre. „Die Russen legen es darauf an, die Verhandlungen auszudehnen“, sagte er im Interview mit unserer Redaktion.

    Herr Lough, Washington und Kiew haben sich auf eine 30-tägige Waffenruhe im Ukraine-Krieg geeinigt: Ist das ein erster Schritt in Richtung Frieden?

    John Lough: „Ja, das ist das ein erster Schritt in Richtung Frieden. Aber die Russen werden Bedingungen stellen. Sie werden auf Wahlen in der Ukraine pochen, weil sie Präsident Wolodymyr Selenskyj loswerden wollen. Zweitens sind sie an einer Lockerung der Sanktionen interessiert. Drittens wollen sie mit den USA über die europäische Sicherheitsarchitektur reden und die amerikanische Militärpräsenz in Europa herunterfahren. US-Präsident Donald Trump hatte Moskau bereits signalisiert, dass dies alles auf dem Tisch liegt. Die Russen legen es gleichzeitig darauf an, die Verhandlungen auszudehnen. Das gibt ihnen die Möglichkeit, weiterzukämpfen.“

    Der russische Präsident Wladimir Putin hat eher reserviert auf den Vorschlag reagiert. Welchen Plan verfolgt er?

    „Putin will den Krieg mit einem Sieg beenden – oder mit einem Ergebnis, das er als Sieg verkaufen kann. Putin hält an seinen ursprünglichen Kriegszielen fest. Er will eine ‚Entnazifizierung‘ der Ukraine: Selenskyj und seine Regierung sollen abgelöst und durch ein russlandfreundliches Regime ersetzt werden. Moskaus Ziel ist, die Westintegration der Ukraine zu untergraben: Die Mitgliedschaft in der Nato wie auch die in der EU soll verhindert werden. Ferner will Putin das Land entmilitarisieren. Die Ukraine könnte sich dann künftig nicht mehr verteidigen.“

    Osturopeexperts John Lough

    Ukraine-Experte John Lough von der Londoner Denkfabrik New Eurasian Strategies Centre.
    © privat | Privat

    Wird US-Präsident Trump versuchen, Putin mit Zugeständnissen wie etwa dem Abbau von Sanktionen an den Verhandlungstisch zu bringen?

    „Trump hat Moskau bereits durch großzügige Zugeständnisse belohnt, damit es an Ukraine-Gesprächen teilnimmt. Er hatte vorab die Nato-Mitgliedschaft des Landes bereits ebenso ausgeschlossen wie Sicherheitsgarantien durch amerikanische Truppen. Auch der Abbau von Sanktionen gegen Russland ist denkbar. Trump hätte allerdings kein Interesse daran, dass wieder russisches Gas nach Europa fließt. Das wäre unliebsame Konkurrenz für amerikanische Anbieter von Flüssiggas.“

    Die Dynamik des Krieges ist auf Russlands Seite. Welche Optionen bleiben der Ukraine?

    „Es ist nicht damit zu rechnen, dass Trumpf ein neues Hilfspaket an Rüstungsgütern auflegt. Kiew hat daher das Ziel, dass die Europäer in die Bresche springen, wenn die amerikanische Militärhilfe zu einem Ende kommt. Die Ukraine braucht jetzt möglichst viel Unterstützung von einer europäischen Koalition der Willigen, um weiterkämpfen zu können, falls eine Waffenruhe nicht gelingt. Sie wird jedoch von Europa nicht die Sicherheitsgarantien erhalten, die sie sich wünscht. Ich sehe kein Land, das dazu bereit wäre. Die beste Sicherheitsgarantie für die Ukraine sind die eigenen Streitkräfte. Diese muss sie in Zukunft wieder aufbauen.“

    Wie lange kann das Land im Krieg noch durchhalten?

    „Das hängt von der Intensität des Krieges ab. Die Russen wären vermutlich in der Lage, noch rund 18 Monate weiterzukämpfen. Für die Ukraine ist die Zeit relativ begrenzt: Ihr größtes Problem ist das Personal. Aber sie kann wahrscheinlich noch rund ein dreiviertel Jahr weiterkämpfen. Danach wird es kritisch.“

    Ukraine-Krieg - Charkiw

    Der Ukraine gehen die Soldaten aus.
    © DPA Images | Alex Babenko

    Trump will offensichtlich einen Frieden um jeden Preis. Wird er die Ukraine zum Verzicht großer Gebiete oder zu anderen Konzessionen zwingen?

    „Die US-Administration hat bereits erklärt, es sei nicht realistisch, dass die Ukraine alle heute von Russland besetzten Gebiete zurückgewinnen kann. Ich glaube nicht, dass die Amerikaner die Ukraine zwingen werden, eigene Gebiete als russisches Territorium anzuerkennen. Aus US-Sicht müssen sich die Ukrainer eher damit abfinden, dass die besetzten Gebiete unter russischer Kontrolle sind.“

    Die Kritik der Amerikaner an Präsident Selenskyj ist schärfer geworden. Wie laut könnte die Forderung nach Neuwahlen noch werden?

    „Die Amerikaner haben bereits zu verstehen gegeben, dass Neuwahlen in der Ukraine notwendig seien. Das hängt damit zusammen, dass Selenskyj bereits vor dem Eklat im Weißen Haus ein schlechtes Image in Washington hatte. Mit Blick auf Neuwahlen sind sich die Vereinigten Staaten und Russland einig. Das Problem ist, dass man für die Durchführung von Wahlen Stabilität in der Ukraine braucht. Allein die Vorbereitung würde sechs bis neun Monate dauern. Angesichts der Millionen Ukrainer im Ausland und der Situation in den besetzten Gebieten ist die Organisation sehr schwierig. Die Russen würden versuchen, die politische Atmosphäre aufzuheizen. Und was passiert, wenn US-Vizepräsident JD Vance die Ukrainer ermahnt, sie müssten auch die prorussischen Parteien zur Wahl zulassen?“

    Ist die Wahl-Forderung in erster Linie ein Druckmittel, Selenskyj loszuwerden?

    „Selbstverständlich. Sowohl Amerikaner als auch Russen haben das Ziel, dass Selenskyjs Präsidentschaft endet.“

    Immerhin hat die US-Administration bereits Gespräche mit Konkurrenten Selenskyjs geführt – etwa Ex-Präsident Petro Poroschenko oder Ex-Ministerpräsidentin Julia Tymoschenko . . .

    „Das stimmt. Das sind aber nicht die echten Konkurrenten für Selenskyj, weil sie in Umfragen weit hinten liegen. Viel aussichtsreicher wäre zum Beispiel der ehemalige ukrainische Oberbefehlshaber und jetzige Botschafter in London, Walerij Saluschnij. Dieser vertritt allerdings bei zentralen Themen nicht die Position der Amerikaner. Sollte es zu einer längeren Waffenruhe kommen, wird die Kritik an Selenskyj zunehmen. In der ukrainischen Politik könnte es dann unruhig werden. In der Bevölkerung würden sich Erschöpfung und Frust Luft machen. Es könnte auch das Gefühl entstehen, dass der Westen die Ukraine verraten hat. Die Russen würden versuchen, diese Situation auszunutzen.“

    Wie fest sitzt Präsident Wolodymyr Selenskyj noch im Sattel?

    „Momentan sitzt Selenskyj noch fest im Sattel. Nach dem Eklat im Weißen Haus sind seine Umfragewerte gestiegen: In einer solchen Situation verteidigen die Ukrainerinnen und Ukrainer ihren Präsidenten.“

    Die ukrainische Bevölkerung ist nach mehr als drei Jahren Krieg erschöpft. Wie groß ist der Wunsch nach Frieden – auch um den Preis schmerzhafter Zugeständnisse?

    „Nach den neuesten Umfragen ist die Bereitschaft, schmerzhafte Zugeständnisse zu machen, nicht besonders groß. Die Mehrheit der Menschen will Frieden, aber nicht um jeden Preis. Das Land befindet sich in einem Zwiespalt. Wie lange kann die Ukraine mit der Erkenntnis weiterkämpfen, dass die meisten der westlichen Partner noch an Bord sind und sie weiterhin militärisch, diplomatisch und wirtschaftlich unterstützen werden? Oder müsste man bereits jetzt versuchen, eine Absprache mit Moskau zu finden, um mindestens Zeit zu sparen und sich auf die nächste Phase des Krieges vorzubereiten? Dieses Dilemma ist noch nicht aufgelöst.“

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