Wer unter ständigen Schmerzen im Rücken oder Nacken leidet, macht meist mangelnde Bewegung, langes Sitzen oder eine schlechte Schlafposition dafür verantwortlich. Das mag oft die Ursache sein, der Auslöser kann aber auch ein ganz anderer sein. Das hat ein Forscherteam aus Australien herausgefunden: Schuld an chronischen Schmerzen im Rücken oder Nacken, aber auch in der Schulter, im Knie oder in der Hüfte, kann überschüssiges Bauchfett sein.
Hierfür analysierten die Forscher die Daten von mehr als 32.000 Menschen. Diese waren im Schnitt 55 Jahre alt.
Ursache für Schmerzen: Viszerales und subkutanes Fett
Es zeigte sich: Frauen mit viel sogenanntem viszeralem Fettgewebe, also Fett am Bauch, litten doppelt so häufig an anderen Stellen ihres Körpers unter chronischen Schmerzen im Vergleich zu Frauen ohne Bauchfett. Bei Frauen mit einem hohen Anteil an subkutanem Fett lag das Risiko für chronische Schmerzen sogar um 60 Prozent höher. Subkutanes Fettgewebe ist Fett, das sich direkt unter der Haut ansetzt, also jenes Gewebe, das Sie spüren, wenn Sie sich in den Bauch oder in die Hüfte kneifen.
Bei Männern fiel der Effekt ebenfalls deutlich, aber nicht so stark wie bei den Frauen aus: Männer mit besonders viel viszeralem Fettgewebe hatten ein um 34 Prozent höheres Risiko für chronische Schmerzen an anderen Körperstellen, bei subkutanem Fettgewebe war es um 39 Prozent erhöht.
Den Unterschied zwischen den Geschlechtern erklären sich die Forscher durch eine andere Verteilung des Fettgewebes im Körper von Männern und Frauen sowie durch hormonelle Unterschiede.
So lief die Bauchfett-Studie ab
Um beide Arten von Fett zu messen, kamen Magnetresonanztomographie-Scans des Bauchs zum Einsatz, kurz MRTs. Zudem waren die Teilnehmer befragt worden, ob sie seit mehr als drei Monaten Schmerzen im Rücken, Nacken, in der Schulter, in der Hüfte oder im Knie verspürten – oder am ganzen Körper. Für wie stark sie diese Schmerzen empfanden – etwa auf einer Skala von 0 bis 10 – wurde dabei nicht abgefragt.
Eine kleinere Gruppe von 638 Teilnehmern nahm nach zwei Jahren erneut an Scans und Befragungen teil. Die Ergebnisse ihrer Studie veröffentlichten die Forscher in der Zeitschrift „Regional Anesthesia and Pain Medicine“.
Die Studie stützt die These, dass viszerales Fett bestimmte Hormone produziert und Entzündungen im Körper auslösen kann. Da es sich um eine reine Beobachtungsstudie handelt, zeigen die Ergebnisse zwar, dass wahrscheinlich ein Zusammenhang besteht zwischen Bauchfett und chronischen Schmerzen. Die Studie erläutert aber nicht, wie genau das Fettgewebe zu Entzündungen an anderen Körperstellen führt.
Ernährungsmediziner Matthias Riedl: Hauptursache für Bauchfett ist zu viel Fruktose
Auch wer einen normalen Body-Mass-Index, kurz BMI, hat und damit als normalgewichtig gilt, kann zu viel Bauchfett aufweisen. Mindestens zwei Drittel der Deutschen sind davon betroffen. Und es kann nicht nur Schmerzen in Rücken, Nacken oder anderen Bereichen des Körpers verursachen. Was Bauchfett so gefährlich für die Gesundheit macht, erklärt Ernährungsmediziner Matthias Riedl im Gespräch mit FOCUS online.
FOCUS online: Warum ist Bauchfett im Vergleich zu etwa Hüftspeck so gefährlich?
Matthias Riedl: Bauchfett stört den gesamten Stoffwechsel, stört die Regulation des Blutdrucks, der Blutfette, führt zu einer erhöhten Entzündungssituation im Körper. Wir nennen das stille Entzündung oder “silent inflammation”. Diese Entzündung verkürzt die Telomere im Zellkern, lässt uns also schneller altern. Sie bedeutet erschöpfende Dauerbelastung des Immunsystems.
Bauchfett überlastet also unsere Abwehrkräfte dauerhaft?
Riedl: Ja, das Immunsystem kann dadurch die Reaktionen auf Erreger nicht mehr fein dosieren. Betroffene haben häufig einen wesentlich schwereren Verlauf bei Infektionskrankheiten. Wir sehen das bei Covid. So kommt es etwa zu überschießenden, dramatischen Überreaktionen, die in kürzester Zeit das Lungengewebe ruiniert haben. Da ging es nicht mehr um das Virus, sondern um eine entfesselte Detonation, eine Kettenreaktion, die sich nicht mehr aufhalten ließ, mit tödlichem Ausgang.
Wenn es uns gelingt, diese “silent inflammation” zurückzudrehen, können wir nicht nur Krankheiten besser überstehen, sondern auch das Altern verlangsamen und auch Arthrose, Arteriosklerose, also alle Abnutzungserscheinungen.
Wie erkenne ich, dass ich zu viel Bauchfett habe?
Riedl: Das geht ganz einfach, indem Sie Ihren Bauchumfang messen: Bei Frauen liegt er ideal unter 80 Zentimeter, mehr als 85 sollten es nicht sein. Bei Männern gilt 94 bis 102 Zentimeter.
Was ist die wichtigste Bauchfett-Ursache?
Riedl: Die Fehlernährung. Viele denken, dann muss ich einfach weniger Fett essen. Bei dieser Meinung laufen wir aber den alten Lügen der amerikanischen Ernährungsindustrie auf, die vor Fett, aber nicht vor Zucker warnten, um gesüßte und kohlenhydratreiche Produkte, die man besonders gut verarbeiten kann, besser zu verkaufen.
Sterben Bauchfettursache Nummer 1 ist also Zucker?
Riedl: Es gibt eine Rangliste der Schlechtigkeiten bei Ernährung. Auf Platz 1 steht Fruktose, also Fruchtzucker. In der Nahrungsmittelindustrie gilt er als unbedenklich, wird von den Behörden auch so eingestuft. Es gibt keine Limitierung für die Beimengung. Fruktose ist billiger als Haushaltszucker und süßt deutlich mehr – Haushaltszucker hat 100 Prozent Süßstärke, Fruktose 120. Deshalb wird Fruktose als Geschmacksverstärker vielen Lebensmitteln beigesetzt und führt dann zu suchtartigem Verhalten.
Welche Lebensmittel enthalten besonders viel Fruktose?
Riedl: Mindestens jedes zweite Fertigprodukt, Tendenz steigend, liefert Fruchtzucker und zwar oft in riesiger Menge! In der Systemgastronomie ist das noch mehr. Beispielsweise bei McDonalds enthalten nur Kaffee und die Chicken McNuggets keine Fruktose. Nehmen Sie Ketchup oder Barbecue-Soße dazu, haben Sie bereits wieder Fruktose. Anders als Haushaltszucker kann Fruktose nicht von den Zellen verwertet werden, sondern landet in der Leber, wird zu Fett umgebaut, verstopft die Leber und lagert sich um die Körpermitte an.
Woher kommt Bauchfett außerdem?
Riedl: Haushaltszucker rangiert auf Platz 2 der Bauchfett-Verursacher. Danach kommen hoch raffinierte Kohlenhydrate, fein gemahlene Mehle, eigentlich alles, was hoch verarbeitet ist wie Fertigprodukte. Denn je höher verarbeitet Produkte sind, desto schneller werden sie verdaut, in Zucker umgewandelt und umso rascher steigt der Blutzucker an.
Besonders riskant sind auch Limonaden und Säfte. Übrigens enthalten etwa auch Trauben- und Apfelsaft so viel Zucker wie Limonaden, deshalb im Verhältnis 1 : 3 mit Wasser mischen.
Was hilft am wirkungsvollsten gegen das Bauchfett – entsprechend auf diese Faktoren verzichten, also Fruktose und Zucker allgemein aus der Ernährung streichen?
Riedl: Richtig. Zuckerarme Ernährung, dabei vor allem fruktosearme, die am besten auch wenig raffinierte Mehle enthält. Und ein echter Gegenspieler von Bauchfett ist einfach Gemüse. 500 Gramm pro Tag sollten es sein, dazu noch Nüsse, weil sie wertvolles Eiweiß und gesunde Fette liefern.