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    DAX, Börse und eingebrochene Aktienkurse: Droht eine Finanzkrise?

    Der massive Einbruch an den weltweiten Finanzmärkten sorgt für viel Verunsicherung. Finanzmarktexperte Hans-Peter Burghof gibt im Interview Antworten auf die drängendsten Fragen.

    Weltweit sind die Finanzmärkte am Montag drastisch eingebrochen. Auch der Deutsche Aktien-Index (DAX) sackte zeitweise um mehr als zehn Prozent ab. Die Verunsicherung ist groß. Umso mehr Fragen stellen sich: Was geschieht gerade? Droht eine Weltwirtschaftskrise? Wie geht es weiter? Was braucht es, um die Märkte zu stabilisieren? Und wie sollten sich Kleinanleger nun verhalten? Finanzmarktexperte Hans-Peter Burghof von der Universität Hohenheim ordnet die aktuellen Entwicklungen im SWR-Interview ein.

    SWR Aktuell: Was passiert da gerade an der Börse?

    Hans-Peter Burghof: Investoren mögen kein Risiko. Wenn wir ein Risiko haben, dann zahlen sie weniger für die entsprechenden Wertpapiere, die so riskant sind. Und jetzt haben wir eine Situation, in der das gesamte Risiko an den Kapitalmärkten nach oben geht. Man weiß einfach nicht, wo die weltweite Wirtschaft hingehen wird. Es ist noch nicht unbedingt etwas Negatives passiert. Die Aktien haben als solche vielleicht noch nicht an Wert verloren, die Unternehmen dahinter haben noch nicht an Wert verloren. Aber die Zukunft ist sehr ungewiss. Und deswegen werden die Investoren sehr vorsichtig.

    SWR Aktuell: Sie sprechen von vorsichtig. Gefühlt macht sich auch eine gewisse Panik breit. Ist die denn angebracht?

    Burghof: Heute morgen hatten wir wohl einen kleinen Augenblick der Panik in Deutschland. Wir sehen aber, dass sich das wieder korrigiert hat. Und wenn man das in einen etwas längerfristigen Kontext stellt, muss man sagen, wir haben eine Krise. Aber Krisen dieses Formats hatten wir in der Vergangenheit durchaus öfters.

    Heute morgen hatten wir wohl einen kleinen Augenblick der Panik in Deutschland. Wir sehen aber, dass sich das wieder korrigiert hat.

    SWR Aktuell: Nun hat der amerikanische Präsident die Zölle schon vor einigen Tagen angekündigt. Warum haben die Finanzmärkte so zeitverzögert reagiert?

    Burghof: Wir wissen nicht genau, ob und wann sich Trump und seine Regierung eventuell noch mit den anderen Ländern einigen. Denn eigentlich verlieren ja alle bei so einem Handelsstreit. Also eigentlich ist es dumm, keine Einigung zu finden. Und wenn es wahrscheinlicher wird, dass wir keine Einigung finden, wird die Situation neu bewertet. Wann das passiert, kann man nicht so genau vorhersehen. Aber dass es jetzt passiert, sehen wir im Ergebnis.

    Prof. Dr. Hans-Peter Burghof ist Finanzmarktexperte an der Universität Hohenheim. Er leitet dort den Lehrstuhl für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen.

    Prof. Dr. Hans-Peter Burghof ist Finanzmarktexperte an der Universität Hohenheim. Er leitet dort den Lehrstuhl für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen.

    Universität Hohenheim

    SWR Aktuell: Sie haben sicher auch keine Glaskugel zu Hause. Aber aus Ihrer Erfahrung heraus: Wie wird sich die Situation in den kommenden Tagen entwickeln?

    Burghof: Ja, das mit der Glaskugel stimmt für alle anderen Ökonomen und nicht nur für mich. Ich werde sicher nicht sagen, wohin es geht. Denn das hängt von politischen Entscheidungen ab. Und die sind nicht vorhersehbar. Es kann sehr gut sein, dass die Leute im Trump-Team sagen, die Kurse gehen massiv nach unten, das wollen wir nicht, unsere Geldgeber wollen das nicht. Und dann wird Druck aufgebaut, jetzt doch noch zu einer vernünftigen Lösung zu kommen.

    Es kann aber auch sein, dass die amerikanischen Märkte gar nicht so stark reagieren. Dann kann man sagen, wir schaden den anderen mehr als uns, das finden wir gut, da fahren wir weiter auf dem Kurs. Wir sehen, dass die sogenannten Volatilitätsindizes, die eine Prognose dafür sind, wie stark die Aktienkurse schwanken werden in Zukunft, erheblich nach oben gegangen sind. Es kann also sein, dass es noch mal ganz deutlich runter geht. Es kann aber auch sein, dass sich das fängt, weil man zu vernünftigen Lösungen kommt.

    SWR Aktuell: Wenn auch der Dow Jones absackt, muss Trump dann eigentlich zurückrudern, um den Markt zu stabilisieren?

    Burghof: Da müssten wir keine Glaskugel haben, dafür bräuchten wir ein Fernglas, das ganz tief in die Machtstrukturen bei Donald Trump hineinschaut. Das haben wir nicht. Diese Regierung ist sehr intransparent. Wir wissen nicht, wer wirklich was entscheidet und wer wirklich regiert. Und deswegen können wir das auch nichts vorhersagen. Es kann also sein, dass so ein Donald Trump sein Land auch gegen die Wand fährt, weil er da ideologisch verbohrt ist, weil er in Feindbildern gefangen ist, die vollkommen unsinnig sind, die aber eben existieren. Es kann aber auch sein, dass andere Menschen dabei sind, die über ihn Macht haben, wie zum Beispiel Elon Musk, die natürlich auch ein Interesse daran haben, dass die Kurse nicht einfach durch den Boden gehen.

    SWR Aktuell: Aber wenn wir auf die Mechanismen des Finanzmarktes schauen: Was bräuchte es denn, damit die Finanzmärkte sich wieder stabilisieren?

    Burghof: Es braucht eine positive wirtschaftliche Perspektive. Und die ist im Moment sehr komplex. Wir brauchen im Handelsstreit eine Lösung. Und wir brauchen die Vereinigten Staaten, die den Westen verteidigen wollen. Die Ukraine-Frage ist im Hintergrund immer sichtbar und spürbar. Das erzeugt auch wirtschaftliche Unsicherheit und hohe Risiken.

    Die Börse antizipiert, was in der Wirtschaft passieren kann, macht sich Gedanken über die Zukunft und preist das dann eben heute schon ein.

    SWR Aktuell: Welche Konsequenzen hätte es, wenn sich der Markt die nächste Tage nicht stabilisiert?

    Burghof: Es ist ja eigentlich umgekehrt. Diese Marktdaten des Kapitalmarkts bilden die wirtschaftlichen Erwartungen ab. Das heißt, wir schlittern nicht in eine Wirtschaftskrise, weil der Markt runtergeht. Sondern der Markt bildet ab, dass wir in eine Wirtschaftskrise geraten, weil wir weniger produzieren werden, weil wir schlichtweg ärmer werden. Wir werden tatsächlich auch ärmer werden, weil wir sehr viel mehr für Rüstung ausgeben müssen, damit wir überhaupt die Stabilität dieser Weltgemeinschaft erhalten können. Sie sehen jetzt, dass auch die Erwartung bei Rüstungsaktien negativ werden, auch Rüstungsaktien haben erheblich verloren. Das ist eine Prognose, dass wir tatsächlich ärmer werden, dass die Wirtschaft schlechter laufen wird. Und die Börse handelt eben Zukunft. Und deswegen sieht man das heute an den Kursen, was da an Erwartungen für die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung existieren. Die Börse antizipiert, was in der Wirtschaft passieren kann, macht sich Gedanken über die Zukunft und preist das dann eben heute schon ein.

    Baden-Württemberg

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    Lange Zeit waren Investitionen in Aktien und Fonds von Rüstungskonzernen in Deutschland verpönt. Das hat sich nun geändert und es wird viel Geld damit verdient. Eine Frage der Moral?

    SWR Aktuell: Was meinen Sie mit ärmer werden? Was heißt das für den Privatanleger?

    Burghof: Für den Privatanleger heißt das, dass er mit seinen Aktien nicht mehr so viel Geld verdient. Es heißt aber auch, dass wir eine höhere Arbeitslosigkeit bekommen könnten und dass wir weniger Einkommen, also weniger Kaufkraft haben. Und es heißt, dass wir uns in der Zukunft beschränken müssen, weil wir unser Geld für andere Zwecke ausgeben müssen, zum Beispiel für Rüstung. Und weil wir tatsächlich weniger produzieren, weniger konsumieren können.

    SWR Aktuell: Was würden Sie dem privaten Kleinanleger jetzt raten?

    Burghof: Es gilt der gleiche Rat wie immer. Man sollte vernünftig über Geldanlagen der verschiedensten Art streuen. Man muss einfach darauf achten, dass man nicht alle Eier in den gleichen Korb legt. Der Rat gilt immer in solchen Zeiten, in riskanten Zeiten gilt er natürlich ganz besonders.

    Man sollte vernünftig über Geldanlagen der verschiedensten Art streuen. Man muss einfach darauf achten, dass man nicht alle Eier in den gleichen Korb legt.

    SWR Aktuell: Sind ETF im Zweifel jetzt gerade noch ein bisschen sicherer als Einzelaktien?

    Burghof: Da bin ich mir nicht sicher. Das hängt von der Art des ETF ab. Wir haben im Moment generelle Markttrends, die sehr problematisch sind. Das betrifft ja alle Aktien. Und wenn man einen Dax-ETF hat, und der gesamte deutsche Markt leidet, leidet natürlich auch der Dax-ETF. Das spricht sehr dafür, dass man verschiedene Anlageformen sucht, dass man kleine und große Aktien hat und dass man auch über festverzinsliche Wertpapiere nachdenkt. Aber wenn wir jetzt auf die Kurse in der gegenwärtigen Situation schauen, dann ist das ein globales Problem. Es ist nicht ganz einfach zu diversifizieren, weil das ebenso viele Märkte betrifft.

    SWR Aktuell: Sie hatten angerissen, dass es solche Situation in der Geschichte schon öfter gab. Können Sie da nochmal einen kurzen Blick zurückwerfen?

    Burghof: Ich bin mir bewusst, dass Medien von Superlativen leben. Aber diese Krise ist natürlich noch nicht eine superlative Krise in dem Sinne, dass es so etwas noch nie gegeben hat. So etwas hat es immer wieder gegeben, zum Beispiel in der Corona-Krise und in der globalen Finanzkrise. In diesen beiden Fällen war es noch viel schlimmer als das, was wir bisher in dieser Krise sehen. Und von daher sollte man nicht übertreiben, sondern an vernünftigen Lösungen arbeiten, damit es nicht noch schlimmer wird. Das heißt natürlich nicht, dass wir jetzt nicht noch eine größere Krise bekommen können. Diese Indizes gehen im Moment alle nach oben. Sie haben keine beruhigende Nachrichten im Markt. Wenn wir die haben, kann das aber auch schnell wieder vorbei sein. Also mit anderen Worten: Wir müssen keine Panik machen. Wenn die Politiker eine vernünftige Lösung finden, werden wir auch wieder in den Kapitalmärkten mehr Ruhe reinbekommen.

    Es kann sein, dass sich das sehr schnell wieder beruhigt. Es kann aber auch sein, dass wir wirklich eine Krisensituation bekommen.

    SWR Aktuell: Mit der Finanzkrise oder der Corona-Pandemie ist die aktuelle Situation noch nicht vergleichbar?

    Burghof: In der globalen Finanzkrise und während Corona hatten wir deutlich stärkere Ausschläge in der Schwankungsbreite der Kurse und in den Kurseinbußen. Wir wissen nicht, ob am wir Anfang der Krise oder schon mittendrin sind. Oder ob vielleicht schon bald eine Lösung kommt, die uns hilft. Das ist, wie wenn sie einen Berg hochklettern und nicht genau wissen, wie groß der Berg wirklich ist. Wir wissen schlichtweg nicht, wie es weitergeht. Ob sich die Krise weiter verschärft oder nicht. Wenn wir das wüssten, wäre es schon in den Kapitalmarktpreisen eingepreist.

    Über genau diese Fragen denken die Kapitalmarktteilnehmer jeden Tag nach. Es kann sein, dass sich das sehr schnell wieder beruhigt. Es kann aber auch sein, dass wir wirklich eine Krisensituation bekommen. Wir hatten ja in der ersten Präsidentschaft Trump sehr schnell wieder eine Beruhigung. Da war man sehr aufgeregt und hat dann festgestellt, dass es gar nicht so schlimm ist. Und wir haben dann ja halbwegs vernünftige Lösungen gefunden. Das ist das Problem mit den Kapitalmärkten. Sie reden über die Zukunft, aber die Zukunft ist ungewiss. Und das, was wir jetzt einpreisen, ist eben das, was man bisher über die Zukunft zu wissen meint.

    SWR Aktuell: Was stimmt Sie denn positiv, dass wir da halbwegs gut durchkommen?

    Burghof: Dass wir in den USA Druck bekommen von den Kapitalmärkten, von den Kapitalmarktteilnehmern und auch den Leuten, die hinter Donald Trump stehen. Dass er jetzt zu einer Beruhigung der Märkte beiträgt, damit die Wirtschaftskrise tatsächlich auch nicht so stattfindet, wie sie uns im Moment droht. Und der etwas langfristige Effekt, dass wir in Europa und Deutschland anfangen, unsere Hausaufgaben zu machen. Also dass wir anstatt auf die USA zu starren, in vielen Dingen wieder unsere eigene Stärke entwickeln und nicht in Bürokratie und Ideologie ersticken. Wir haben ja kaum noch Problemlösungs-Potenzial in Europa selbst. Wenn wir das ändern, werden wir auch als Europa stark sein. Wenn wir das schaffen, wäre das sehr positiv und vor allem eine dauerhaft positive Entwicklung.

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