Manuel Neuer ist zurückgetreten, Marc-André ter Stegen verletzt – davon könnte Oliver Baumann profitieren. Über einen Spätberufenen mit Heimvorteil.
Vor einigen Tagen, als er den Kader für die Länderspiele gegen Bosnien-Herzegowina und die Niederlande bekanntgegeben hat, war Bundestrainer Julian Nagelsmann ein gefragter Gesprächspartner. Er kennt das schon. Es ging manchmal um den Angreifer Tim Kleindienst, den Nagelsmann zum ersten Mal nominiert hat. Und es ging oft um die Torhüter.
Die Nummer eins in der Nationalmannschaft hieß in den vergangenen Jahren Manuel Neuer, doch der ist nach der EM zurückgetreten. Seitdem stand Marc-André ter Stegen bei Länderspielen im Tor, nur hat der sich bei einem Spiel des FC Barcelona die Patellasehne im rechten Knie gerissen. Nagelsmann sagt: “Er ist unsere Nummer eins – und das bleibt er auch.”
Nagelsmann sucht den ter-Stegen-Vertreter
Spielen kann ter Stegen in den nächsten Monaten nicht. Mit seiner Rückkehr wird frühestens im kommenden Sommer gerechnet. Der Bundestrainer Nagelsmann sucht deshalb den ter-Stegen-Vertreter, er sucht eine neue Nummer eins, aber eben nur auf Zeit.
Janis Blaswich, 33, wird diese Rolle nicht einnehmen, er ist beim DFB vorerst als Nummer drei eingeplant. Diesen Job wollte Bernd Leno, 32, offenbar nicht. Er habe, hat Leno gerade der “Bild” gesagt, deshalb für die Oktober-Länderspiele abgesagt. Kevin Trapp, 34, ist verletzt, war aber zuletzt auch fit manchmal nicht im Kader.
Es spricht also manches für ein Duell um den Platz im Tor, die Kandidaten: Alexander Nübel, 28, vom FC Bayern München an den VfB Stuttgart ausgeliehen und dort unumstritten, wenn auch nicht ohne Fehler. Und Oliver Baumann, 34, Kapitän der TSG Hoffenheim und seit vier Jahren regelmäßig beim DFB im Kader. Bei der EM im Sommer war er die Nummer drei.
Baumann wird gegen die Niederlande debütieren
Nun wird er befördert. Baumann, das hat Nagelsmann erklärt, habe es sich “verdient, mal ein Länderspiel zu kriegen”. Nun ist es soweit. Am Montag (14.10.2024) wird Baumann in München gegen die Niederlande sein erstes Länderspiel bestreiten, das gab der DFB am Mittwochnachmittag bekannt. Gegen Bosnien-Herzegowina am Freitag wird Alexander Nübel zwischen den Pfosten stehen. Es wird ebenfalls sein erstes Länderspiel sein.
Baumann hat seit 2010 467 Bundesligaspiele absolviert für Freiburg und Hoffenheim, er ist gut auf der Linie und stark in der Strafraumbeherrschung. Mit dem Fuß hat er sich in den vergangenen Jahren deutlich verbessert, auch wenn aus ihm kein Neuer mehr wird und kein ter Stegen.
In der Bundesliga zählt Baumann zu den guten Torhütern, vielleicht auch zu den sehr guten. Das haben sie auch beim DFB beobachtet, wo der Torwarttrainer Andreas Kronenberg heißt. Mit ihm hat Baumann schon in Freiburg zusammengearbeitet. Er hat bei der Nationalmannschaft einen kleinen Heimvorteil. Für einen Länderspieleinsatz hat es trotzdem nicht gereicht. Erst war da Neuer, dann ter Stegen. Und nun ist plötzlich alles anders.
In München haben sich Nagelsmann und Nübel knapp verpasst
Baumanns Konkurrent Nübel gilt seit vielen Jahren als überaus talentierter Torhüter, das war ja alles da: Strafraumbeherrschung, Reaktionen auf der Linie, vor allem aber gehorchte ihm der Ball. Für einen Torhüter ist das kein unwichtiges Kriterium mehr.
Auch deshalb war Nübel einer, dem mancher Experte stets auch die ganz großen Aufgaben zutraute. Etwa den Job der Nummer eins bei den Bayern. Der Klub hatte Nübel im Jahr 2020 mit der Aussicht nach München gelockt, irgendwann Manuel Neuer zu beerben. Nur hatte Neuer kein Interesse daran, von irgendwem beerbt zu werden, auch nicht von Nübel.
So kam es, dass Nübel die Bayern verließ. Er ließ sich für zwei Jahre nach Monaco ausleihen. In München übernahm in diesen Tagen im Sommer 2021 ein neuer Trainer, sein Name: Julian Nagelsmann. Zusammen haben beide erst Jahre später gearbeitet, da war Nagelsmann schon Bundestrainer und Nübel ein Torhüter, der auf einen Platz im EM-Kader hoffte.
Nagelsmann sagte: Nübel hat eine Zukunft beim DFB
Am Ende kam alles anders: Es verletzte sich der Offensivspieler Leroy Sané, und Nagelsmann, der eigentlich angekündigt hatte, vier Torhüter zu nominieren, nominierte stattdessen einen zusätzlichen Feldspieler. Der Leidtragende war Nübel. Das Turnier fand ohne ihn statt.
Auch über diese Entscheidung hat Nagelsmann damals manchmal gesprochen. Er habe Nübel versichert, dass dieser in der Nationalelf eine Zukunft habe, “solange ich im Amt bin”. Insofern war es für den damals noch Aussortierten womöglich tröstlich, dass der Bundestrainer kurz zuvor seinen Vertrag um zwei weitere Jahre bis 2026 verlängert hatte.