HomeNachrichtEine Million Deutsche nehmen sie – die Wahrheit über Blutverdünner

Eine Million Deutsche nehmen sie – die Wahrheit über Blutverdünner

Wer Probleme mit Herz und Kreislauf hat, nimmt oft Gerinnungshemmer, auch Blutverdünner genannt – einer der Klassiker war lange ein Präparat namens Marcumar. Viele Patienten bekommen inzwischen modernere Mittel. Dabei stehen die Überlebenschancen mit diesen gar nicht besser, wie sich nun zeigt.

Etwa eine Million Menschen nehmen in Deutschland Blutverdünner. So nennen viele die Mittel umgangssprachlich. Das Blut wird nicht wirklich dünnflüssiger. Korrekt heißen die Medikamente Gerinnungshemmer. Denn sie führen dazu, dass das Blut nicht so schnell gerinnt. Das wiederum verhindert, dass sich Gerinnsel bilden und Blutgefäße verstopfen. Durch die Präparate sinkt das Risiko für Thrombosen, Herzinfarkte, Schlaganfälle und Embolien. Darum nehmen etwa Herz-Kreislauf-Erkrankte vorbeugend Gerinnungshemmer (Antikoagulanzien).

ANZEIGE

Hierfür gibt es zwei große Medikamentengruppen:

  • Vitamin-K-Antagonisten (VKA) wie Phenprocoumon, unter den Handelsnamen Marcumar oder Falithrom bekannt, und
  • die neuartigen oralen Antikoagulanzien (NOAKs), auch bekannt als direkte orale Antikoagulanzien (DOAK), wie Apixaban (Eliquis), Edoxaban (Lixiana), Rivaroxaban (Xarelto) und Dabigatran (Pradaxa).

Moderne Gerinnungshemmer kein Goldstandard mehr?

Seit Jahren werden die NOAKs immer beliebter. Einer Statista-Analyse zufolge haben sie den Markt in Deutschland transformiert. Der Umsatz im Gerinnungshemmer-Markt werde im Jahr 2025 voraussichtlich etwa 1,21 Milliarden Euro betragen.

ANZEIGE

  1. In einer großen Real-World-Analyse von Krankenkassen-Daten hingen die neuen Gerinnungshemmer (NOAKs) Apixaban, Edoxaban und Rivaroxaban mit schlechteren Überlebenschancen zusammen als der Vitamin-K-Antagonist Phenprocoumon (Handelsname Marcumar). Für Dabigatran (Pradaxa) galt der Zusammenhang nicht. Es wirkt im Gegensatz zu den anderen Wirkstoffen gezielt gegen den Gerinnungsfaktor Thrombin. Ihre Studie veröffentlichte die Arbeitsgruppe um Holger Reinecke, Direktor der Klinik für Kardiologie I am UKM (Universitätsklinikum Münster) im Fachmagazin „Journal of Internal Medicine“.
  2. Erwachsene mit Vorhofflimmern, die unter 65 Jahre alt sind und ein geringes Schlaganfall-Risiko haben, profitieren offenbar nicht von einer Gerinnungshemmung mit Rivaroxaban (Handelsname Xarelto). Das ergab die BRAIN-AF-Studie, die auf dem Kongress der „American Heart Association“ in Chicago vorgestellt wurde.

ANZEIGE

Ob Kaffee gesund ist, entscheidet nicht die Menge, sondern wann Sie ihn trinken

Montag, 13.01.2025 | 17:24

Woran Sie eine echte Grippe erkennen – und wie Sie wieder fit werden

Montag, 13.01.2025 | 15:21

So lange braucht Ihr Herz, um sich nach dem Rauchstopp zu erholen

Montag, 13.01.2025 | 15:14

Welche Bettseite bevorzugen Männer und was steckt dahinter?

Montag, 13.01.2025 | 15:02

Statt Joggen: Mein Wundermittel für die Minikrisen des Alltags ist ein anderes

Montag, 13.01.2025 | 15:00

Corona-„Wundermittel“ gegen Krebs? Mel Gibsons Aussagen sind brandgefährlich

Montag, 13.01.2025 | 14:16

Chronischer Juckreiz adé: Neurodermitis verstehen und behandeln

Montag, 13.01.2025 | 14:00

Weiße Zähne sind gesunde Zähne? 6 Zahn-Irrtümer im Faktencheck

Montag, 13.01.2025 | 11:50

Fünf Gewohnheiten im Fitnessstudio sollten Sie jetzt ändern

Montag, 13.01.2025 | 11:17

Was Sie bei Zitronenwasser morgens anders machen sollten

Montag, 13.01.2025 | 10:14

  • Vitamin-K-Antagonisten
    Dazu gehören Cumarine, etwa Phenprocoumon (Marcumar) und Warfarin (Coumadin). Sie verringern die im Blut verfügbare Menge an den Gerinnungsfaktoren II, VII, IX und X. Als Gegenspieler (Antagonist) verdrängen die Medikamente einen Teil des Vitamin K vom Wirkort in der Leber, die dann weniger Gerinnungsfaktoren herstellt.
  • Direkte/neue orale Antikoagulanzien (DOAK/NOAK)
    Im Vergleich zu Cumarinen oder Heparinen sind direkte orale Antikoagulanzien eine recht neue Gruppe von Arzneistoffen. Sie hemmen entweder den Gerinnungsfaktor Xa oder den Gerinnungsfaktor IIa.
  • Heparin
    Heparine wirken hemmend auf die Gerinnungskaskade. Sie werden als Infusion (intravenös) oder als Spritze unter die Haut (subkutan) verabreicht. Sie dienen beispielsweise zur Therapie des akuten Herzinfarkts oder zur Thromboseprophylaxe bei instabiler Angina pectoris.
  • Thrombozytenaggregationshemmer
    Thrombozytenaggregationshemmer verhindern, dass Blutplättchen (Thrombozyten) verklumpen und Blutgerinnsel entstehen.

Alle Blutverdünner bremsen die Gerinnungsfähigkeit des Blutes nicht vollständig aus. Doch es dauert mit ihnen länger, bis der Körper Blutungen stoppt und Wunden wieder verschließt. Blutungen zählen daher zu den wichtigsten Nebenwirkungen.

ANZEIGE

ANZEIGE

Das sind die gefährlichen Nebenwirkungen

Den Gerinnungshemmern gemeinsam ist, dass sie zu Blutungen führen können – in unterschiedlichen Organen wie im Magen-Darm-Trakt, im Zentralnervensystem, im Atemtrakt, in der Gebärmutter oder in den Augen.

„Netdoktor“ schreibt, wichtig sei bei der Blutgerinnungshemmung immer ein Mittelmaß zu finden: „Wird die Gerinnung zu stark gehemmt, kann der Patient durch kleinste innere Blutungen sterben. Wird sie zu wenig gehemmt, bilden sich zu schnell Blutgerinnsel, die wichtige Gefäße (etwa in Herz oder Gehirn) verstopfen können – mit möglicherweise tödlichen Folgen (Herzinfarkt, Schlaganfall).“

ANZEIGE

Es gilt wie immer abzuwägen – denn keine Wirkung ohne Nebenwirkung, ist ein Grundsatz in der Medizin. Dass Schlaganfällen und Herz-Kreislauf-Problemen vorgebeugt wird, überwiegt als Nutzen für viele Betroffene die Risiken.

NOAKs sehr beliebt: Was für moderne Gerinnungshemmer spricht

Mediziner verschreiben NOAKs gerne. Denn der entscheidende Vorteil ist: Sie sind weniger kontrollintensiv als Marcumar und für Patientinnen und Patienten einfach anzuwenden.

ANZEIGE

Phenprocoumon erfordert, am besten wöchentlich, eine Kontrolle der Blutgerinnung im Labor. Gleichzeitig sei es, erläutern die Experten des Universitätsklinikums Münster, für den Laien schwer einzuschätzen, wie andere Faktoren die Blutgerinnung beeinflussen. Beispielsweise kann sich der Verzehr von viel Vitamin K, etwa durch grünes Gemüse, gefährlich auswirken.

ANZEIGE

Was gegen neue Blutverdünner spricht

Es gibt gleich zwei wichtige Gründe, die gegen die modernen Präparate sprechen: Erstens ist der medizinische Nutzen der meisten, wie die Studie von Reinecke belegt, nicht größer als mit dem Klassiker.

ANZEIGE

Zweitens sind sie extreme Kostentreiber. Das Universitätsklinikum Münster schreibt: „Allein die beiden NOAK-Wirkstoffe Apixaban und Rivaroxaban belegten unter anderem im Jahr 2022 Platz zwei und drei der Medikamente, für die die höchsten Ausgaben getätigt wurden. In der Summe über zwei Milliarden Euro für beide zusammen.“ Professor Reinecke ergänzte: „Marcumar kostet dagegen pro Tablette nicht einmal 30 Cent.“

ANZEIGE

Was für Vitamin-K-Antagonisten wie Marcumar spricht

Für ihre Studien hatten der Kardiologe und sein Team die Patientendatensätze von 570.000 Barmer-Versicherten ausgewertet. Eine zentrale Erkenntnis: Herz-Kreislauf-Erkrankte, die wegen eines Schlaganfall- oder Thromboembolie-Risikos auf eine vorbeugende Blutverdünnung angewiesen sind, haben geringere Komplikationsraten mit dem Vitamin-K-Antagonisten Phenprocoumon. Der im Gerinnungshemmer Marcumar enthaltende Wirkstoff ist mit einer höheren Überlebenswahrscheinlichkeit verbunden als NOAKs.

ANZEIGE

Die Studienautoren schreiben in ihrem Fazit: „Diese Ergebnisse stehen im Einklang mit einigen anderen Studien“ und „werfen tiefe Zweifel an der unreflektierten, allgemeinen Verwendung von NOAKs auf“.

„Auch NOAKs sind wirksam“

Reinecke besänftigt jedoch: „Wir wollen den Betroffenen keine Sorge bereiten, denn NOAKs sind natürlich auch wirksam, wenn wir auch eine tendenziell bessere Überlebensdauer für Marcumar ermitteln konnten. Definitiv muss man aber die Frage nach dem therapeutischen Zusatznutzen dieser enorm teuren Medikamente stellen.“ In randomisierten Studien mit einer breit aufgestellten Altersgruppe sollte geprüft werden, ob Phenprocoumon den NOAK tatsächlich überlegen sein könnte.

Source link

LEAVE A REPLY

Please enter your comment!
Please enter your name here

RELATED ARTICLES

Most Popular

Recommended News