Jona „Just Johnny“ Schmitt ist seit Jahren einer der führenden deutschen Caster zu League of Legends. Er hat in einer Reihe von Tweets die Entscheidung von Riot Games kritisiert, sich für 3 Jahre an Saudi-Arabien zu binden. Ihre Spiele League of Legends, Teamfight Tactics und Valorant werden dort als Turniere im Rahmen des ESports World Cup stattfinden. 2020 löste so eine Entscheidung bei LoL noch einen Aufstand aus, heute bleibt es ruhig.
Das ist die Entscheidung von Riot Games: Früher sorgten solche Nachrichten für Unruhen in der Community. Dieses Jahr blieb es fast ohne Reaktion. Am 10. Februar gab Riot Games bekannt (via riotgames):
League of Legends, Teamfight Tactics und Valorant werden Teil des Esports World Cup sein. Man gibt dem Cup die nächsten 3 Jahre die Lizenz für die Spiele und wird auch für die Wettbewerbe werben.
Als Begründung gibt man an, dass man letztes Jahr gute Erfahrungen mit dem Wettbewerb gemacht und positive Rückmeldungen von Teams erhalten habe. Gerade das Preisgeld scheint Vereinen und Spielern zu schmecken.
Dass es vielleicht Ärger geben könnte, erkennt Riot in einem Nebensatz an:
Wir wissen, dass einige von Euch unsere Entscheidung, mit dem EWC auf diese Weise zusammenzuarbeiten, nicht gut finden, und wir respektieren das.
Haftungsausschluss: Webedia, die Muttergesellschaft von MeinMMO, ist ebenfalls geschäftlich in Saudi-Arabien aktiv und unterhält dort unter anderem das Portal saudigamer.com.
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E-Sport WM unter der Schirmherrschaft von Prinz Mohammed bin Salman
Was ist der EWC für ein Event? Der Esports World Cup (EWC) ist ein Event in Saudi-Arabien. Es findet in Riyadh statt. 2024 wurden 23 Events in 22 Spielen ausgetragen. Es ging um Preisgelder in der Höhe von 62,5 Millionen $.
Der Kronprinz von Saudi-Arabien, seine Königliche Hoheit Mohammed bin Salman, führte am 25. August die Siegeszeremonie durch (via saudi-press-agency).
Mohammed bin Salman, bekannt als MBS, gilt als starker Mann in Saudi-Arabien, wird aber in Bezug auf Menschenrechte kritisch gesehen. Die CIA geht davon aus, dass Bin Salman die Ermordung seines Kritikers, Jamal Khashoggi, angeordnet hat (via washingtonpost).
Wer sich näher über ihn informieren möchte, dem empfehlen wir diesen Artikel auf tagesschau.de:
Modernisierer und Despot
Es bricht mir mein fucking Herz
Was sagt Just Johnny? Der deutsche Caster Just Johnny sagt in einer Reihe von Tweets am 14. Februar:
Ich weiß es ist Valentinstag, aber ich liebe den Esport und es bricht mir mein fucking Herz, dass dieser komplett an Saudi-Arabien verkauft wird. Ein Drittel meines Lebens habe ich im Esport gearbeitet und jeden Tag fällt ein weiterer Dominostein in die falsche Richtung.
Er führt aus, dass früher im E-Sport fahrlässig mit Geld umgegangen wurde und jetzt hätten alle schon den Kampf aufgegeben. E-Sport habe Potenzial, verbindend zu wirken, man müsse sich immer wieder dagegen aussprechen, wenn sich der E-Sport in die falsche Richtung verändert.
Was ist das Problem? Der ESports-World Cup findet in Riyadh, Saudi-Arabien, statt. Er ist damit ein Politikum, ähnlich wie die Fußball-WM 2022 in Katar. Die Wertevorstellungen in Saudi-Arabien, wie dort etwa mit Frauen oder Homosexuellen umgegangen wird, lassen sich nicht mit den Wertevorstellungen verbinden, die westliche E-Sport-Teams oder Riot Games sonst pflegen und propagieren.
Saudi-Arabien hat ein großes Interesse daran, sich als E-Sport-Zentrum zu etablieren, um damit den Tourismus anzukurbeln und das Image des Landes aufzuwerten. Man spricht von Sportswashing, vom Versuch eines Regimes, sich über Sport oder E-Sport-Events ein besseres Image zu verschaffen.
Es ist daher für Profi-Sportler und Teams eine schwierige Frage, ob sie an den Events teilnehmen. Letztlich läuft es auf eine Entscheidung hinaus:
- Nehme ich das Geld und Prestige solcher Turniere mit und unterstütze ein System, das ich in seinen Werten eigentlich nicht unterstützen will
- Bleibe ich den Events fern und stelle mich dagegen. Bleibe ich mir selbst treu, obwohl ich nichts davon habe
2020 gab es noch so laute Proteste, dass eine Zusammenarbeit mit Saudi-Arabien abgesagt wurde
Warum ist das in dem Fall besonders tragisch? 2020 wollte die europäische Liga in LoL, die LEC, mit einem großen Projekt in Saudi-Arabien zusammenarbeiten. Doch damals protestierten die eigenen Mitarbeiter, vor allem die Caster, so laut dagegen, dass Riot Games die Kooperation in nur 14 Stunden absagte.
2024 fand dann ein LoL-Event in Saudi-Arabien statt, mit den Top-Stars von League of Legends und um ein hohes Preisgeld, aber das hat kaum wen interessiert, weil es nicht groß beworben wurde.
2025 wird Riot Games jetzt wohl endgültig einsteigen und mit Saudi-Arabien langfristig kooperieren. Der Widerstand ist gefallen.
Erst kommt das Fressen, dann die Moral
Das steckt dahinter: JustJohnny hat mit seiner traurigen Analyse recht. Dem E-Sport geht es mittlerweile so schlecht, dass sich Riot Games und die Teams „bewusst“ auf diesen Deal einlassen, den sie in besseren Zeiten vielleicht aus moralischen Erwägungen abgelehnt hätten. So wie sie auch ihre Regeln gegenüber Glücksspiel zurückgefahren haben.
Es gilt hier der Satz „Erst kommt das Fressen, dann die Moral.“
Das liegt auch daran, dass die E-Sport-Blase geplatzt ist und dass das dicke Werbe-Geld in LoL nicht bei den E-Sport-Teams landet, sondern bei den Content-Creators.
Dass keine Proteste mehr gegen solche Entscheidungen kommen, resultiert daraus, dass Riot Games systematisch die firmeninternen Caster, die 2020 noch protestiert hatten, abgewertet hat, indem sie auf externe Caster, also Twitch-Streamer, setzen.
Letztlich hat es Riot Games geschafft, es leise zu normalisieren, dass man mit Saudi-Arabien zusammenarbeiten wird. Was vor 5 Jahren noch einen Riesen-Aufschrei auslöste, ist mittlerweile normal. Das bricht JustJohnny sein „fucking Herz“, aber es ist kaum ein Thema in der Community – wahrscheinlich auch, weil weltweit grade so viel in Aufruhr ist, dass für solche Dauer-Konflikte kaum noch Kraft da ist.
Dass Saudi-Arabien bereit ist, ein Stück weit einzulenken und auf westliche Werte einzugehen, sahen wir in einer News aus dem Juli 2024: LoL: Bei einem E-Sports-Turnier in Saudi-Arabien um ein märchenhaftes Preisgeld darf ein Team nun Pride-Trikots tragen