Die Freien Wählern im rheinland-pfälzischen Landtag stehen vor dem Verlust des Fraktionsstatus. Nach dem Austritt von Herbert Drumm wird mit Bernhard Alscher ein weiterer Abgeordneter die Fraktion verlassen.
Den Austritt Drumms hatte Landtagspräsident Hendrik Hering vor Beginn der Haushaltsdebatte am Montag bekanntgegeben. Die Entscheidung habe ihm Drumm schriftlich erklärt.
Drumm hatte dies schon am Wochenende auf dem Landesparteitag der Freien Wähler in Kordel bei Trier in Erwägung gezogen, wie er dem SWR mitteilte.
Nun teilten die Freien Wähler mit, dass auch Bernhard Alscher seinen Austritt aus der Fraktion für den 6. Oktober erklärt hat. Die Fraktion kritisierte in ihrer Mitteilung das Verhalten Alschers als Vertragsbruch. Der Fraktionsvorsitzende Helge Schwab forderte ihn auf, sein Abgeordneten-Mandat niederzulegen. Alscher hatte angekündigt, sein Mandat behalten zu wollen.
Die Freien Wähler im Landtag haben dann nur noch vier Mitglieder und werden deshalb den Fraktionsstatus verlieren. Damit bekommen sie ab kommenden Montag kein Geld mehr für die Fraktionsarbeit, werden in der Folge ihre zehn Mitarbeiter verlieren und ihre parlamentarischen Rechte werden stark eingeschränkt. Laut Landtagsverwaltung müssen sie monatlich auf mehr als 86.000 Euro verzichten. Dass eine Fraktion ihren Fraktionsstatus verliert, hat es laut Landtagsverwaltung erst ein einziges Mal gegeben, und zwar 1949.
Fraktionsstatus im RLP-Landtag
Eine Fraktion im rheinland-pfälzischen Landtag umfasst mindestens fünf Abgeordnete. Das regelt die Landesverfassung. Erreicht eine Fraktion diese Mindeststärke nicht mehr – etwa weil Abgeordnete ausgetreten sind, entfällt dieser Status. Die bisherigen Fraktionsmitglieder gelten dann als fraktionslose Abgeordnete. Sie haben weiterhin ein Rede- und Stimmrecht im Landtag. Allerdings entfallen für die Abgeordneten als Gruppe bestimmte Rechte, die nur Fraktionen vorbehalten sind:
- Das Recht, Gesetze einzubringen. Das können nur eine Fraktion oder mindestens acht Abgeordnete des Landtags in einem gemeinsamen Antrag.
- Fraktionslose Abgeordnete dürfen in Ausschüssen mitarbeiten, haben dort aber kein Stimmrecht. Fraktionslose Abgeordnete können Berichtsanträge stellen. Sie haben auch das Recht, von der Landesregierung zu den Beratungsgegenständen des Ausschusses Auskunft zu verlangen.
- Die Zahlung monatlicher Geld- und Sachleistungen aus der Fraktionsfinanzierung entfallen. Mitarbeitenden muss gekündigt werden. Die Geldzahlungen setzen sich zusammen aus rund 70.000 Euro Grundzahlung für jede Fraktion, etwa 2.200 Euro für jeden Abgeordneten und 514 Euro je Mitglied für die Oppositionsfraktionen.
- Der Verlust des Fraktionsstatus in einer laufenden Wahlperiode kam bislang nur in einem Fall in der 1. Wahlperiode vor. Der Abgeordnete Herbert Müller wechselte am 5. Oktober 1949 von der KPD zur SPD. Damit waren nur noch sieben Abgeordnete der KPD im Landtag vertreten. Die Mindestanzahl für eine Fraktion betrug damals acht Abgeordnete.
Hintergrund der Rücktritte sind offenbar Querelen um den Landesvorsitzenden der Freien Wähler, Stephan Wefelscheid. Dieser steht wegen seines Führungsstils in der Kritik, der als autoritär beschrieben wird. Schon bei der Wahl zum Chef der Landtagsfraktion im Sommer war er gescheitert.
Wefelscheid auf Parteitag von Delegierten abgestraft
Auf dem Parteitag hatte Wefelscheid einen Denkzettel der Delegierten bekommen. Diese verweigerten ihm die Wahl zum Tagungspräsidenten und votierten für einen überraschend aufgestellten Gegenkandidaten. Der Tagungspräsident hat beim Parteitag eine machtvolle Position. Er kann unter anderem Redner, die abschweifen, zur Ordnung rufen oder auch Rednern das Wort entziehen.
Alscher rückte für Europaparlamentarier Streit in die Fraktion nach
Drumm kam im Jahr 2021 als Abgeordneter in den rheinland-pfälzischen Landtag. Vor seinem politischen Engagement für die Freien Wähler war Drumm Mitglied der CDU. Alscher wiederum war erst im Juli als Nachfolger des mittlerweile ins Europaparlament gewechselten Joachim Streit in die Fraktion gerückt und kehrt ihr nun nach kurzer Zeit den Rücken.
Drumm mit heftiger Kritik an Streit und Lob für Wefelscheid
Drumm erklärte in einer Mitteilung, die Fraktion der Freien Wähler habe lange Zeit gute Arbeit geleistet, “insbesondere in ihrer Oppositionsrolle und ganz besonders durch Herrn Wefelscheid”. Das habe sich mit dem Weggang Streits nach Brüssel grundlegend geändert. Streit habe seine Entscheidung, vollständig aus dem Landtag auszuscheiden, erst im letzten Moment getroffen. Die Neuwahl des Fraktionsvorstandes hätte seinerzeit verschoben werden müssen, damit der für Streit nachrückende Alscher hätte mitentscheiden können. So aber habe die alte Fraktion den neuen Vorstand gewählt und Streits Stimme den Ausschlag bei der Vorstandswahl gegeben, teilte Drumm mit.
“Ich halte Dr. Streits Vorgehensweise für äußerst bedenklich, sie ist die Hauptursache für die jetzige katastrophale Situation”, erklärte Drumm weiter. In der aktuellen Konstellation könne die Fraktion die von ihr zu erwartenden Aufgaben nicht erfüllen, “nämlich sachorientiert und ohne ausufernde persönliche Befindlichkeiten dem Land und seinen Bürgerinnen und Bürgern zu dienen”.