Wer einen Herzinfarkt erlitten hat oder an bestimmten Herzerkrankungen leidet, wird häufig mit einem Betablocker behandelt. Betablocker, genauer gesagt Betarezeptorenblocker, sind Arzneistoffe, die den Blutdruck senken und den Herzschlag verlangsamen. Sie binden sich an die Beta-Adrenozeptoren und hemmen die Wirkung der Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin am Herzen. Die Schlagfolge des Herzens nimmt ab, und es wird dadurch entlastet.
Eingesetzt werden Betablocker daher unter anderem bei:
- Bluthochdruck
- koronarer Herzkrankheit
- Herzinsuffizienz
- Herzrhythmusstörungen
Studie aus Schweden mit 806 Herzinfarkt-Patienten
Betablocker gelten als gut verträglich. Sie können aber auch jenseits des Herzens Wirkung zeigen, da die Rezeptoren, an die sie sich binden, auch an anderen Organen vorkommen. Dies kann bei manchen Menschen zu Angstgefühlen und depressiven Verstimmungen führen. Das ist schon länger bekannt und wurde auch bereits in einigen Studien gezeigt.
Auch eine neue Studie aus Schweden bestätigt diese Wirkung auf die Psyche. Sie ist im „ European Heart Journal “ erschienen.
Sie basiert wiederum auf Daten einer Studie zu Herzinfarktpatienten und Betablockern, die Anfang des Jahres erschienen ist. Sie zeigte bei Patienten mit kleinem Infarkt keinen Vorteil einer Betablocker-Behandlung hinsichtlich Gesamtmortalität und wiederkehrendem Herzinfarkt.
Anhand dieser Daten führten Forscher der Universität Uppsala eine Art Unterstudie mit 806 Herzinfarkt-Patienten durch, um die Auswirkungen von Betablockern auf Symptome von Angst und Depression zu untersuchen. Eine Hälfte der Patienten nahm Betablocker, die andere Hälfte nicht. Etwa 100 Patienten hatten Betablocker bereits vor der Studie eingenommen und litten an schweren Depressionen.
„Wir konnten beobachten, dass einige dieser Patienten einem höheren Risiko für Depressionen ausgesetzt zu sein scheinen. Wenn das Medikament bei ihrem Herzen keine Wirkung zeigt, nehmen sie es unnötigerweise ein und laufen Gefahr, depressiv zu werden“, warnt Erstautor der Studie, Philip Leissner, in einer Pressemitteilung. Eine Verstärkung von Angstsymptomen wurde dagegen nicht beobachtet.
Gerade wenn es nicht nötig ist, sollten Ärzte davon absehen, Betablocker zu verschreiben. „Früher gaben die meisten Ärzte Betablocker sogar Patienten ohne Herzinsuffizienz, aber da die Belege dafür nicht mehr so stark sind, sollte man das überdenken.“
Herzspezialist Heribert Schunkert: „Es gibt auch Menschen, die Betablocker sehr gut vertragen“
Dass Betablocker sich auf die Psyche auswirken könnten, bestätigt auch Heribert Schunkert, Direktor der Klinik für Herz- und Kreislauferkrankungen am Deutschen Herzzentrum München und Vize-Präsident der Deutschen Herzstiftung: „Es ist seit vielen Jahren bekannt, dass es Menschen gibt, die mit einer depressiven Verstimmung auf die Einnahme von Betablockern reagieren.“ Dennoch sei dies ein eher seltenes Phänomen.
„Es gibt viele Menschen, die Betablocker sehr gut vertragen“, erläutert er. Anders als in der schwedischen Studie hätte erst kürzlich eine andere wissenschaftliche Arbeit mit Tausenden Herzinfarktpatienten gezeigt, dass zum einen die langfristige Betablocker-Einnahme nach Herzinfarkt tendenziell von Vorteil war und auch die Lebensqualität gegenüber Patienten, die keinen Betablocker einnahmen, nicht beeinträchtigt war.
Übergewicht durch Betablocker ein viel größeres Problem
Ein viel größeres beziehungsweise gravierenderes Problem sieht Schunkert dagegen in einer anderen Nebenwirkung: „Ich persönlich halte es für viel problematischer, dass viele Patienten mit einer Gewichtszunahme auf die Einnahme von Betablocker reagieren.“
Übergewicht stelle in unserer Gesellschaft ein großes Problem dar und sei wiederum ein Risikofaktor etwa für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes.
„Ich beobachte viel häufiger, dass Patienten aufgrund der Einnahme von Betablockern vier bis sechs Kilogramm zunehmen, als dass sie eine depressive Verstimmung entwickeln“, erläutert Schunkert. Der Grund für die Gewichtszunahme sei, dass Betablocker den Stoffwechsel verändern beziehungsweise verlangsamen und sich auch ungünstig auf die Blutfette auswirken. Längerfristig erhöhe sich dadurch auch das Risiko für Diabetes.
Betablocker zur Behandlung von Bluthochdruck nicht erste Wahl
Deshalb seien auch zur Behandlung von Bluthochdruck Betablocker nicht die erste Wahl. „Laut europäischer Leitlinie stehen Betablocker zur Behandlung von Bluthochdruck erst an vierter Stelle“, erklärt Schunkert. Die ersten drei Arzneimittelgruppen der Wahl, die sich auch kombinieren lassen, seien demnach:
- ACE-Hemmer (Angiotensin-Converting-Enzym) : Sie verringern die Aktivität des Renin-Angiotensin Systems und wirken so gefäßerweiternd und blutdrucksenkend.
- Diuretika: Entwässernde Medikamente, die das Flüssigkeitsvolumen im Körper verringern und so auch den Blutdruck senken.
- Calciumkanalblocker: Blockieren Calziumkanäle, damit sich die Gefäße nicht zusammenziehen und der Blutdruck nicht ansteigt.
Betablocker gelten bezüglich der Blutdrucktherapie also eher als Reserve-Medikament.
Betablocker nur bei zwei Herzerkrankungen unverzichtbar
Betablocker sollten demnach nur bei bestimmten Herzerkrankungen eingesetzt werden. Diese sind laut Schunkert
- Herzmuskelschwäche (Herzinsuffizienz)
- Herzinfarkt
Bei diesen Erkrankungen seien Betablocker „unverzichtbar“ – auch gemäß Leitlinie. Wenn jemand mit diesen Erkrankungen aber eine schwere Depression aufgrund von Betablockern entwickelt, müsse man sie absetzen. „Es soll ja den Patienten gut gehen“, betont Schunkert. Weiterhin können Betablocker auch bei zu schnellem Puls, beispielsweise Vorhofflimmern, nötig sein.
Die besten Tipps: Wie Sie einem hohen Blutdruck vorbeugen
Um Bluthochdruck zu verhindern, kann jeder selbst einiges tun.Damit senkt er auch das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Experten der Deutschen Herzstiftung empfehlen daher folgende Maßnahmen:
- Ausdauersport wie Radfahren, Walken, Joggen oder Schwimmen – mindestens dreimal die Woche 30 bis 45 Minuten
- leichtes Kraft- und Kraftausdauertraining
- isometrisches Krafttraining mit Halteübungen: zum Beispiel 4 x 2 Minuten Wandsitzen
- Gymnastik
- Sportspiele mit geringer Belastung wie Tischtennis oder Golf
- eine gesunde Ernährung sowie der Abbau von Übergewicht