Eine neue Art der Krebs-Behandlung soll Glioblastomen den Garaus machen. Das geht aus einer aktuellen Studie der Universität Zurück hervor. Das entdecktee Medikament ist bereits als Antidepressivum im Einsatz.
Forschende haben herausgefunden, dass das Antidepressivum Vortioxetin möglicherweise das Wachstum von Glioblastomen, einer tödlichen Art von Gehirntumor, unterdrücken kann. Das Medikament konnte das Tumorwachstum sowohl in menschlichen Gewebeproben als auch bei Mäusen reduzieren. Diese Entdeckung eröffnet die Möglichkeit einer neuen Krebs-Behandlung für Glioblastome, für die es bisher nur begrenzte Therapiemöglichkeiten gibt.
Neuartige Form der Krebs-Behandlung
Glioblastome sind sehr aggressiv und in der Regel tödlich. Traditionelle Behandlungen wie Operationen, Chemotherapie und Strahlentherapie schaffen es oft nicht, die Ausbreitung des Tumors zu stoppen. Rund 95 Prozent der Betroffenen, die mit diesem Tumor diagnostiziert werden, sterben innerhalb von fünf Jahren. Ärztinnen und Ärzte sind daher auf der Suche nach zusätzlichen Behandlungsmöglichkeiten, die das Fortschreiten der Krankheit verlangsamen und die Überlebenschancen der Betroffenen verbessern könnten.
Ein Forschungsteam unter der Leitung der Molekularbiologin Sohyon Lee von der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich testete 132 Medikamente an menschlichen Glioblastom-Gewebeproben. Zu den getesteten Medikamenten gehörten Antidepressiva, Antipsychotika und Medikamente gegen Parkinson. Vortioxetin erwies sich als besonders wirksam, da es das Zellwachstum durch das Auslösen von Zell-Signalwegen stoppte, die das Tumorwachstum hemmen. Es tat damit genau das, was man sich von einer effektiven Krebs-Behandlung erhofft.
Das Team transplantierte außerdem Glioblastom-Tumore in Mäuse, um die Wirksamkeit von Vortioxetin in einem lebenden Organismus zu testen. Nach 38 Tagen zeigte sich, dass die mit Vortioxetin behandelten Mäuse weniger Tumorwachstum hatten als unbehandelte Mäuse oder solche, die mit einem anderen Antidepressivum, Citalopram, behandelt wurden. Magnetresonanztomographie (MRT)-Scans bestätigten, dass Vortioxetin die Tumorgröße und Invasivität deutlich reduzierte.
„Sicher und sehr kostengünstig“
„Das Glioblastom ist ein noch immer unheilbarer und tödlicher Hirntumor“, betonte die ETH in einer entsprechenden Pressemitteilung. Dennoch habe die neuartige Krebs-Behandlung auch in einem weiteren Experiment deutliche Effekte gezeigt. Dabei wiesen mit Vortioxetin behandelte Mäuse weit höhere Überlebensraten auf als jene, die lediglich Chemotherapie erhielten.
Die Überlebensraten der Vortioxetin-Gruppe lagen dabei um 20 bis 30 Prozent höher als in der Kontrollgruppe, sowohl kurzfristig als auch langfristig. Das deutet darauf hin, dass das Medikament nicht nur das Tumorwachstum verlangsamen, sondern auch die Lebenserwartung verlängern könnte.
„Der Vorteil von Vortioxetin ist, dass es sicher und sehr kostengünstig ist“, betonte Michael Weller, Professor am Universitätsspital Zürich und Direktor der Klinik für Neurologie und Mitautor der in Nature Medicine veröffentlichten Studie. „Da das Medikament bereits zugelassen ist, muss es kein aufwendiges Zulassungsverfahren durchlaufen und könnte bald die Standardtherapie bei diesem tödlichen Hirntumor ergänzen.“
„Selbstmedikation wäre ein unkalkulierbares Risiko“
Obwohl Vortioxetin vielversprechend ist, warnen die Forschenden, dass klinische Studien nötig seien, bevor das Medikament bei Menschen angewendet werden könne. „Wir wissen noch nicht, ob das Medikament bei Menschen wirkt und welche Dosis erforderlich ist, um den Tumor zu bekämpfen“, so Weller weiter. „Deshalb sind klinische Studien notwendig. Eine Selbstmedikation wäre ein unkalkulierbares Risiko.“
Da Vortioxetin bereits von der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde (Food and Drug Administration, FDA) zugelassen ist, könnte die Einführung als Teil der Krebs-Behandlung für Glioblastome beschleunigt werden, falls die klinischen Studien erfolgreich sind. Das Medikament bietet eine sichere und kostengünstige Option, die die bestehenden Therapien ergänzen könnte und Hoffnung für die etwa 250.000 Menschen gibt, die jährlich mit diesem verheerenden Gehirntumor diagnostiziert werden.
Von Philipp Rall