Wissen Sie, wie schnell Ihr Wlan zuhause ist? Rund 92 Mbit/s schafft ein Anschluss im Schnitt. So viele Informationen können Sie also innerhalb einer Sekunde aus dem Internet herunterladen. Vermeintlich viel schneller: das menschliche Gehirn. Oder etwa nicht? Mit mehr als 100 Milliarden Nervenzellen ist es immerhin nicht nur unser leistungsfähigstes Organ. Es ist überhaupt das „komplizierteste Organ, das die Natur je hervorgebracht hat“, wie das Max-Planck-Institut schreibt.
Möglicherweise überschätzen wir die Kapazitäten unseres Gehirns allerdings dramatisch. Wie Forschende des California Institute of Technology jetzt herausgefunden haben, denken wir im Schnitt lediglich mit einer Geschwindigkeit von zehn Bits pro Sekunde – und sind einer durchschnittlichen Wlan-Verbindung damit haushoch unterlegen.
„Es ist eine extrem niedrige Zahl“
Zum Vergleich: 92 Mbit/s entsprechen 92 Millionen Bits pro Sekunde. Ein deutsches Durchschnitts-Wlan ist also knapp 10-Millionen-mal schneller als das menschliche Denken. „Es ist eine extrem niedrige Zahl“, kommentiert Studienautor Markus Meister die Untersuchung, für die er mit seiner Kollegin Jieyu Zheng eine Vielzahl bereits bestehender Forschungsergebnisse analysiert hat. Erschienen ist sie gerade im Fachmagazin „Neuron“.
Zusätzlich spannend: Unsere Sinneszellen und unser Nervensystem, die die Reize aus der Umgebung aufnehmen, ehe sie unser Gehirn verarbeiten kann, prozessieren Informationen mit einer Billiarde Bit pro Sekunde sogar noch deutlich schneller als jedes Wlan. Das stelle die Forschenden vor die paradoxe Frage, was das Gehirn mache, um die gigantisch großen Mengen an Informationen zu filtern und auf das Wesentliche zu reduzieren, auf Basis dessen es jeden Tag immer noch schätzungsweise 20.000 bis 30.000 Entscheidungen trifft? Und warum verarbeitet unser Gehirn eigentlich nur einen Gedanken zur Zeit, wenn das Nervensystem doch offensichtlich in der Lage ist, ein Vielfaches dieser Informationen gleichzeitig in unseren Organismus einzuschleusen?
Konzentration auf das Wesentliche statt Multi-Tasking
Multi-Tasking jedenfalls ist demnach ein Mythos. Das haben in der Vergangenheit aber auch andere Studien bereits gezeigt. So könnten sich Schach-Spielende etwa immer nur eine bestimmte Reihe an Zügen nacheinander vorstellen, nicht aber verschiedene parallel, erklären die Wissenschaftler.
Ihre Studie lege nahe, dass das mit der Evolution unseres Gehirns zu tun haben könnte. Die Vermutung: Frühesten Lebewesen mit Nervensystem – unseren frühesten Vorfahren also – diente das Gehirn primär zur Navigation zwischen Nahrungsmittelquellen und Raubtieren. „Wenn unser Gehirn auf diesen simplen Systemen zur Verfolgung von Pfaden aufbaut“, heißt es in einer Pressemitteilung der Universität, „würde es Sinn machen, dass wir nur einem Pfad von Gedanken gleichzeitig folgen können“. Um die Zusammenhänge besser zu verstehen, sei jedoch weitere Forschung notwendig, betonen die Forschenden.
Ohnehin hätten unsere Ahnen die zehn Bits pro Sekunde wohl nur in „Worst-Case-Situtionen“ überhaupt benötigt, schreiben die Wissenschaftler weiter. „Unsere Vorfahren haben sich eine ökologische Nische ausgesucht, in der die Welt langsam genug war, um ihr Überleben möglich zu machen.“ Die meiste Zeit ändere sich die Umgebung in deutlich gemächlicherer Geschwindigkeit – jedenfalls bislang.
Selbst Computer erhöhen wohl nicht Denkgeschwindigkeit
Heute leben wir in einer Welt, die sich durch technologische Fortschritte immer schneller verändert. Auch dafür könnte die Studie aus Kalifornien interessante Erkenntnisse bedeuten. Denn: Laut den Autoren zeige sie, dass sich unsere Denkgeschwindigkeit auch dann nicht verändern würde, wenn wir unser Gehirn beispielsweise mit einem Computer verbinden würden. Selbst dann könnten wir Informationen nicht schneller verarbeiten als in einem normalen Gespräch oder schneller als die Geschwindigkeit, in der wir auf einer Tastatur tippen können, resümieren die Forschenden.