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Gender Pay Gap in Germersheim am größten

In Rheinland-Pfalz ist die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen größer als in den meisten anderen Bundesländern. Eine Datenanalyse zeigt die Ursachen – und in welchen Regionen Frauen besonders schlecht abschneiden.

Frauen verdienen in Deutschland immer noch deutlich weniger Geld als Männer. Laut einer Auswertung des Statistischen Bundesamts lag ihr durchschnittlicher Bruttolohn im vergangenen Jahr bei 22,24 Euro pro Stunde, bei Männern waren es 26,34 Euro – ein Unterschied von 16 Prozent. So groß ist der Gender Pay Gap in Deutschland.

Eine kürzlich erschienene Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat die Lohnlücke für alle 400 deutschen Landkreise und kreisfreien Städte berechnet. Das SWR Data Lab hat ausgewertet, in welchen Regionen Frauen im Verhältnis zu Männern besonders schlecht abschneiden.

In nur drei von 400 Kreisen verdienen Frauen mehr

Im Landkreis Germersheim beträgt der Gehaltsunterschied zwischen Männern und Frauen demnach 28,9 Prozent. Das bedeutet: Frauen verdienen hier im Jahr rund 14.000 Euro weniger als Männer. Die Zahlen beziehen sich auf die Bruttogehälter von sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigten. Auch im Eifelkreis Bitburg-Prüm (27,3 Prozent) und in Zweibrücken (26,7 Prozent) ist der Gender Pay Gap überdurchschnittlich hoch. In Mainz-Bingen ist er unter allen rheinland-pfälzischen Kreisen am geringsten: Hier verdienen Frauen etwa ein Achtel weniger als Männer. Das entspricht einem Unterschied beim Bruttojahresgehalt von rund 6.500 Euro.

Deutschlandweit gibt es nur drei Kreise, in denen die Frauen vorne liegen: Stendal (Sachsen-Anhalt), Frankfurt an der Oder (Brandenburg) und Dessau-Roßlau (Sachsen-Anhalt), wo Frauen 1,2 Prozent mehr verdienen als Männer – bundesweiter Spitzenwert.

Über die Daten

Das IAB ist die Forschungseinrichtung der Bundesagentur für Arbeit und ermittelt den Gender Pay Gap auf Basis von Daten zu allen sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigten zum Stichtag 30. Juni 2023. Beamte und Selbstständige werden dabei nicht mitgezählt. Auch Teilzeitkräfte bleiben unberücksichtigt, da der Arbeitsagentur keine Angaben zu ihrem Arbeitsumfang vorliegen.

Das durchschnittliche Tagesentgelt ergibt sich aus dem Gesamtbruttolohn inklusive aller Zuschläge, geteilt durch die Beschäftigungsdauer in Kalendertagen. Bei einer durchgängigen Beschäftigung und einem Bruttojahresgehalt von 36.500 Euro beträgt das Tagesentgelt also 100 Euro. Einkommen oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze werden vom IAB mit statistischen Methoden geschätzt.

Die Lohnlücke ermittelt das IAB auf Basis der logarithmierten Löhne. Deshalb kann der unbereinigte Gender Pay Gap vom prozentualen Unterschied der Tagesentgelte von Männern und Frauen abweichen. Zusätzlich berechnet das IAB den bereinigten Gender Pay Gap: Er bezeichnet die verbleibende Lohnlücke, nachdem Faktoren wie Beruf, Qualifikation oder Berufserfahrung herausgerechnet wurden.

Am Vergleich zwischen Dessau-Roßlau und dem Landkreis Germersheim lässt sich viel darüber ablesen, warum die Lohnlücke regional so stark variiert. In Dessau-Roßlau sind der IAB-Studie zufolge viele Frauen im Gesundheitswesen und in der öffentlichen Verwaltung tätig. Männer arbeiten häufig als Fahrzeugführer oder in der Lagerwirtschaft. Fast jede vierte vollzeitbeschäftigte Frau hat einen akademischen Abschluss, unter den Männern ist es nur rund jeder sechste.

Im Landkreis Germersheim tummeln sich hingegen die Maschinenbauer und Logistiker: Mercedes-Benz unterhält in Wörth eines der weltweit größten Lkw-Werke, hinzu kommt ein großes Fahrzeugteilelager in Germersheim. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) arbeiten im Landkreis rund 11.000 Beschäftigte im Maschinenbau oder der Lagerwirtschaft. Fast 90 Prozent davon sind Männer. Frauen sind hingegen häufig in Bürojobs oder in der Kindererziehung tätig, wo die Gehälter deutlich niedriger ausfallen.

Berufswahl und Kinderbetreuung als Hauptgründe für die Lohnlücke

„Die Berufswahl ist einer der Gründe für die großen Gehaltsunterschiede zwischen den Geschlechtern“, sagt Gabriele Wydra-Somaggio, wissenschaftliche Mitarbeiterin am IAB und Mitautorin der Studie. Frauen würden sich häufig für soziale und Gesundheitsberufe entscheiden, Männer für technische und produktionsbezogene Berufe. „Wenn eine Region stark industriell geprägt ist, dann wirkt sich das auf die Lohnlücke aus.“

Neben den wirtschaftlichen Strukturen beeinflussen auch historische Faktoren den Gender Pay Gap. In der DDR galt lange Zeit das Doppelversorgermodell: Beide Elternteile waren erwerbstätig, die Kinder kamen in Kitas oder Ganztagsschulen unter. Noch heute besucht in Ostdeutschland mehr als jedes zweite Kind unter drei Jahren eine Kita, im Westdeutschland ist es nach Angaben des Statistischen Bundesamts nur rund jedes dritte.

Rheinland-Pfalz beim Gender Pay Gap im schlechtesten Drittel

Wenn Mütter die Kinderbetreuung übernehmen, müssen sie im Beruf oft kürzertreten, was sich nachteilig auf die Karriere und das Gehalt auswirken kann. Im Landkreis Germersheim arbeitet nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit mehr als die Hälfte der weiblichen Beschäftigten in Teilzeit, bei den Männern ist es weniger als jeder zehnte. Insgesamt sind rund 8.000 Frauen im Landkreis sozialversicherungspflichtig vollzeitbeschäftigt, bei den Männern sind es mehr als 26.000.

Auch in ganz Rheinland-Pfalz ist die Lohnlücke vergleichsweise groß: Der IAB-Studie zufolge beträgt sie 19,4 Prozent – der fünftschlechteste Wert aller Bundesländer. Am größten ist der Gender Pay Gap in Baden-Württemberg, am kleinsten in Mecklenburg-Vorpommern.

In Rheinland-Pfalz stehen Frauen beim Gehaltsvergleich mit Männern also vergleichsweise schlecht da. Trotzdem verdienen sie im Schnitt mehr als in anderen Bundesländern: Das durchschnittliche Tagesentgelt von vollzeitbeschäftigten Frauen beträgt der IAB-Studie zufolge in Rheinland-Pfalz 116 Euro und damit 10 Euro mehr als in Mecklenburg-Vorpommern, dem Bundesland mit dem geringsten Gender Pay Gap.

Gewaltiges Lohngefälle bei den Männern zwischen Ost und West

Die Lohnlücke entsteht hauptsächlich durch die unterschiedlichen Gehälter der Männer: In Mecklenburg-Vorpommern verdienen sie im Schnitt 110 Euro pro Tag, in Rheinland-Pfalz 141 Euro. Das entspricht einem Unterschied von mehr als 11.000 Euro im Bruttojahresgehalt. Auch insgesamt verdienen Frauen im Westen nur geringfügig besser als im Osten, bei den Männern ist das Lohngefälle hingegen gewaltig.

Dass die Männer im Westen deutlich besser verdienen, liegt unter anderem an der regionalen Wirtschaftsstruktur. Großunternehmen sind meist im Westdeutschland angesiedelt und bieten IAB-Forscherin Wydra-Somaggio zufolge bessere Karrierechancen und höhere Gehälter – von denen in erster Linie Männer profitieren. Im Landkreis Germersheim arbeitet nach Angaben der Arbeitsagentur ein Drittel der Beschäftigten in Betrieben mit mehr als 250 Mitarbeitern.

Ein Teil des Gender Pay Gaps lässt sich durch Merkmale wie Betriebsgröße und Berufswahl erklären. Aber selbst, wenn Frauen und Männer den gleichen Beruf ausüben und über vergleichbare Qualifikationen und Erfahrungen verfügen, verbleibt eine Lohnlücke zwischen ihnen. Diese bezeichnen Statistiker als bereinigten Gender Pay Gap.

Altenkirchen (Westerwald) als Schlusslicht bei der bereinigten Lohnlücke

Beim bereinigten Gender Pay Gap liegen die Bundesländer näher beieinander. In Rheinland-Pfalz liegt er nach IAB-Berechnungen bei 14,6 Prozent und damit etwas höher als im bundesweiten Schnitt (14,3 Prozent). In Altenkirchen (Westerwald) ist die Lohnlücke unter allen rheinland-pfälzischen Kreisen am größten: Hier verdienen Frauen im Schnitt ein Fünftel weniger als Männer – selbst, wenn sie im selben Beruf arbeiten und dieselben Qualifikationen und Erfahrungen mitbringen. „Das traditionelle Frauenbild bei Arbeitgebern wandelt sich zwar, aber in manchen Regionen ist es immer noch stark verankert“, sagt IAB-Forscherin Wydra-Somaggio.

Wie die Lohnlücke schrumpfen könnte

Immerhin: In den vergangenen Jahren ist der Gender Pay Gap Stück für Stück gesunken. Damit es so weitergeht, braucht es Wydra-Somaggio zufolge mehr Gleichstellungsmaßnahmen wie betriebliche Kinderbetreuung oder stärkere Anreize für Väter, Elternzeit zu nehmen.

Frauen haben außerdem die Möglichkeit zu prüfen, ob ihr Gehalt fair ist. Wer den Verdacht hat, dass männliche Kollegen in vergleichbarer Position besser verdienen, kann eine Auskunft nach dem Entgelttransparenzgesetz einholen.

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