Rutschpartien auf den Straßen, mehr als 1.000 Unfälle und volle Notaufnahmen: Die Glätte sorgte am Mittwoch für einen chaotischen Morgen in Baden-Württemberg.
Auf spiegelglatten Straßen haben sich am Mittwochmorgen in weiten Teilen Baden-Württembergs mehr als 1.000 Unfälle ereignet. Zahlreiche Menschen in BW wurden verletzt, niemand von ihnen nach bisherigen Angaben der Polizei schwer. In Bayern jedoch starben mindestens drei Menschen. Zunächst war nur von zwei Toten berichtet worden.
Im Bereich des Polizeipräsidiums Ludwigsburg registrierten die Beamtinnen und Beamten mehr als 400 Unfälle seit den frühen Morgenstunden, die meisten davon im Landkreis. In Stuttgart gab es knapp 150 Verkehrsunfälle wegen Glätte und Blitzeis. Für die Landeshauptstadt war eine sogenannte außergewöhnliche Einsatzlage ausgerufen worden. So konnten weitere Einheiten des Katastrophenschutzes eingesetzt werden.
Polizeisprecher habe “so etwas noch nie selbst erlebt”
In Heilbronn und dem Stadtkreis legte die Unfallzahl auf 200 zu, im Rems-Murr-Kreis auf etwa 160. Etwa 60 Unfälle mit insgesamt zwei verletzten Personen gab es im Landkreis Schwäbisch Hall und etwa 110 Unfälle mit insgesamt fünf Verletzten im Ostalbkreis.
Mehr als 200 Unfälle mit einem geschätzten Schaden von etwa einer Million Euro gab es laut Polizei auf den Straßen der Landkreise Reutlingen, Tübingen, Esslingen und Zollernalb innerhalb von knapp fünf Stunden. Mehrere Menschen wurden verletzt, meist blieb es nach ersten Erkenntnissen bei Sachschäden. “Ich habe so etwas noch nie selbst erlebt”, sagte ein Polizeisprecher in Reutlingen. Weitere mehr als 100 Unfälle mit insgesamt 20 Leichtverletzten waren es im Stadt- und Landkreis Karlsruhe. In der Rhein-Neckar-Region gab es laut Polizei im südlichen Rhein-Neckar-Kreis die meisten Unfälle. Insgesamt habe es 36 Unfälle durch Glätte gegeben, bei denen insgesamt fünf Menschen verletzt wurden, drei davon schwer.
Polizei und Kommunen hatten Fußgängerinnen und Fußgänger sowie Auto- und Fahrradfahrerinnen und -fahrer aufgerufen, vorsichtig zu sein und auf nicht notwendige Aufenthalte im Freien gegebenenfalls zu verzichten. Autofahrerinnen und Autofahrer sollten ihr Tempo reduzieren, vorausschauend fahren und abruptes Bremsen oder Beschleunigen vermeiden.
Massenkarambolage mit mehr als zwei Dutzend Autos
Für Aufregung sorgte vor allem eine Massenkarambolage auf der eisglatten Bundesstraße 27 in Hechingen (Zollernalbkreis) am Mittwochmorgen. Dabei krachten nach Polizeiangaben mehr als zwei Dutzend Autos aufeinander, zwei Menschen wurden leicht verletzt. Bei einem weiteren Serienunfall auf der Kreisstraße 3284 bei Aalen (Ostalbkreis) fuhren zehn Autos in einer langen Unfallkette auf.
Beim Zusammenstoß eines Linienbusses mit einem Auto in Ettenheim (Ortenaukreis) wurden neun Menschen verletzt. Polizeiangaben zufolge stießen beide Fahrzeuge am Morgen auf einer Kreuzung zusammen. Die beiden Männer im Auto verletzten sich schwer und kamen in ein Krankenhaus, sieben Fahrgäste im Bus verletzten sich leicht. Die Unfallursache war zunächst unklar. Glätte könne aber nicht ausgeschlossen werden, sagte ein Polizeisprecher.
Stau auf der A8 bei Pforzheim
Glatteis behinderte auch den Verkehr auf der A8 bei Pforzheim. In Fahrtrichtung Karlsruhe brauchten Autofahrer viel Geduld: Einer Polizeisprecherin zufolge staute sich der Verkehr zwischen Heimsheim (Enzkreis) und Pforzheim-West auf einer Länge von 18 Kilometern.
Grund sei ein Glatteisunfall, bei dem zwischen den Anschlussstellen Pforzheim-Nord und Pforzheim-West am frühen Morgen drei Lastwagen und vier Autos ineinander gefahren waren. Dabei sei ein Mann schwer verletzt worden.
Viele Patienten in Notaufnahmen – Lage mittlerweile beruhigt
Die Wetterlage wirkte sich am Mittwoch auch auf die Notaufnahmen im Land aus. Sie mussten überdurchschnittlich viele Patienten behandeln. Eine Sprecherin der SLK Kliniken in Heilbronn sprach von einem massiven Patientenaufkommen.
Auch am Klinikum Stuttgart waren am Morgen deutlich mehr Behandlungen notwendig als sonst üblich. Alleine am Morgen seien rund 50 Patientinnen und Patienten in der Notaufnahme behandelt worden, sagte ein Sprecher der Klinik. Normalerweise würden rund 80 Patientinnen und Patienten am ganzen Tag behandelt. “Schwerpunkte sind Knochenbrüche am Unterarm und am Handgelenk”, sagte der Sprecher. Man habe die Notaufnahme personell verstärkt. Vom Rettungsdienst gebe es minütlich neue Anfragen, ob weitere Patientinnen und Patienten aufgenommen werden könnten.
In den Kliniken der Rhein-Neckar-Region seien die Notaufnahmen noch immer voll, hieß es am Mittwochnachmittag auf SWR-Anfrage. Viele Menschen seien mit Prellungen und Knochenbrüchen gekommen, auch an der Wirbelsäule. Es gebe auch Kopfverletzungen. Einige Patienten hätten sogar sofort operiert werden müssen.
In manchen Krankenhäusern beruhigte sich die Situation aber Richtung Nachmittag. Wie etwas das Deutsche Rote Kreuz in Heilbronn mitteilte, sei die Zahl der Rettungsfahrten wieder beim normalen Einsatzvolumen angekommen, nachdem der Vormittag “sehr anspruchsvoll” gewesen war.
Die Glätte hatte Baden-Württemberg am Mittwoch fest im Griff. Streuen verringert die Verletzungsgefahr – was dabei und beim Schneeschippen erlaubt und was verboten ist:
Baden-Württemberg
Blitzeis am Mittwoch
Blitzeis, Glätte, Schnee: Das gilt es beim Räumen und Streuen von Gehwegen zu beachten
Der Winter hat Baden-Württemberg fest im Griff. Vielerorts hat es auf den gefrorenen Untergrund geregnet, dort ist es extrem glatt. Was beim Schneeschippen und Streuen erlaubt und was verboten ist.
Probleme für Flug- und Bahnreisende
Probleme gab es wegen gefrierenden Regens auch für den Betrieb des Stuttgarter Flughafens. Nach Angaben einer Sprecherin verspäteten sich viele Starts. Während der Winterdienst auf der Landebahn im Einsatz gewesen sei, habe kein Flugzeug landen oder abheben können. Zwei Maschinen, die in der Landeshauptstadt landen wollten, seien auf andere Flughäfen ausgewichen. Inzwischen ist der Flugbetrieb wieder angelaufen. Es kann aber laut einer Flughafen-Sprecherin weiter Einschränkungen geben, etwa wegen Verspätungen aus vorangegangenen Flügen oder weil Flugzeuge vor dem Start enteist werden müssen. Fluggäste sollten vorab online die An- und Abflüge checken.
Auch der Öffentliche Personennahverkehr hatte mit dem Glatteis zu kämpfen. Der Verkehrsverbund Stuttgart (VVS) beispielsweise meldete Einschränkungen beim Bus- und Bahnverkehr. Die Auswirkungen betrafen das ganze VVS-Netz.
DWD gibt Entwarnung für Teile Baden-Württembergs
Nach dem Glättechaos gab der Deutsche Wetterdienst (DWD) für den größten Teil des Landes am Mittwochnachmittag Entwarnung. Nur in der Bodenseeregion und in Oberschwaben sei am Mittwoch noch vereinzelt mit Glätte zu rechnen.
“Die Temperaturen sind in den meisten Teilen Baden-Württembergs wieder auf ein Grad gestiegen”, sagte DWD-Meteorologe Thomas Schuster. “Der Sprühregen wird uns noch den ganzen Tag begleiten, dank der gestiegenen Temperaturen friert er aber nicht mehr fest.” In der Nacht zum Donnerstag sei Frost zu erwarten. “Der wird aber auf keinen Fall solche Folgen haben wie heute”, sagte Schuster, der mit solchen Wetterverhältnissen nicht gerechnet hatte: “Die Auswirkungen waren extrem. Dass es so katastrophal war, hat mich auch überrascht.”
Der SWR hat am Mittwoch im Live-Ticker über die Ereignisse berichtet. Hier gibt es den Ticker zum Nachlesen:
Liveticker zum Glatteis in BW: ++ Mehr als 1.000 Unfälle ++ B27 nach Massenkarambolage wieder frei ++ Wetter-Besserung in Sicht ++