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Hooligan-Prozess in Aachen – Alemannias Trainer als Zeuge

Stand: 19.02.2025 07:50 Uhr

Alemannia Aachens Trainer Heiner Backhaus bestreitet, ein Gewaltvideo angesehen und wohlwollend kommentiert zu haben. Seine Zeugenaussage vor dem Schwurgericht in Aachen streut an anderen Stellen allerdings Bedenken am Umgang des Fußball-Drittligisten mit dem wegen versuchten Totschlags angeklagten Hooligan.

Marcus Bark

Den 2. Weihnachtstag 2023 verbrachte Heiner Backhaus bei seinen Schwiegereltern, zumindest den Abend. So sagte er das als Zeuge am Dienstag (18.02.2025) vor dem Landgericht in Aachen aus. Die Schwiegereltern, so der Trainer der Alemannia, lebten auf dem Land. Da sei das Netz häufiger schlecht, und daher komme es vor, dass per WhatsApp übermittelte Videos nicht geladen würden und nur ein schwammiges Vorschaubild zu sehen sei.

Backhaus: “Videos bis heute nicht heruntergeladen”

Noch heute seien die besagten Videos, die der Angeklagte Kevin P. an jenem Weihnachtstag an Backhaus verschickt nicht heruntergeladen. Er habe sie also nicht gesehen, beteuert Backhaus. Eines der beiden Videos mit schwammigem Vorschaubild zeigt höchstwahrscheinlich, wie P. als Türsteher im Aachener Rotlichtviertel einen Mann brutal zusammenschlug. Wenn er es denn gesehen hätte, so Backhaus, hätte er es gemeldet und den Kontakt zu P. sofort abgebrochen.

Der Trainer wirkt für einen Moment erleichtert, dass die Anklage anregt, doch direkt vor Gericht den Chat zu öffnen und die Vorschaubilder zu zeigen. Sie sind schwammig, die Aussage von Backhaus ist daher glaubhaft, allerdings nur vorläufig, denn Oberstaatsanwältin Jutta Breuer will das noch technisch prüfen lassen.

Die Zweifel also schwingen mit, nicht nur bei der Anklage, sondern auch beim Schwurgericht, das gegen Kevin P. wegen verschiedener Delikte verhandelt. Die Verbreitung von Gewaltvideos und die damit verbundene Bloßstellung der Opfer ist eines der Delikte, schwerer wiegt die darin zu sehende Tat, die von der Staatsanwaltschaft als versuchter Totschlag gewertet wird, und weitere Fälle von gefährlicher Körperverletzung, die P. zur Last gelegt werden.

Exzessiver Kokain- und Alkoholkonsum

Kevin P., 38 Jahre alt, räumte bereits am ersten Verhandlungstag ein, dass er eine Strafe verdiene und wisse, dass er noch Jahre im Gefängnis verbringen werde. Am Dienstag, dem dritten Verhandlungstag, hörte Kevin P. zunächst seiner Verlobten, dann dem Trainer der Alemannia im Zeugenstand zu.

Die Verlobte berichtete vom exzessiven Kokain- und Alkoholkonsum des Angeklagten, der sich seit Beginn ihrer Beziehung im Frühjahr 2023 bis zur Einlieferung in die Untersuchungshaft im Juli 2024 kaum verändert habe. Der Trainer berichtete, dass er von der Sucht nichts mitbekommen habe. Er habe auch nicht gewusst, dass Kevin P. vorbestraft sei, ein bekennender Hooligan, einer, der früher offen rechtsextrem gewesen sei, seine Gesinnung aber geändert haben will.

Backhaus: “Wusste nicht, dass es Hooligangruppen gibt”

Backhaus, der seit September 2023 Trainer der Alemannia ist und den Klub nach elf Jahren in der Regionalliga wieder in den Profifußball führte, sagte über P.: “Er ist zwar ein sehr großer und breiter, aber sehr weicher Mensch.” Kennengelernt habe er ihn bei einer gemeinsamen Aktion für einen wohltätigen Verein, in dem P. sich engagierte, vor allem für Obdachlose. Der Verein habe vor dem Termin “gar nichts gesagt”, auf wen er treffen würde, es habe generell “nie ein Learning” gegeben, wie “wir mit gewissen Dingen umgehen sollen”.

Der Vorsitzende Richter hatte ihn zuvor gefragt, ob er denn nicht gebrieft worden sei, wie mit den bekannten Hooligans und der unter anderem vom WDR-Magazin “Sport inside” aufgedeckten Nähe des Klubs zu Rechtsextremen umzugehen sei. “Ich wusste nicht, dass es organisierte Hooligangruppen gibt”, sagte Backhaus, und schon gar nicht, dass Kevin P. ein Hooligan sei.

Weihnachtsgrüße an “Chemo”

Das Gericht hielt dem Trainer etliche Nachrichten aus dem Chatverlauf zwischen ihm und dem Angeklagten vor. “Vielen Dank, mein ‘Chemo’, ich freue mich unser Treffen”, hieß es da, und: “Frohe Weihnachten, mein Freund.” Als “Chemo” ist Kevin P. im Verein und der Fanszene bekannt. Er wiederum schrieb mehrmals an Backhaus, wie großartig der doch als Trainer der Alemannia sei, und er bedankte sich bei ihm dafür, dass er an besagtem Weihnachten auch ein Video erhielt, in dem die Tochter von Backhaus “O Tannenbaum” gesungen habe.

Der Trainer sagte, dass er 2.500 Kontakte bei WhatsApp habe und da an Weihnachten eher wahllos in die zuletzt aktiven Chats Botschaften schicke, auch Videos mit seiner Tochter. Auf die Nachricht von P. am 26. Dezember 2023, dass er sich “derweil weiter um respektlose Freier und Diebe” kümmere, während andere mit Familien feierten, antwortete Backhaus mit “Richtig so!!!!”. Damit habe er aber lediglich “Respekt” gezeigt für jemanden, der sich kümmere.

Auf den mutmaßlichen Inhalt der Videos sei er erst im Januar 2025 aufmerksam geworden, als man ihm die Vorladung als Zeuge zugeschickt habe. Eine solche war damals auch an Marcel Moberz gegangen. Der Aufsichtsratschef der Alemannia lässt sein Amt als Vorsitzender derzeit ruhen, weil inzwischen gegen ihn ermittelt wird. Es geht um eine mögliche Verbreitung zumindest eines Gewaltvideos. Moberz machte daher von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch und wurde als Zeuge ausgeladen.

Alemannias Justiziar als P.s Verteidiger

Backhaus will nie mit Moberz ausführlich über den Inhalt des Videos gesprochen haben, das P. von einer Überwachungskamera abfilmte und über WhatsApp verteilte. Erster Ansprechpartner beim Verein sei Osama Momen gewesen, der Justiziar des Klubs, der auch im Aufsichtsrat der Alemannia sitzt. Dieser habe ihn einerseits beruhigt, da “nix passieren” könne, weil Backhaus das Video nicht angeschaut habe. Andererseits habe er aber auch das Gefühl gehabt, “dass Herr Momen mich nicht beraten wollte”. Daher habe sich der Trainer einen externen Anwalt genommen.

Osama Momen hingegen vertritt Kevin P. Als der Trainer der Alemannia am Dienstag darüber klagte, wie ihn der Klub mehrmals im Regen habe stehen lassen, hatte Momen die Verhandlung allerdings schon wieder verlassen. Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt.

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