Die angestrebte Medaille in Paris haben die deutschen Rollstuhl-Basketballerinnen am Ende deutlich verpasst. Aber das Paralympics-Turnier ist für sie noch nicht vorbei – und die Platzierungsrunde nehmen sie ernst. Denn die Spiele 2028 in Los Angeles sind für viele ein großes Ziel.
Mareike Miller flutschte ein Rebound durch die Finger – und der Ball blieb bei Kanada. Wenige Augenblicke später kassierte das deutsche Team den nächsten Korb: Acht Minuten vor dem Ende stand es aus deutscher Sicht 38:53. Die deutsche Kapitänin bewegte sich nicht, schaute nur mit ausdrucksloser Miene zur Hallendecke, wo in der Bercy Arena die Anzeigetafeln hängen. “Wir hatten so eine innere Hektik und waren im Angriff zu chaotisch”, befand die 34-Jährige. “Wir sind die ganze Zeit hinterhergelaufen. Und auch wenn wir mal einen Lauf hatten, sind wir nicht wirklich herangekommen.”
Eigentlich haben wir es drauf, aber wir haben es zu selten geschafft, das abzurufen.
Nationalspielerin Nathalie Passiwan
Mit 53:71 (22:34) mussten sich Miller und Co. am Ende im Viertelfinale gegen die Kanadierinnen geschlagen geben. “Eigentlich haben wir es drauf, aber wir haben es zu selten geschafft, das abzurufen”, sagte Nathalie Passiwan, die bei ihren ersten Paralympics mit 14 Punkten und 5 Rebounds ihr bis dato bestes Spiel machte.
Das Turnier ist aber noch nicht vorbei: Schon heute geht es um 12.45 Uhr mit dem ersten Spiel der Platzierungsrunde gegen Spanien weiter. Im dann letzten Spiel in Frankreich geht es dann gegen Großbritannien oder Japan.
Deutsches Team gegen Kanada “unruhig” und “chaotisch”
Die bisherige Bilanz der Mannschaft von Bundestrainer Dirk Passiwan in Paris liest sich enttäuschend. Nur der Sieg gegen Japan (67:55) steht auf der Habenseite. Daneben nunmehr drei klaren Niederlagen gegen die Topteams aus den USA (44:73), den Niederlanden (48:68) und eben gegen Kanada.
Die mangelde Erfahrung sei auf jeden Fall ein Faktor gewesen, betonte Miller angesichts von gleich acht Teamkolleginnen, die in Paris ihre ersten Paralympics erleben. Lisa Bergenthal war bereits in Tokio dabei, hatte in Japan aber nur eine Nebenrolle inne. “Es tut gerade wirklich weh. Es sollte nicht sein. Wir konnten Kanada nicht stoppen”, konstatierte die konsternierte 24-Jährige. “Unsere Trefferquote war einfach zu schlecht. Kanada ist verdient ins Halbfinale eingezogen.”
Auch Platz fünf wäre am Ende “eine gute Leistung”
Diese Enttäuschung soll aber nicht der Eindruck sein, der von den Spielen in Paris hängenbleibt. “Wir kämpfen weiter – jetzt wollen wir zumindest Fünfter werden”, kündigte Nathalie Passiwan an. “Es wäre richtig bitter, wenn wir hier nur mit einem Sieg rausgehen würden.”
Die Spiele in der Arena an der Seine machen den Deutschen auch einfach zu viel Spaß: “Ich nehme es als große Ehre wahr, auf diesem Parkett spielen zu dürfen”, betonte Bergenthal. Die vornehmlich französischen Zuschauer in der fast vollen Halle hatten für eine sehr gute Stimmung gesorgt und dem paralympischen Viertelfinale einen angemessenen Rahmen verschafft.
Wir sind ein sehr junges Team und auf einem Weg. Und wir sind in einem Umbruch – da gehört das auch dazu.
Bundestrainer Dirk Passiwan
Die Platzierungsspiele werden also ernst genommen. “Bei den Paralympics sind die besten acht Teams der Welt dabei. Viele Spiele sind eng gewesen. Wenn wir da am Ende mit Platz fünf im Mittelfeld stehen, wäre das eine gute Leistung”, fügte Miller hinzu.
Und überhaupt: Einen großen Unterschied zwischen Rang vier, wie beim verlorenen Spiel um Platz drei in Tokio, und dem fünften Platz über die Platzierungsrunde gebe es am Ende nicht.
Miller lässt Fortsetzung der Karriere offen
Wie es darüber hinaus weitergeht, ließ die Anführerin, die trotz einer Erkältung mit 18 Punkten auch gegen Kanada wieder beste Werferin war, allerdings offen. Die Spiele in Los Angeles 2028 würden sie schon reizen – zumal sie sechs Jahre in den USA studiert hat. “Das wäre ein absolutes Highlight. Ich muss aber gucken, was mein Körper sagt”, erklärte die niedergeschlagene Miller, die dann 38 wäre. “Ich habe nicht angekündigt, dass Paris meine letzten Spiele sein werden. Und ich will jetzt auch nicht aus Enttäuschung irgendwas dazu sagen.”
Wie geht das junge Team mit dem Rückschlag um?
Ein erfolgreicher Turnierabschluss könnte womöglich ihr und auch dem Team den Weg in die Zukunft weisen – bestenfalls schon Richtung LA. Miller hofft so oder so, dass möglichst viele Spielerinnen an Bord bleiben – um gemeinsam aus den Erfahrungen von Paris zu lernen. “Wir sind ein sehr junges Team, wir sind auf einem Weg. Wir sind in einem Umbruch”, sagte auch Bundestrainer Passiwan. Rückschläge gehörten da eben dazu.
Nathalie Passiwan schaute trotz der Enttäuschung schnell wieder nach vorne.
“Los Angeles wird auf jeden Fall unglaublich groß”, blickte Bergenthal bei aller Trauer schon mal voraus. “Die Amerikaner können den Basketball hypen, die haben es wirklich drauf.”
Und auch Nathalie Passiwan strahlte schon wieder beim Gedanken an die nächsten Paralympics: “Wenn wir uns mit den europäischen Teams in den nächsten Jahren richtig batteln, können wir in den USA oben angreifen. Und mein Traum bleibt auf jeden Fall die Medaille.”