HVO 100: Kann mein Auto den neuen Klima-Sprit tanken? Auf was Sie achten müssen
Seit Mai kann man den Klima-Diesel HVO tanken – als CO2-reduzierte Alternative zum Elektroauto sozusagen. Doch für welche Modelle eignet sich der Sprit, was kostet er und kann er neben CO2 auch Schadstoffe reduzieren? Was Autofahrer wissen müssen.
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Was in Ländern wie Italien schon in der Breite ausgerollt wurde, startet in diesen Wochen auch in Deutschland: Der erste Klima-Sprit kommt an ausgewählte Tankstellen. Er heißt HVO 100. Die Zahl 100 bedeutet, dass es sich um die reine Form von HVO handelt. HVO 100 wird aus biologischen Rest- und Abfallstoffen hergestellt und reduziert bis zu 90 Prozent der Treibhausgasemissionen gegenüber herkömmlichem Diesel.
Je nach Strommix tankt ein Tesla dreckiger
Damit hat der Klima-Sprit sogar gegenüber einem Elektroauto die Nase vorn, was die CO2-Bilanz angeht. Denn schon im Vergleich zu normalem Diesel ist ein Elektroauto, das mit deutschem Strommix geladen wird, erst nach 90.000 km klimafreundlicher unterwegs, wie der VDI kürzlich in der derzeit umfangreichste Studie zum Thema festgestellt hat . Mit Ökostrom betankt, sinkt die Schwelle zwar auf 65.000 km; doch mit dem stark CO2-reduzierten Klima-Diesel im Tank hat das Elektroauto keine Chance mehr gegen den Diesel.
HVO-Diesel ist zu Beginn 15 Cent teurer pro Liter
Es gibt allerdings einen großen Haken: Der synthetische Dieselkraftstoff HVO 100 startet zunächst als eine Art Premium-Sprit für Besserverdienende, denn er kostet pro Liter rund 15 Cent mehr als normaler Dieselkraftstoff . Teilweise sind es auch “nur” 9 bis 10 Cent. Doch der Preisunterschied bleibt ein großer Haken des Klima-Diesels. Europaweit liegt Deutschland damit relativ schlecht im Rennen, denn in anderen Ländern ist der Aufschlag geringer. In Italien zum Beispiel tanken Diesel-Fahrer HVO zum Teil sogar günstiger als fossilen Diesel, weil der Staat den Klima-Sprit niedriger besteuert. Zwar erkennt auch Deutschland jetzt auch das Desfossilierungs-Potenzial von HVO an und erhebt zumindest nicht die CO2-Steuer, leider kommt das nicht komplett beim Kunden an – für den bleibt der Öko-Sprit erst einmal rund 15 Cent teurer.
Verkehrsminister will keine Subventionen für Klima-Sprit
Subventionen ähnlich wie für den Start der Elektromobilität wird es aber wohl nicht geben. Das hatte Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) bei der Vorstellung einer HVO-Kampagne in Berlin klargemacht. Doch ein Anfang ist immerhin gemacht. Wer die CO2-Bilanz seines Wagens deutlich verbessern will, kann das nun tun.
Die Einführung von HVO wird auch vom Autoclub „Mobil in Deutschland“ unterstützt. Clubchef Michael Haberland sagt zu FOCUS online: „Zum ersten Mal hat der Autofahrer jetzt die Wahl an der Zapfsäule, ob er weiterhin fossil tanken möchte oder eben klimafreundlich. Das ging vorher nur durch die Anschaffung eines E-Autos. Wir müssen alle Optionen nutzen – und dazu zählen besonders alternative Kraftstoffe wie HVO 100.“
HVO und E-Fuels als Alternative zum E-Auto
HVO 100 ist einer von vielen synthetischen Kraftstoffen, die für eine bessere Klimabilanz des Straßen-, Zug-, Schiffs- und Flugverkehrs sorgen sollen. Quasi die höchste, weil “grünste” Ausbaustufe sind die mit regenerativen Energien produzierten, also strombasierten E-Fuels. Für die soll es sogar eine Ausnahme vom Verbrenner-Verbot der EU ab 2035 geben , wobei bereits der Einsatz oder auch nur die Beimischung solcher und anderer Klima-Kraftstoffe die CO2-Bilanz der Verbrenner deutlich verbessern könnte.
Auch in Deutschland Pflicht: Kennen Sie schon die Tank-Symbole?
Schon seit einigen Jahren konnten Autofahrer in Neuwagen das Kürzel „XTL“ im Tankdeckel entdecken. XTL steht für „X to Liquid“ und zeigt an, dass hier ein Rohstoff nach der Norm EN 15940 zu einem flüssigen Kraftstoff verarbeitet wurde.
Welcher Ausgangsstoff dafür genutzt wurde, geht aus dem Kürzel zunächst nicht hervor. Generell gibt es zahlreiche Möglichkeiten. Häufig dienen als Rohstoff Pflanzen wie Raps, Mais oder Rüben, aber auch Gülle, Holz- oder Speisereste kommen infrage. HVO, mit vollem Namen Hydrogenated Vegetarian Oil, wird zum Beispiel aus Alt- und Frittenfett erzeugt und kann dem Diesel entweder beigemischt oder als HVO100 in reiner Form angeboten werden .
FAQ zu HVO-Diesel – das müssen Autofahrer wissen
Ob die Deutschen nun in großer Zahl zum neuen Klima-Diesel greifen, bleibt angesichts der Preisdifferenz wohl abzuwarten. Doch wer kann den Sprit überhaupt tanken, wie verträglich ist er für den Motor und hat der Synthetik-Kraftstoff neben der CO2-Reduzierung auch einen Einfluss auf echte Schadstoffe wie NOx oder Feinstaub? FOCUS online hat dazu die Experten von eFuelsNow befragt. Der Verein besteht seit 2019 und wurde von Ingenieuren gegründet, die den Klima-Sprit vorantreiben wollen und zum Teil in ihren Privatautos seit Jahren damit testen.
1. Kann mein Auto überhaupt HVO tanken?
Ob Ihr Diesel-PKW oder LKW offiziell den Klima-Kraftstoff tanken darf, hängt von der Hersteller-Freigabe ab. Diese gibt es zum Beispiel für viele Diesel-Modelle von Audi, BMW oder Mercedes . „Offizielle Freigaben sind an der XTL-Plakette im Tankdeckel neben dem B7-Aufkleber zu erkennen. Es gibt teilweise rückwirkende Freigaben, die natürlich nicht so dokumentiert werden“, sagt Benedikt Zimmerman von eFuelsNow.
2. Gibt es Langzeiterfahrungen zu HVO?
Mythen halten sich in der Automobilwelt oft hartnäckig. Etwa die, dass E10-Benzin wegen seines etwas höheren Ethanol-Gehalts Motoren schädigen könne. Manche Autofahrer tanken deswegen bis heute E5. Tatsächlich gibt es seit vielen Jahren keine Autos mehr, die E10 nicht problemlos vertragen würden. Zum Thema synthetische Kraftstoffe hat unter anderem
der ADAC einen ausführlichen Test veröffentlicht . Der in diesem Langzeit-Test getestete Klima-Sprit machte keinerlei Problem und sorgte sogar, weil er sauberer verbrennt als normaler Kraftstoff, für leicht bessere Schadstoffwerte am Auspuff.
Zu HVO-Diesel liegen den Mitgliedern von „eFuelsNow“ nach eigenen Angaben Langzeiterfahrungen mit mehreren Modellen vor, darunter einem VW Sharan Baujahr 2014, einem Audi A4 aus 2017, einem Mercedes 220 d Baujahr 2019 und einem älteren Alfa Romeo 159. Die Fahrzeuge mit teilweise hoher sechsstelliger Kilometerleistung liefen alle problemlos, trotz fehlender Hersteller-Freigabe, berichtet Benedikt Zimmermann. Es gebe zudem weitere Vorteile: „Ruhigerer Motorlauf, besserer Durchzug, besseres Kaltstartverhalten“, so der Ingenieur.
3. Welche Auswirkungen hat der Klima-Sprit auf Schadstoffe?
Während die Reduzierung der CO2-Emissionen in der Klimabilanz die eigentliche Motivation zum Einsatz „grüner“ Kraftstoffe ist, gibt es auch Auswirkungen auf die Schadstoffe. Zimmermann erklärt: “XTL bzw. HVO 100 verbrennt deutlich sauberer als normaler Diesel. Das macht sich bei modernen Diesel am Auspuff eher nicht bemerkbar, da die Abgasnachbehandlung dort bereits alles wegfiltert. Für den Ruß-Eintrag im Abgasstrang vor dem Rußfilter bedeutet das aber deutliche Verbesserungen im Hinblick auf die Versottungsgefahr, besonders beim häufigen Kurzstrecken-Einsatz. Bei alten Dieseln werden auch die Feinstaub-Emissionen am Auspuff reduziert. Die NOx-Emissionen ändern sich kaum, mit einer leichten Tendenz zu Verbesserung.“
4. Wer setzt HVO bereits ein?
Besonders interessant ist der Klima-Sprit für Unternehmen, Behörden oder Kommunen, die einerseits ihre Öko-Bilanz verbessern wollen – oder das durch entsprechend eingegangene Selbstverpflichtungen sogar müssen -, für die aber andererseits der komplette Umstieg auf Elektrofahrzeuge keinen Sinn macht. Schließlich sind LKW oder Busse mit E-Antrieb bis zu dreimal so teuer wie Dieselautos und benötigen auch noch den Ausbau einer eigenen Ladeinfrastruktur, etwa Ladesäulen und Transformatoren auf dem Betriebsgelände.
HVO wird unter anderem bei der Deutschen Bahn eingesetzt (DB Cargo), bei BMW Logistik, bei Edeka Süd, bei Würth oder einigen Stadtwerken. In Österreich setzen die Supermarkt-Kette Spar und die Post auf den Klima-Diesel. “Bei einem jährlichen Verbrauch von rund sechs Millionen Litern Diesel verspricht sich die Österreichische Post einen großen Hebel, um Emissionen im Schwerlastverkehr einzusparen”, berichtet die “Verkehrsrundschau” .