Leon Holzschuster ist 18 Jahre alt, als er von seiner seltenen Krebserkrankung erfährt. Dass er heute noch lebt, hielten die Ärzte nicht für möglich. Der Fußballer aus der Nähe von Stuttgart will mit seiner Geschichte anderen Mut machen.
„Ich bin schon stolz, dass ich es so lange überlebt habe“, sagt Leon Holzschuster nach Feierabend an einem sonnigen Januarmittag vor dem Staatstheater in Stuttgart, wo er gelegentlich in der Kantine arbeitet. Wenn der 19-Jährige über seine seltene Krebserkrankung spricht, klingt das für die einen beeindruckend, für andere vielleicht befremdlich: „Ich behandele die Krankheit wie einen Schnupfen“, erklärt Leon. „Nur, dass ich länger kämpfen muss – und vielleicht sterbe.“
„Diese Schmerzen wünsche ich niemandem“
Dass er heute noch lebt, haben seine Ärzte anfangs kaum für möglich gehalten. Der 19-Jährige aus Denkendorf (Kreis Esslingen bei Stuttgart) erhält im Alter von 18 Jahren die Diagnose des sogenannten desmoplastischen kleinblauen rundzelligen Tumors – eine seltene, aber sehr aggressive Krebsform, die meist junge, männliche Erwachsene trifft. Experten sprechen von einer Inzidenz von unter einem Fall pro eine Million Einwohner. In ganz Deutschland sind Schätzungen zufolge in einem Jahr maximal 50 Patienten betroffen. Die Prognose ist schlecht – trotz intensiver Therapie. Leon wird deshalb zum damaligen Zeitpunkt bereits auf der Palliativstation angemeldet.
„Es ging mir beschissen, ich konnte nur mit starken Schmerzmitteln leben, lag mehrere Monate flach im Krankenhaus“, erzählt der 19-Jährige. „Diese Schmerzen wünsche ich niemandem.“ Der Haupttumor sitzt oberhalb seiner Blase, doch der Krebs hat im ganzen Körper gestreut. Immerhin zeigt die Chemotherapie Erfolge: Mittlerweile sind weniger Körperteile befallen als zu Beginn der Behandlung.
„Meine Mutter sagt: ‚Hör auf, das macht man nicht’“
„Die Heilungschancen waren am Anfang gleich null“, erinnert sich der 19-Jährige, der beim TV Echterdingen für die zweite Mannschaft in der Bezirksliga Fußball spielt. Etwa ein Jahr nach der Diagnose ist von einer einprozentigen Heilungschance die Rede, heute geben ihm die Ärzte maximal zehn Jahre. Doch Leon weigert sich, sein Leben von den Prognosen bestimmen zu lassen. „Man sollte jede Minute, jede Sekunde genießen“, sagt er: „Ich mag es nicht, wenn die Leute andauernd sagen, dass es ihnen leid tut.“
Der 19-Jährige begegnet seiner Erkrankung stattdessen mit Humor. Leons Mutter kann damit nur schwer umgehen. Wenn ihr Sohn beim Arzt Witze macht, kann es vorkommen, dass sie in Tränen ausbricht. „Meine Mutter sagt: Hör auf, das macht man nicht“, erzählt Leon. Über seinen Umgang mit dem Krebs spricht der 19-Jährige offen, er will lieber Optimismus verbreiten statt „depressiv im Bett zu liegen“.
Es gibt leise Hoffnung auf eine Heilung
Immer wieder berichtet Leon über neue Entwicklungen seines Gesundheitszustandes auch in selbst gedrehten Videos auf Youtube, wo seinem Profil rund 1700 Menschen folgen. „Ende der guten Chemo“ heißt eines seiner Videos, ein anderes trägt den Titel „Kann ich meinen Krebs besiegen?“ Sein erstes Video, „Krebs mit 18… Wie gehe ich damit um?“, haben knapp 21.000 Menschen aufgerufen.
Leon will mit den Aufnahmen und seiner Geschichte anderen Mut machen. „Mit Positivität und Hoffnung ist alles möglich“, sagt er. Denn schließlich sei auch er anfangs schon fast für tot erklärt worden. Und heute? Gibt es sogar die leise Hoffnung auf eine Heilung – mit einer Operation Mitte Februar, bei der man die Tumore möglicherweise vollständig entfernen kann.
„Warum habe ich diesen Krebs?“
Was die Zukunft bringt, ist ungewiss. Am liebsten würde sich Leon für ein Duales Studium im Bereich Sportmanagement bewerben: „Aber welcher Chef nimmt einen Krebskranken, der alle zwei Wochen oder in noch kürzeren Abständen zur Chemo ins Krankenhaus muss?“, fragt er sich.
Grübeln bringt ihm nichts, sagt der 19-Jährige. Also genießt er lieber die Zeit mit seinen Freunden und seiner Partnerin, fährt seinen geliebten Ford Mustang, den ihm seine Mutter geschenkt hat – und geht seinem Hobby, dem Fußballspielen, nach, sofern es sein Körper zulässt. „Fußball ist mein Leben“, sagt Leon, „aber meine Ausdauer ist echt im Eimer.“
Im Training kommt es manchmal zu den wenigen Momenten, in denen ihm sein Humor nicht weiterhilft: Wenn er nach einer Stunde völlig erschöpft sei und die Teamkollegen weiter trainieren können, dann verflucht er seine Erkrankung und fragt sich wütend: „Warum habe ich diesen Krebs?“ Aber selbst dann, nach einem kurzen Tief, schaltet der 19-Jährige schnell wieder in den positiven Modus: „Wenigstens habe ich gesunde Beine und kann überhaupt Fußball spielen.“
Von Florian Dürr