Laut der Schülervertretung heißt es bei der Bildungspolitik zu oft Aktionismus statt Weitsicht. Zum Schulstart stünden die Schulen im Land vor Problemen, die “ausgeblendet werden”.
Der Landesschülerbeirat wirft der baden-württembergischen Landesregierung Versagen in der Bildungspolitik vor. In einem offenen Brief an Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) und die Mitglieder der Landesregierung heißt es, die Situation in der Bildungspolitik wäre “festgefahren”. Reformen, wie die vor den Sommerferien beschlossene Bildungsform, seien “kaum ein großer Wurf” und gingen an den eigentlichen Problemen der Schulpolitik vorbei.
Veralteter Unterricht, schlechte Ausstattung, überlastete Lehrkräfte
Die Schülervertreter und Schülervertreterinnen kritisieren vor allem die Zustände an den Schulen: Demnach sei der Unterricht veraltet, die Schulausstattung schlecht und Lehrkräfte überlastet, da sie außerhalb des Klassenzimmers immer mehr Aufgaben erfüllen müssen. Darin sieht die Schülervertretung auch Gründe für den Leistungsfall baden-württembergischer Schüler und Schülerinnen in verschiedenen Bildungsrankings.
Als Beispiel für veralteten Unterricht nennt der Vorsitzende des Landesschülerbeirats, Joshua Meisel, den Deutschunterricht. Die Analyse von Gedichten sei für den Alltag der Schüler nicht relevant und sollte weniger intensiv behandelt werden. Aus Sicht des Schülervertreters wäre ein stärkerer Fokus auf argumentatives Schreiben sinnvoll – auch um Fake News und Populismus besser erkennen zu können.
Diese Bildungsreformen plant Baden-Württemberg
Die baden-württembergische Landesregierung hat vor den Sommerferien mehrere Bildungsreformen auf den Weg gebracht. Dazu gehören die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium, Sprachförderung in Kitas und Grundschulen sowie eine verbindlichere Grundschulempfehlung.
Außerdem soll es ein eigenes Schulfach geben, in dem Kompetenzen wie Informatik, Künstliche Intelligenz und Medienbildung vermittelt werden. Auch die Stärkung der Demokratiebildung an Gymnasien ist vorgesehen.
Kaum Fortschritte bei Chancengleichheit
Neben dem allgemeinen Leistungsabfall sei auch die Chancenungleichheit an Schulen ein Problem, bei der die Landesregierung kaum Fortschritte mache. Akademikerkinder würden demnach immer noch wesentlich häufiger ein Studium beginnen als Nicht-Akademikerkinder. In einer Studie des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung der Universität München liegt Baden-Württemberg bei der Bildungsgerechtigkeit im Ranking der Bundesländer nur auf Platz 7.
Mehr Lehrpersonal gefordert: Neues Schuljahr startet mit Mangel
Die Lösung für einen großen Teil der Probleme sieht die Schülervertretung in mehr Lehrpersonal. In Baden-Württemberg waren im vergangenen Jahr 565 Lehrkräftestellen unbesetzt, im Jahr davor sogar 890. Für das neue Schuljahr geht die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) davon aus, dass sich die Situation weiter verschlechtert. Sie rechnet bis zum Jahr 2035 mit zwischen 16.000 und 27.000 fehlenden Lehrkräften in Baden-Württemberg.
Baden-Württemberg
Herausforderungen für Kultusministerin Schopper
Wo es im neuen Schuljahr an Schulen in BW hapert
Wie umgehen mit künstlicher Intelligenz oder Lehrermangel im Unterricht? Das neue Schuljahr kommt mit großen Baustellen, um die sich die BW-Kultusministerin Schopper kümmern muss.
Di.3.9.2024
19:30 Uhr
SWR Aktuell Baden-Württemberg
SWR BW
Auch Bildungsverbände fordern Maßnahmen
Der Landesschülerbeirat fordert von der Landesregierung die Errichtung einer “Enquete-Kommission Bildung” um die genannten Probleme anzugehen.
Das neue Schuljahr in Baden-Württemberg bringt neben den Forderungen des Landesschülerbeirats auch weitere Baustellen mit sich: So fordert die Bildungsgewerkschaft GEW eine stärkere Demokratiebildung von Schülerinnen und Schülern. Diese fordern dabei mehr Praxisbezug: “Wer echte Demokratiebildung an Schulen umsetzen möchte, muss Demokratie nicht nur theoretisch im Unterricht behandeln, sondern auch praktisch vor Ort vermitteln”, schreiben sie an Ministerin Schopper. Aus Sicht des Landesschülerrates wäre eine Stärkung der Mitspracherechte von Schülern vor Ort wichtig.
Laut dem Verband Bildung und Erziehung in Baden-Württemberg (VBE) müssten Lehrkräfte die Schülerschaft künftig auch für die Gefahren und Nutzung Künstlicher Intelligenz sensibilisieren.