Am Wochenende (13./14. September 2024) steht in der Leichtathletik mit dem Diamond-League-Finale in Brüssel der letzte Saisonhöhepunkt an. Einer der Hauptdarsteller: Letsile Tebogo, der sich fernab des Blitzlichts zum aktuell besten Sprinter entwickelt hat.
Die schnellsten Männer und Frauen der Welt haben in dieser Saison ganz besonders viel Aufmerksamkeit bekommen. Das lag nicht nur daran, dass die Leichtathletik – und dort besonders die Kurzdistanzen – wie gewohnt die wohl meistbeachtete Sportart bei den Olympischen Spiele in Paris war. Sondern auch an der Netflix-Dokumentation “Sprint”, die bei den Stars wie Noah Lyles, Sha’Carri Richardson und Shelly-Ann Fraser-Pryce hinter die Kulissen blickten.
Lyles hat mehr als nur große Konkurrenz
Die Serie verdeutlichte, dass sich der Fokus bei den Männern auf eine Person konzentriert, und das ist Lyles. Nach dem Karriereende von Weltrekordler Usain Bolt brauchte es einen neuen Blitzlichthelden, bestenfalls über die 100-Meter-Distanz, die traditionell die meiste Beachtung in dieser Sportart erhält – und dieser neue Held ist der Amerikaner. Denn er verbindet alles: Erfolg, eine Mischung aus Star-Appeal sowie Klartext-Aussagen und eine Schicksals-Geschichte (Lyles hat Asthma und ADHS).
Der 27-Jährige ist der neue Bolt – aber es gibt einen großen Unterschied: Er kann nicht von sich behaupten, zweifellos der Beste zu sein. Und das liegt nicht etwa – wie sonst in der Leichtathletik – am ewigen Kampf um die Sprintkrone zwischen den USA und Jamaika. Denn der Mann, der Lyles den Titel “Schnellster Mann der Welt” nicht nur streitig macht, sondern ihm den auch derzeit abnimmt, kommt aus Botswana. Sein Name ist Letsile Tebogo.
Bei der WM Silber und Bronze, Gold bei Olympia
Der 21-Jährige, dem aufgrund seines Alters auch die Zukunft gehören dürfte, war übrigens auch Teil der “Sprint”-Dokumentation – aber er war nicht mehr als Statist. Über den Mann aus dem Süden Afrikas erfährt man nichts. Wer genau hinsieht, erkennt aber, dass Tebogo bei der WM 2023 (die Vorbereitungen darauf und die Rennen dort sind das Hauptthema der Serie) schon einer der Besten war. Über 100 Meter gewann er Silber, über 200 Meter Bronze.
Und er hat sich weiter gesteigert. Sein sechster Platz im Foto-Finish-Rennen über 100 Meter (alle acht Starter kamen innerhalb von 0,12 Sekunden ins Ziel) bei den Olympischen Spielen in diesem Jahr war seine bisher letzte Niederlage in einem Einzelrennen. In Paris ließ er über 200 Meter der gesamten Konkurrenz um Lyles (der allerdings auch Corona-geschwächt war) keine Chance. Mit 19,46 Sekunden lief er dort die fünftschnellste Zeit über diese Distanz in der Geschichte.
Tebogo “keine arrogante oder laute Person” wie Lyles
Es folgten weitere Highlights in der Diamond League, der Elite-Meeting-Reihe in der Leichtathletik. Dort holte er Platz eins in Lausanne (200 Meter/19,64 Sekunden), Chorzow (200 Meter/19,83 Sekunden), Rom (100 Meter/9,87 Sekunden) und Zürich (200 Meter/19,55 Sekunden). Bis auf Lyles, der seit den Olympischen Spielen kein offizielles Rennen mehr lief, war jeweils die Sprint-Elite am Start – Tebogo schlug sie alle.
Und genau bei dieser Serie will Tebogo am Wochenende wieder triumphieren, in Brüssel steht das große Finale der Diamond League auf dem Plan. Es geht um den nächsten Sieg und 30.000 Euro Prämie – in der Leichtathletik eine enorme Summe.
In Botswana ist Tebogo schon ein Volksheld, aber außerhalb seiner Heimat? Während sein Hauptkontrahent Lyles beispielsweise bei Instagram über 1,5 Millionen Follower hat, hat er nur ein Zehntel davon. Er ist trotz seiner Erfolge weit entfernt davon, zu einer Galionsfigur seines Sports zu werden – und er selbst hat bereits erklärt, warum das so ist. “Ich kann nicht das Gesicht der Leichtathletik werden, weil ich keine arrogante oder laute Person wie Noah bin. Ich glaube, Noah ist das Gesicht der Leichtathletik”, sagte Tebogo in Paris.
Tebogo: “Mag es nicht, eine Berühmtheit zu sein”
Während Lyles auch aufgrund seiner Krankheit predigt, alles im Leben erreichen zu können, gab sein Kontrahent längst zu: “Ich hatte so viele Zweifel an mir selbst.” Die Experten haben ihn aber offenbar schon längst auf der Rechnung. Justin Gatlin, 100-Meter-Olympiasieger im Jahr 2004, sagte beispielsweise über Tebogo, er sei “der kleinere Bolt”. Weil er seine Kollegen ebenfalls mit raumgreifenden Schritten übertrumpft ohne dabei viel schneller als sie zu wirken.
Tebogo jedoch “mag es nicht, eine Berühmtheit zu sein”, wie er im Interview mit dem Schweizer “Blick” offenbarte. Nach dem Rennen in Brüssel wolle er in Botswana seine Kühe und Ziegen hüten, “einen Monat dort verbringen”. Auch dann wird es so sein, dass seine Sprintkonkurrenten vermutlich für mehr Gesprächsstoff sorgen. Tebogo lässt dafür seine Leistungen sprechen.