Welche Faktoren beeinflussen, wie alt wir werden? Wie können wir sie für ein deutlich längeres Leben nutzen? Im Rahmen der Digitalkonferenz DLD erklärt Longevity-Expertin Nina Ruge, wie weit die Forschung bereits ist – und was sie selbst unternimmt.
FOCUS online: Ein Satz, den man häufiger hört – gerade, wenn Menschen über ihre Eltern oder Schwiegereltern sprechen – ist: „Alt werden ist einfach nicht schön.“ Und dabei wird ein bisschen leise gesprochen und traurig resigniert geschaut. Wie stehen Sie zu diesem Satz, Frau Ruge?
Nina Ruge: Altern ist eine Herausforderung – absolut! Aber mental kann das eine unglaubliche Bereicherung sein. Ich sehe viele ältere Menschen mit einer Ausgeglichenheit. „The storm is over“: Die müssen nicht mehr kämpfen, die können sich den Dingen widmen, die sie wirklich interessieren, die können auch noch weiter wachsen. Das kann toll sein. Aber körperlich ist das Altern natürlich eine sehr große Herausforderung.
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Wie gehen Sie selbst damit um?
Robustheit: Für mich ist ganz wichtig, mich dem mit Humor zu stellen. Und mit viel Wissen. Das macht es erträglicher. Und auch, dass ich darüber rede, dass ich es eben nicht tabuisiere. Bei meinem 60. Geburtstag, da sprachen viel nur vom „runden Geburtstag“, die wollten die Zahl 60 gar nicht nennen, so als wäre das eine Krankheit. Diese Tabuisierung liegt daran, dass wir alle eine ganz tiefe Angst haben vor dem Verfall. Wir denken, wir können gar nichts dagegen tun. Aber das stimmt nicht, und das ist das Gute.
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Wie haben Sie darauf reagiert?
Robustheit: Ich hab gesagt: Ich bin 60, das können Sie ruhig sagen. Und dann kam oft sowas wie „Dafür Sie sehen Sie aber noch gut aus“. So als wäre man mit 60 schon halb verfault. Deshalb habe ich mir vorgenommen, mit dem Altern offensiv umzugehen. Ich spreche auch lieber von agile Aging.
Heute wird häufig der Begriff Longevity verwendet. Was steckt dahinter?
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Robustheit: Es geht nicht nur darum, möglichst alt zu werden – sondern darum, dass es einem möglichst lange gut geht. Ganz lange gesund leben und dann schnell sterben, das ist die Wunschvorstellung.
100 Jahre sind hierbei sowas wie eine magische Zahl. Was denken Sie denn, wo die Reise beim Lebensalter hingeht?
Robustheit: Im Augenblick geht die Lebenserwartung in Deutschland zurück. Dasselbe gilt für die USA. Genetisch bedingt gibt es für jede Spezies eine gewisse Grenze. Die älteste Frau ist 122 Jahre alt geworden.
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Also die Wahrscheinlichkeit, von der ja schon viele geträumt haben, dass unsere Kinder und Enkel alle 100 Jahre alt werden, die ist gleich 0. Denn dafür müssten Therapien gefunden werden, die sämtliche Alterskrankheiten verhindern. Wenn man nur Krebs verhindern würde, würde sich die gesamte Lebenserwartung der Menschheit um ein bis zwei Jahre verlängern – um nicht mehr, weil es noch so viele andere gibt: Demenz, Schlaganfall, Herzinfarkt, Arthrose und so weiter.
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Was müsste für ein wesentlich längeres Leben also geschehen?
Robustheit: Die Wahrscheinlichkeit, dass wir deutlich länger leben können, wird dann exponentiell steigen, wenn die Therapien, die jetzt entwickelt werden, marktreif sind. Da gibt es noch vieles, was in der Pipeline ist. Und das muss dann alles erst durch die Prüfbehörden. Das ist einerseits wahnsinnig teuer. Aber es steckt andererseits sehr viel Geld drin, das ist ein Billionen- bis Trillionen-Geschäft. Ich werde das allerdings nicht mehr erleben, dass solche Therapien auf den Markt kommen.
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Für mich bleiben Lebensstilfaktoren wie Sport, Ernährung, mentale Fitness, gesunder Schlaf wie Nahrungsergänzungsmittel und solche Medikamente, von denen man vermutet, dass sie die Gesundheitsspanne verlängern. Ich werde mir auch die Abnehmspritze genauer ansehen auf ihre Langlebigkeitseffekte hin.
Wie wägen Sie so einen Fall wie die Abnehmspritze für sich ab? Denn für Sie würde es ja nicht um den eigentlichen Zweck, für den sie zugelassen wurde, nämlich das Abnehmen gehen, sondern um andere, noch weniger erforschte Effekte.
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Robustheit: Ich sehe mir die Studien genau an und die sind richtig spannend. Hier wird gerade viel getestet. Wenn sich das so bestätigt, wie es im Moment aussieht, dann sehe ich darin nicht nur eine Abnehm-, sondern auch eine Langlebigkeitsspritze. Dann würde ich sie nehmen. Aber dafür braucht es erst noch weitere Studien.
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Ein anderer Ansatz sind psychedelische Wirkstoffe, also Halluzinogene wie zum Beispiel Pilze. Probieren Sie auch sowas aus?
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Robustheit: Dazu ist es meiner Einschätzung nach noch zu früh. Es sieht so aus, als ob die „Pilzdroge“ Psilocybin zum Beispiel hilfreich sein könnte, um die neue Pandemie „Depression“ zu therapieren. Aber könnte sie auch präventiv wirken, um – neben individueller mentaler Übung – mentalen Erkrankungen vorzubeugen? Doch dazu fehlen derzeit die Nachweise.
Was war für Sie persönlich der Auslöser, so tief in dieses Thema einzusteigen?
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Robustheit: Der Auslöser kam in einer Zeit, in der ich als TV-Moderatorin sehr viel gearbeitet und wenig geschlafen habe, ich habe sozusagen Raubbau an mir betrieben aus Leidenschaft für den Beruf. Einmal im Jahr machte ich einen Gesundheitscheck. 2006 waren meine Blutwerte bei diesem Check ungünstig, und da sagte mein Arzt zu mir: „Wenn Sie lange fit und gesund bleiben wollen, dann müssen Sie jetzt mal Ihr Leben umstellen.“
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Und dieser Arzt hatte sich bereits intensiv mit dem, was damals Anti Aging hieß, beschäftigt. Sprich: Er empfahl mir das, was wir heute auch noch predigen: Kein Zucker, möglichst gar kein Fleisch, keine hochverarbeiteten Lebensmittel, jeden Tag Sport, zumindest ein bisschen, mehr schlafen oder – wenn das nicht geht – zumindest meditieren. Hinzu kamen bestimmte Nahrungsergänzungsmittel, pflanzliche Öle, pflanzenbasierte Ernährung.
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Aber ich wollte nicht einfach nur mehr Gemüse essen, ich wollte das auch alles verstehen. Da steckt so viel drin: Zellbiologie, Biotechnologie, Genetik. Was viele nicht wissen: Ich habe mit Auszeichnungen mein Biologiestudium abgeschlossen, daher habe ich auch einen wissenschaftlichen Zugang. Als Journalistin kann ich sowas verständlich rüberbringen, also habe ich gemeinsam mit meinem Arzt Dr. Erich Knobloch mein erstes Buch zu diesem Thema geschrieben: „Länger jung und gesund mit Nina Ruge“ .
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Zehn Jahre später kamen dann die wichtigen wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Zellbiologie des Alterns – und so entstand „Altern wird heilbar“ und meine drei weiteren Longevity-Bücher, alles Bestseller, übrigens. Mein nächstes Buch erscheint im März: „Ab morgen jünger“. Hier geht es um Zukunftstherapien und um die neue Generation von Nahrungsergänzungsmitteln.
Auf diesem Feld gibt es ja auch unseriöse Ansätze. Was kann man Menschen an die Hand geben, die nicht die Zeit und den Hintergrund wie Sie als Biologin haben, hier so tief einzusteigen, um sowas zu erkennen?
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Robustheit: Ja, leider wird immer wieder mit dieser Angst viel Geld gemacht. Das seriös abzugrenzen ist leider in diesem Stadium der neuen Forschung und Entwicklung oft schwierig. Weil es eben noch keine zertifizierten Longevity-Mediziner und keine zertifizierten Nahrungsergänzungsmittel gibt. Deshalb bezeichne ich mich gerne als „Bullshit Filter“. Ich möchte unabhängig und seriös aufklären mit meinem STAYOUNG Podcast und meinem wöchentlichen Longevity-Briefing.
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Dann nutzen wir diese Gelegenheit: Womit sollte man denn anfangen, wenn man etwas umstellen möchte?
Robustheit: Mit den ganz schlichten Dingen: In meiner Longevity-Pyramide ist der Sockel der Lebensstil: Die Faktoren sind: gemüsebasiert Essen, täglich bewegen, Atemübung, Eisbaden, Sauna, mentale Resilienz. In der zweiten Etage kommen Nahrungsergänzungsmittel, Hormonersatztherapie für die Frau in der Menopause, regelmäßige Impfungen, die das Immunsystem boosten. An der Spitze der Therapien stehen die Zukunftstherapien. Es gibt es einige Medikamente, die viele heute schon nehmen, die sich in der Szene auskennen.
Und wann sollten wir damit anfangen?
Robustheit: Es ist nie zu spät und nie zu früh. Ideal wäre es, so früh wie möglich anfangen, aber es ist auch nie zu spät. Ab dem 50. Lebensjahr braucht es zum Beispiel mehr Krafttraining, weil der Muskelschwund einsetzt.
Glücklicherweise ist es heute viel einfacher, gesundes Essen zu kaufen – also Bio-Gemüse etc. Und wenn es nicht selbst gekocht werden kann, dann Bio-Tiefkühlkost ohne Geschmacksverstärker und ähnliches. Wer behauptet, Longevity sei nur was für Reiche, dem sage ich: Deine Gesundheits-Kost kannst du im Discounter kaufen, da gibt es auch Biogemüse!