Ausgewogene Ernährung, regelmäßige Bewegung, ausreichend Schlaf – diese Faktoren bringen wir mit einem langen, gesunden Leben in Verbindung. Doch eine zentrale Säule unserer Gesundheit bleibt oft unbeachtet: unsere sozialen Beziehungen.
Dabei ist soziale Isolation eine der größten Gesundheitsgefahren unserer Zeit. Interaktionen mit Familie und Freunden halten uns nicht nur mental gesund, sondern stärken auch unser Immunsystem und senken das Risiko für Herzkrankheiten, Schlaganfälle und Typ-2-Diabetes.
Dr. Gerd Wirtz ist Neurophysiologe und seit vielen Jahren als Medizinmoderator, Bestsellerautor, Podcaster und Keynote Speaker auf internationalen Bühnen unterwegs. Seine Spezialgebiete sind Digital Health und Longevity. Seine Überzeugung, dass Digitale Medizin der entscheidende Schlüssel ist, um länger und gesünder zu leben, vermittelt er in seinen Vorträgen und Veröffentlichungen, kompetent und unterhaltsam. In seinen Podcasts „gesund&gesund“ und „beyond lifespan“ gibt er gemeinsam mit seinen Kollegen regelmäßig wertvolle Tipps zum gesunden Leben.
Was ist Social Health – und warum ist sie so wichtig?
Der Begriff „Social Health“ beschreibt die Qualität unserer sozialen Beziehungen: Wie stark ist unser Netzwerk? Wie verlässlich unsere Bindungen? Es geht dabei nicht nur um die Anzahl der Kontakte, sondern auch um deren Tiefe und Verlässlichkeit. Sie umfasst das Gefühl von Zugehörigkeit, Unterstützung und Wertschätzung.
Dass unsere sozialen Verbindungen eng mit unserem Wohlbefinden verknüpft sind, ist längst bekannt. Doch ihre Bedeutung reicht weit über die psychische Gesundheit hinaus. Studien zeigen, dass Einsamkeit das Risiko für Herzkrankheiten und Schlaganfälle erhöhen und die Anfälligkeit für Infektionen steigern kann.
Was die Wissenschaft über Social Health verrät
Dass Einsamkeit unsere Gesundheit negativ beeinflusst, ist schon lange bekannt. Allerdings wusste man bis vor kurzem nicht so genau, warum dieser Einfluss so stark ist.
Eine internationale Forschungsgruppe aus Großbritannien und China hat dies untersucht und dabei Blutproben von über 42.000 Erwachsenen analysiert. ( Nature Human Behaviour ) Ziel war es, die Verbindung zwischen sozialer Isolation, Einsamkeit und Gesundheit zu verstehen. Die Ergebnisse sind erstaunlich – und alarmierend.
Die wichtigsten Erkenntnisse der Studie:
- Menschen, die sozial isoliert sind, haben im Blut höhere Werte bestimmter Proteine, die mit Entzündungen und Krankheiten wie Herzproblemen, Diabetes und Schlaganfällen in Zusammenhang stehen.
- Einsamkeit beeinflusst besonders ein Protein namens ADM. Dieses steht in Verbindung mit Stresshormonen und Veränderungen im Gehirn, die das Risiko für frühes Sterben erhöhen können.
- Ein weiteres Protein, ASGR1, wird mit erhöhtem Cholesterin und Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Verbindung gebracht.
Was bedeutet das für uns? Diese Proteine zeigen, wie stark unser Körper auf soziale Isolation reagiert. Sie verdeutlichen, dass Beziehungen nicht nur für unser Wohlbefinden wichtig sind, sondern auch für unsere biologische Gesundheit. Soziale Kontakte können also wie ein Schutzschild für unseren Körper wirken.
Die wachsende Herausforderung sozialer Isolation
Die heutige Lebensweise macht es uns jedoch nicht leicht, soziale Bindungen zu pflegen. In den Blue Zones – den Regionen der Welt, in denen Menschen besonders alt werden – sind enge soziale Bindungen ein fester Bestandteil des Alltags. Freunde und Familie unterstützen einander, und Gemeinschaftsrituale stärken den Zusammenhalt.
Doch in unserem hektischen Alltag werden solche Verbindungen immer seltener. Digitale Kommunikation ersetzt gemeinsame Zeit, echte Begegnungen werden seltener.
Die größten Herausforderungen:
- Weniger echte Gespräche: Zeit für persönliche Treffen bleibt oft auf der Strecke.
- Mehr digitale Kontakte: Nachrichten und E-Mails ersetzen echte Begegnungen – und führen häufig zu einem oberflächlicheren Austausch.
- Stress und Hektik: Beruf und Alltag lassen kaum Raum für Beziehungspflege.
Die Forschenden betonen, dass es besonders wichtig ist, Strategien zu entwickeln, um soziale Verbindungen auch im digitalen Zeitalter aktiv zu pflegen.
So stärken Sie Ihre soziale Gesundheit
Es ist nie zu spät, in soziale Beziehungen zu investieren. Ebenso wie in die Ernährung und das persönliche Bewegungsprogramm sollten wir auch in die Planung unsere Beziehungen Zeit investieren und sie nicht einfach dem Zufall überlassen.
Vier einfache Ansätze für mehr soziale Gesundheit:
- Beziehungen pflegen: Freundschaften und Familie brauchen Zeit und Aufmerksamkeit. Planen Sie bewusst regelmäßige Treffen oder gemeinsame Aktivitäten ein – so wie Sie es auch mit anderen wichtigen Terminen tun würden.
- Offline statt online: Weniger Zeit in sozialen Medien bedeutet mehr Raum für echte Begegnungen. Ein „Digital Detox“ kann helfen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.
- Neue Menschen kennenlernen: Ob Sie sich einer Sportgruppe anschließen, ehrenamtlich tätig werden oder an einem neuen Hobby arbeiten – jede Gelegenheit, mit anderen in Kontakt zu kommen, stärkt Ihr Netzwerk und Ihr Selbstbewusstsein.
- Hilfe annehmen: Wenn Einsamkeit belastend wird, zögern Sie nicht, sich Unterstützung zu suchen – sei es durch Gespräche mit Freunden oder professionelle Beratung.
Soziale Gesundheit beginnt mit kleinen, bewussten Entscheidungen. Der erste Schritt? Vielleicht ein kurzer Anruf an einen alten Freund oder eine Freundin – oder ein Spaziergang mit einem Nachbarn.