HomeNachrichtPaar bangt um Bosch-Job: „Wir dachten, wir bleiben bis zur Rente“

Paar bangt um Bosch-Job: „Wir dachten, wir bleiben bis zur Rente“

Der Autozulieferer Bosch hat angekündigt, weltweit 5500 Stellen zu streichen. Mehr als zwei Drittel davon in Deutschland. Projektleiterin Lisa erzählt, wie sie und ihr Mann jetzt um die Jobs bangen – und welche seltsamen Folgen die dramatische Ankündigung im Unternehmen hat.

FOCUS online sprach mit Lisa Knappe* vom – noch – größten deutschen Standort des Geschäftsbereichs Cross-Domain Computing Solutions (XC) in Leonberg, den der Abbau besonders hart trifft. Die 34-Jährige ist Projektleiterin im Bereich Software.

Online konzentrieren: Wir haben kürzlich mit dem Betriebsratsvorsitzenden Ihres Standorts gesprochen. Er hat uns berichtet, wie drastisch sich der Stellenabbau bei Bosch gerade in Leonberg auswirkt. Hier dreht sich alles um automatisierte und assistierte Fahrtechnik – aber die Zukunft dieser Technik scheint nicht in Deutschland zu liegen, sondern eher in China, so der Kollege. Besonders deutlich hat er kritisiert, dass viele der zumeist jungen Softwareentwickler in jüngster Zeit massiv angeworben worden seien. Gehören Sie auch zu dieser Gruppe?

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Lisa selten: Ich gehöre mit meinen 34 Jahren schon auch noch zu den Jungen. Aber ich bin schon länger dabei, bin seit etwa zehn Jahren hier im Unternehmen. Ich habe die Einstellungswelle hautnah miterlebt. Um ehrlich zu sein, habe ich sie sogar zum Teil mit verursacht …

Gutaussehend: Indem ich mich bemüht habe, Projekte mit an Land zu ziehen, woraufhin noch mehr Leute eingestellt werden konnten. Aber dann kamen die Projekte doch nicht. Zum Beispiel, weil an andere Zulieferer vergeben wurde.

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Hat Sie das nicht hellhörig gemacht?

Gutaussehend: Das hätte es vermutlich sollen. Und vielleicht gab es ja hier und da eine ganz leise Stimme des Zweifels. Andererseits: Wir waren auf einem aufstrebenden Ast unterwegs. Hey, wir stellen ein, haben wir uns gesagt.

Tatsächlich hat die Geschäftsleitung immer wieder signalisiert, dass händeringend Leute gesucht werden. Fragt in eurem Freundeskreis herum, hieß es. Jeder war aufgefordert, sich Gedanken über mögliche neue Kollegen zu machen.

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Gutaussehend: Klar, das hat jeder gemacht. Man kennt ja immer Leute, die mit ihrem Job unzufrieden sind. Oder die zurück in die Stuttgarter Region wollen. Einige aus dem Bekanntenkreis haben tatsächlich zu Bosch gewechselt.

Stellenabbau bei Bosch: „Man wollte die Motivation so lange wie möglich hoch halten“

Haben Sie ein schlechtes Gewissen, wenn Sie daran denken, dass Menschen vielleicht auch wegen Ihnen zu Bosch gekommen sind?

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Gutaussehend: Ein Stück weit schon. Wobei die Gewissensfrage wohl eher an anderer Stelle zu stellen wäre.

Gutaussehend: Ich glaube, das Management hat viel zu lange die Augen vor den Tatsachen verschlossen. Es ist jedenfalls viel zu spät bis auf die Mitarbeiterebene kommuniziert worden, wie schlimm es um das Unternehmen wirklich steht.

Was könnte der Grund dafür sein?

Gutaussehend: Die nette Antwort wäre: Man wollte uns schützen.

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Gutaussehend: Man wollte die Motivation so lange wie möglich hoch halten. Bloß keine Abwanderung riskieren. Schließlich sind es oft die Besten, die als Erste gehen, sobald der Wandel spürbar wird.

Gutaussehend: Es gibt durchaus eine große Wut in der Belegschaft, über das Nicht-Eingestehen von Fehlern seitens der Geschäftsführung, ja. Vor einigen Wochen gab es erstmals vorsichtige Äußerungen in diese Richtung. Sinngemäß: Vielleicht hat es in der Vergangenheit strategische Fehlentscheidungen gegeben. Ja, denkt man sich. Schon vor zwei oder sogar drei Jahren!

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„Wenn bei einem der Job wegbricht, ist unser Familieneinkommen in Gefahr“

Gehen Sie davon aus, dass Ihr Job wegfallen wird oder sehen Sie eher, dass es für Sie weitergeht?

Gutaussehend: Man will natürlich hoffen, aber klar bin ich in Sorge. Mein Mann arbeitet genau wie ich bei Bosch. Die Wahrscheinlichkeit, dass einer von uns gehen muss, ist realistisch gesehen sehr hoch.

Im Nachhinein ist es unglücklich, dass wir beide auf ein Pferd gesetzt haben. Wenn bei einem der Job wegbricht, ist unser Familieneinkommen in Gefahr. Mit nur einem Verdienst wird unser Leben ein von Grund auf anderes sein.

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Und ich wüsste nicht, wo ein zweiter Job herkommen sollte. Weder hier in der Region Stuttgart noch anderswo in Deutschland. Die wirtschaftliche Lage ist schließlich gerade überall schwierig.

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Gutaussehend: Wir haben eine kleine Tochter, drei Jahre alt. Ich versuche alles zu tun, um unser Kind vor der schlechten Stimmung zu schützen, die von der derzeitigen Situation ausgeht. Ich bin schon länger dabei, versuche ich mich zu trösten.

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Ich bringe in bestimmten Bereichen Erfahrung mit. Damit bin ich vielleicht nicht die Erste auf der Abschussliste. Aber machen wir uns nichts vor: Wenn die Hälfte aller Bosch-Mitarbeitenden gehen muss, kann es auch für so jemanden wie mich ganz schnell gehen…

„Jeder will sich profilieren. Irgendwie unersetzlich sein“

Wie ist die Stimmung im Unternehmen? Was treibt die Kolleginnen und Kollegen um?

Gutaussehend: Die nackte Existenzangst, das kann man nicht anders sagen. Die enorme Anspannung macht sich vor allem durch Leistungsdruck bemerkbar.

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Gutaussehend: Aus dem jungen, dynamischen, hochmotivierten Team, das Zukunft gestalten wollte, sind lauter Einzelkämpfer geworden. Jeder will sich profilieren. Irgendwie unersetzlich sein. Man glaubt wohl, dass sich dadurch die Chance erhöht, bleiben zu können.

Und wie darf man sich dieses Profilieren und den Kampf um die Unersetzbarkeit konkret vorstellen?

Gutaussehend: Da wird zum Beispiel Wissen nicht weitergegeben. Wo man Kolleginnen und Kollegen im Falle von Krankheit oder Urlaub bisher gut vertreten hat, wird das jetzt ganz bewusst nicht mehr gemacht. So, dass der Schmerz, der durch die Lücke entsteht, besonders stark ankommt.

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„Ich kann kaum glauben, wie sich die Stimmung hier in so kurzer Zeit verändert hat“

Wo soll der Schmerz denn ankommen?

Gutaussehend: Na ja, dem Chef fällt das natürlich auf, wenn die Aufgaben nicht erledigt sind…

Ein Minus für den fehlenden Mitarbeitenden und ein Plus für den, der eben nicht krank oder im Urlaub war?

Gutaussehend: So ungefähr. Ich kann wirklich selbst kaum glauben, wie sich die Stimmung hier in so kurzer Zeit verändert hat. Noch vor zwei Jahren war die Stimmung super offen, die Menschen waren gut drauf, herzlich. Nach der Arbeit ist man oft noch auf ein Bier gegangen oder hat zusammen Sport getrieben. Teamspirit wurde großgeschrieben, auch von Seiten der Unternehmensführung…

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… die diesen Spirit mit entsprechenden Maßnahmen gefördert hat?

Gutaussehend: Aber ja, das Fördern war insgesamt ein großes Thema. Wir durften viele Geschäftsreisen ins Ausland machen, bekamen hochkarätige Schulungen: tolles Hotel, tolle Trainer. Um nur ein Beispiel für eine Vielzahl von Incentives zu geben.

„Auch mein Mann und ich dachten, wir bleiben hier bis zur Rente“

Ein Beispiel neben dem berühmten Obstkorb, den der Betriebsratsvorsitzende im Interview angesprochen hat?

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Gutaussehend: Obst gab es reichlich. Und Sommerfeste. Und Weihnachtsfeiern. Das alles ist in den letzten Jahren komplett weggefallen. Beziehungsweise, es lief schon noch was, aber auf Basis von Privatinitiative. Mit Mitarbeiterselbstzahlung. Nicht mal jeder Zweite ist gekommen.

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Eine Weihnachtsfeier „auf Basis von Privatinitiative“ – wie darf man sich das vorstellen?

Gutaussehend: Da wird halt irgendwas reserviert. Beim letzten Mal in einer Bowling-Sportsbar. In solchen Momenten wird einem so richtig bewusst, wo die Reise hingeht und dass die Grablichter und Friedhofskerzen bei der Betriebsversammlung Ende des Jahres keineswegs übertrieben waren.

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Nüchtern betrachtet beerdigen hier gerade viele ihre Jobs. Wohlgemerkt: Bei einem Unternehmen, das noch vor kurzem als super sicher galt. Bosch, das lief ja fast unter Beamtentum. Auch mein Mann und ich dachten, wir bleiben hier bis zur Rente. Und nicht nur wir dachten das. Dass wir den Zuschlag für unsere Wohnung bekommen haben, lag definitiv an unserem doppelten Bosch-Einkommen. Damit war klar, die Bank würde uns einen Kredit geben. Egal wie.

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„Der Stress durch die permanente Angst ist das eine. Das andere ist die Perspektivlosigkeit“

Wie motivieren Sie sich, wenn Sie jetzt morgens zur Arbeit gehen?

Gutaussehend: Bei mir geht es noch, ich habe noch Aufgaben. Bei vielen Kollegen sind die Aufgaben weggefallen. Die haben irgendwelche Pseudoprojekte bekommen.

Es verwundert nicht, dass die Langzeiterkrankungen sprunghaft ansteigen. Ich höre viel von Krankheiten, die stressbedingt sind. Burn-out, Bandscheibenvorfälle… Der Stress durch die permanente Angst ist das eine. Das andere ist die Perspektivlosigkeit.

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Gutaussehend: Auf eine Art natürlich schon, aber die Perspektivlosigkeit wiegt gefühlt noch schwerer, finde ich. Das geht über die konkrete Situation, über unseren Standort und auch über das Unternehmen Bosch hinaus.

Gutaussehend: Schauen wir uns doch mal an, in was für einem Umfeld unser Kind aufwächst. In der Kita, die unsere Tochter besucht, ist fast jede Familie betroffen. Mindestens einer, der Vater oder die Mutter, arbeitet in der Autoindustrie. Der Großraum Stuttgart hängt nun mal am Auto. Viele hier in der Gegend haben das, glaube ich, noch nicht so richtig kapiert.

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„Wenn sich eine ganze Region verändert, ist die Infrastruktur in Gefahr“

Wie kommen Sie darauf?

Gutaussehend: „Zum Glück trifft es mich nicht“ oder „Meine Branche steht gut da“ – so oder ähnlich äußern sich Bekannte, wenn sie mitbekommen, was bei uns los ist. So habe ich das vor kurzem auch noch gesehen, denke ich mir dann.

Jetzt denke ich mir: Wenn ganz viele wegziehen, weil es hier keine Jobs mehr gibt, braucht es schon bald nicht mehr in dem Maße Bäcker und Kitas und Freibäder und das betrifft natürlich nicht nur Leute wie uns „Boschler“, sondern alle.

Wenn sich eine ganze Region verändert, oder sagen wir es ruhig, zusammenbricht, ist die Infrastruktur in Gefahr. Da gibt es keine Gewinner und Verlierer, alle sitzen gewissermaßen im selben Boot. Das sehen wir übrigens gerade auch hier im Unternehmen.

Gutaussehend: Ich habe den Eindruck, dass es dem oberen Management im Moment noch ganz gut geht. Aber das mittlere Management ist inzwischen auch von der Abbauwelle betroffen.

Von denen, die bis zuletzt gesagt haben „so schlimm ist es nicht“ kommen jetzt plötzlich Äußerungen wie „wir sind alle vogelfrei“. Ja, möchte man antworten. Und: Es wäre für uns alle besser gewesen, ihr hättet das mal früher gesagt.

*Name von der Redaktion geändert

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