Paris. Dominique Pelicot verbüßt wegen des Missbrauchs an seiner Frau die Höchststrafe. Nun fordert seine Tochter Gerechtigkeit für sich selbst.
Caroline Darian will endlich Klarheit haben. Die 46-jährige Französin reichte am Mittwoch im Pariser Vorort Versailles Anzeige gegen ihren Vater Dominique Pelicot ein. Sie ist überzeugt, dass er sie in ihrer Jugend ebenfalls betäubt und missbraucht hatte, wie er es erwiesenermaßen mit seiner Ehefrau, ihrer Mutter, getan hat. Polizei und Justiz seien diesem Vorwurf aber nie nachgegangen, erklärte Darians neue Anwältin am Mittwoch.
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Bei dem historischen Prozess in Avignon erhielt Dominique Pelicot (72) für die Massenvergewaltigungen an seiner Frau, die er rund 70 weiteren Männern zuführte, eine Haftstrafe von zwanzig Jahren. Gisèle Pelicot wurde in dem fast viermonatigen Prozess zur Ikone im Kampf gegen sexuellen Missbrauch.
Pelicot verschickte Fotos seiner Tochter an Internetbekanntschaften
Caroline fühlte sich während des Prozesses im Schatten ihrer Mutter. Ihr eigener Vergewaltigungsvorwurf gegen ihren Vater Pelicot sei jedoch nie geprüft worden, so ihr Vorwurf. Als Beleg führt sie Fotos von ihr als Mädchen an, die ihr Vater erstellt hatte. Darauf trägt Darian eine fremde Unterhose; auf dem Bett liegt sie offensichtlich bewusstlos in der gleichen Stellung, in der Dominique Pelicot jeweils auch seine – heute geschiedene – Gattin platziert hatte, bevor er sie vergewaltigte. Dass die Fotos von Caroline aus verschiedenen Wohnorten der Familie stammen, ist für die Klägerin ein Beweis, dass ihr Missbrauch über eine längere Zeitspanne dauerte.
Im Prozess in Avignon erklärte Dominique Pelicot die Existenz dieser Bilder damit, dass ihn einer seiner männlichen Internetbekannten darum gebeten habe. Er bestritt, sich je an seiner einzigen Tochter vergangen zu haben. Während der Gerichtsverhandlung schrie sie ihm in einem der dramatischsten Prozessmomente zu: „Du lügst!“
Pelicot-Tochter erhebt Vorwürfe gegen Mutter
Am Mittwoch stellte Caroline Darian auch ihr zweites Buch vor, das die „chemische Unterwerfung“ thematisiert. So nennt man in Frankreich den Tatvorwurf der Vergewaltigung unter Betäubung. In einem Interview führte Darian aus, dass zahllose Frauen noch Jahre später nicht über die Tat hinwegkämen oder sie gar nicht erst zur Anzeige brächten, weil sie wegen der Betäubung nicht recht wüssten, was passiert sei. „Ich möchte in diesem absoluten Drama des Schweigens meinerseits vorankommen“, begründete sie die Einreichung ihrer Klage. „Ohne das Geständnis von Dominique Pelicot wird mir dieser absolute Zweifel bleiben.“
Beim Vergewaltigungsprozess gegen Dominique Pelicot in Avignon erschienen die Geschädigte, Gisèle Pelicot (l.), und ihre Tochter, Caroline Darian (r.), anfangs noch gemeinsam vor Gericht. Doch ihr Verhältnis scheint erkaltet.
© picture alliance/dpa/MAXPPP | Dauphin Philippe
Noch schmerzhafter werde die Ungewissheitweil ihre eigene Mutter dazu in dem Prozess geschwiegen habe, meinte die Buchautorin. Gisèle Pelicot (72) hatte sich zu dem Verdacht ihrer Tochter Caroline nie öffentlich geäußert. Bei der Urteilsverkündung saßen die beiden Frauen getrennt im Gerichtssaal, ohne sich zu begrüßen. Mutmaßlicher Inzest habe die Familie zerstört, führte Darian in dem Radiointerview aus. „Auch wenn meine Mutter wollte, sie kann ihn (den Inzest, Anm. d. Red.) gar nicht anerkennen.“
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Gegen Dominique Pelicot laufen unabhängig von der Inzest-Klage Strafverfahren wegen des Mordes und des versuchten Mordes an zwei Immobilienagentinnen. Eine Frau soll er mit Äther betäubt, vergewaltigt und dann erstochen haben. Eine zweite Agentin konnte sich retten.