Eine ausgewogene Ernährung stärkt das Immunsystem. Studien zeigen, wie gezielte Nährstoffe die Abwehrkräfte unterstützen.
In den letzten Jahren haben Wissenschaftler begonnen, die Auswirkungen der Ernährung auf das Immunsystem genauer zu untersuchen. Besonders die Rolle der Ernährung bei der Förderung der Gesundheit und der Bekämpfung von Krankheiten steht dabei im Fokus.
Behauptungen, die Ernährungsgewohnheiten wie intermittierendes Fasten oder der Verzicht auf bestimmte Nahrungsmittel zur Verbesserung des Immunsystems empfehlen, sind weit verbreitet. Doch viele dieser Versprechen basieren auf begrenzten wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Fortschritte in der Forschung
Die tatsächlichen wissenschaftlichen Grundlagen vieler dieser Aussagen sind oft schwach, da es eine große Herausforderung darstellt, den Zusammenhang zwischen Ernährung und Immunsystem langfristig und präzise zu erforschen. Besonders Studien an Tieren liefern häufig nicht übertragbare Ergebnisse auf den Menschen.
Trotz dieser Schwierigkeiten entwickeln Forscher seit etwa fünf Jahren neue Methoden, um die Effekte bestimmter Nahrungsmittelgruppen auf das Immunsystem genauer zu untersuchen. Dies ermöglicht eine tiefere Einsicht in die molekularen Mechanismen, durch die Ernährung das Immunsystem beeinflusst.
Wissenschaftler, darunter Francesco Siracusa vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, sehen großes Potenzial in der personalisierten Ernährung, die sich in den letzten Jahren rasant entwickelt hat, wie Nature berichtet. „Wir lernen viel darüber, wie man das Immunsystem mit einzelnen Komponenten oder Kombinationen von Lebensmitteln beeinflussen kann“, sagt Siracusa.
Er sieht in der personalisierten Ernährung eine mögliche Therapieform, die auf individuelle Bedürfnisse abgestimmt ist.
Was ist personalisierte Ernährung?
Personalisierte Ernährung zielt darauf ab, die spezifischen gesundheitlichen Bedürfnisse eines Einzelnen zu berücksichtigen und das Immunsystem gezielt zu unterstützen. Anders als bei allgemeinen Ernährungsempfehlungen, die für die breite Bevölkerung gelten, untersucht die personalisierte Ernährung, wie unterschiedliche Menschen auf bestimmte Lebensmittel reagieren.
Dabei spielen genetische Faktoren, der individuelle Stoffwechsel und sogar die Darmflora eine zentrale Rolle.
Fett und Ballaststoffe entscheidend
Die Rolle von Fett und Ballaststoffen bei der Immunantwort hat in den letzten Jahren besonders viel Aufmerksamkeit erhalten. Steven Van Dyken von der Washington University School of Medicine hat gezeigt, dass ein bestimmter Ballaststoff, Chitin, der in Pilzen, Krustentieren und essbaren Insekten vorkommt, das Immunsystem auf positive Weise beeinflussen kann.
Seine Studien an Mäusen ergaben laut Nature, dass eine chitinreiche Ernährung den Magen der Tiere stark ausdehnte und dadurch das Immunsystem aktivierte.
Interessanterweise führte die Blockade eines Enzyms, das Chitin abbaut, dazu, dass die Mäuse weniger Gewicht zunahmen, weniger Körperfett hatten und eine bessere Insulinsensitivität entwickelten. Dies könnte darauf hindeuten, dass Chitin und die Immunantwort darauf eine Rolle bei der Regulierung des Stoffwechsels spielen könnten – eine vielversprechende Grundlage für zukünftige Therapien gegen Fettleibigkeit.
Fasten kann Krankheitsrisiko senken
Nicht nur was wir essen, sondern auch wann wir essen, beeinflusst unser Immunsystem. Zahlreiche Studien belegen, dass Fasten eine positive Wirkung auf die Gesundheit haben kann. Forscher fanden heraus, dass das Fasten das Risiko für Krankheiten wie Bluthochdruck, Atherosklerose, Diabetes und Asthma senken kann. Auch hier scheint das Immunsystem eine entscheidende Rolle zu spielen.
Cheng Zhan, ein Neurowissenschaftler an der Universität für Wissenschaft und Technologie in China, hat eine Gruppe von Neuronen im Hirnstamm identifiziert, die das Immunsystem regulieren. In einer Studie zeigte er, dass diese Neuronen durch Fasten aktiviert werden und T-Zellen in das Knochenmark zurückziehen, was das Immunsystem kurzfristig „neu ordnet“.
Zhan glaubt, dass diese Neuronen auch durch elektrische Stimulation oder andere Verfahren aktiviert werden könnten, um die positiven Effekte des Fastens zu nutzen, ohne dass die Menschen tatsächlich auf Nahrung verzichten müssen. Diese Erkenntnisse könnten in Zukunft zu neuen Therapien führen, die das Immunsystem gezielt beeinflussen.
Allerdings warnen Wissenschaftler auch davor, dass übermäßiges Fasten negative Folgen haben kann, wie eine übermäßige Ansammlung von Immunzellen, die Entzündungen auslösen können.
Filip Swirski, ein Immunologe an der Icahn School of Medicine in New York, fand in einer Studie heraus, dass nach längeren Fastenzeiten eine große Menge an Immunzellen in den Blutkreislauf strömt, was zu schädlichen Entzündungen führen kann. Er betont daher, dass Fasten in Maßen durchgeführt werden sollte, um das Immunsystem nicht zu überlasten.
Ernährungsumstellungen mit großem Einfluss auf Immunsystem
Studien zeigen, dass schon kurzfristige Änderungen der Ernährung das Immunsystem stark beeinflussen können. Siracusa und sein Team führten ein Experiment durch, bei dem Mäuse im Wechsel eine fettreiche und ballaststoffarme sowie eine normale Ernährung erhielten.
Bereits nach drei Tagen auf der fettreichen Diät war das Immunsystem der Mäuse geschwächt und sie waren anfälliger für Infektionen. „Es war überraschend zu sehen, dass sich das Immunsystem in so kurzer Zeit so drastisch verändert“, sagt Siracusa.
Als Siracusa sechs menschliche Probanden bat, von einer ballaststoffreichen auf eine ballaststoffarme Ernährung umzustellen, beobachtete er ähnliche Auswirkungen auf deren T-Zellen wie zuvor bei den Mäusen. Diese Effekte waren jedoch, ähnlich wie nach einem üppigen Festmahl, nur vorübergehend.
Dennoch ist Siracusa der Ansicht, dass die Untersuchung dieser frühen immunologischen Reaktionen auf Ernährungsänderungen wertvolle Hinweise auf die Ursachen chronischer Immunerkrankungen liefern könnte. Dennoch warnt er, dass solche Studien nur erste Anhaltspunkte liefern und nicht unmittelbar auf den Menschen übertragbar sind.
Übertragung der Erkenntnisse auf Menschen schwierig
Wie Nature berichtet, gestaltet sich die Übertragung solcher Erkenntnisse auf den Menschen schwierig, da es herausfordernd ist, die Ernährung von Studienteilnehmern langfristig und präzise zu kontrollieren. Kevin Hall vom US National Institute of Diabetes and Digestive and Kidney Diseases entwickelte ein spezielles Experiment, bei dem Teilnehmer unter strenger Kontrolle in einem Krankenhaus verschiedene Diäten befolgten. Dabei konnten die Auswirkungen der Ernährung auf das Immunsystem genau gemessen werden.
Die Ergebnisse zeigen, dass sowohl eine ketogene Diät, die reich an tierischen Produkten ist, als auch eine vegane, fettarme Diät das Immunsystem unterschiedlich beeinflussen. Bei der ketogenen Diät wiesen die Teilnehmer erhöhte Werte und Aktivität von T- und B-Zellen auf, die Teil des adaptiven Immunsystems sind, das eine „präzise“ Reaktion auslöst, die bestimmte Feinde erkennt.
Bei den Teilnehmern mit veganer Ernährung zeigten sich verstärkte angeborene Immunreaktionen, die schneller und weniger spezifisch sind als adaptive Reaktionen.
Wissenschaftler wie Siracusa und Belkaid glauben, dass sich die Forschung zu Ernährung und Immunsystem in den nächsten Jahren deutlich weiterentwickeln wird. Das langfristige Ziel sei es, personalisierte Ernährungspläne zu entwickeln, die gezielt auf die Bedürfnisse von Menschen mit verschiedenen Erkrankungen eingehen.
Was Sie sich merken sollten:
- Eine ausgewogene Ernährung kann das Immunsystem positiv beeinflussen und gezielt stärken.
- Personalisierte Ernährung berücksichtigt individuelle Bedürfnisse und kann bei der Behandlung von Krankheiten helfen.
- Studien zeigen, dass schon kurzfristige Ernährungsumstellungen das Immunsystem erheblich beeinflussen können.
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