Berlin. Ein schwarzer Samurai sorgt im beliebten Videospiel „Assassins Creed“ für mächtig Wirbel. Ein Archäologe sagt, ob Schwindel dahinter steckt.
Der von Millionen Spielefans heiß ersehnte Veröffentlichungstermin, er musste wieder und wieder verschoben werden. Die Gaming-Gemeinde hat lange ausharren müssen, was im Vorfeld für einiges an Aufruhr sorgte. Nun ist er endlich erschienen: der neueste Titel der weltweit erfolgreichen Videospielreihe „Überzeugung eines Attentäters“ namens „Shadows“. Der Schauplatz diesmal: Das feudale Japan mitsamt Tempeln, Samurai-Kriegern, fiesen Intrigen und blutigen Machtkämpfen.
Nach wie vor erhitzt jeder neue Teil der millionenfach verkauften Serie mit einer wechselnden offenen Spielwelt weltweit die Gemüter, wenn es um die Frage geht: Wie historisch glaubwürdig ist die Darstellung der Kulturen im Spiel oder – oder haben die Entwickler im Sinne der Unterhaltung wieder einiges zurechtgebogen?
Aus Archäologen-Sicht will ich hier darauf eingehen, warum ich den Kulturenstreit im Spiel für eine unsinnige Diskussion halte, welche „Skandal“ es um „Assassin‘s Creed“ bereits gab und was beim neuesten Ableger die Gemüter erhitzt hat.
Assassin‘s Creed Shadows in Japan: Archäologe erklärt historischen Hintergrund
Doch von vorn: Das brandneue „Assassin’s Creed Shadows“ ist bereits der 14. Titel der Hauptspiele innerhalb der „Assassin’s Creed“ -Reihe. Ich habe den ersten Teil damals 2007 ausgiebig bei einem Freund auf seiner Xbox getestet und bin seitdem ein großer Fan der Serie. Den Großteil der Reihe habe ich auch gespielt – zuletzt das Wikinger thematisierende „Valhalla“. Im neuen Spiel befinden wir uns jetzt in Japan im Jahr 1579. Historisch markiert dieser Zeitraum den Übergang von der Sengoku-Zeit in die Azuchi-Momoyama-Zeit.
Abonnieren Sie den Meistgelesen-Newsletter der WAZ
Das Beste vom Tage in einer Mail: Melden Sie sich jetzt für den kostenlosen Meistgelesen-Newsletter der WAZ an.
Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der
Werbevereinbarung
zu.
Japan wurde in der Sengoku-Zeit von Familien und einzelnen Fürsten regiert, die gegeneinander um die Vormachtstellung kämpften. Sie wird deshalb auch die „Zeit der streitenden Reiche“ genannt. Am Ende dieses Bürgerkriegs gehen Oda Nobunaga, Tokugawa leyasu und Toyotomi Hideyoshi siegreich hervor.
Auch interessant
Die anschließende Azuchi-Momoyama-Zeit wird dementsprechend auch „Zeit der drei Reichseiniger“ genannt. Im Jahr 1600 ist Tokugawa leyasu in einer weiteren Schlacht siegreich und stellt nun den obersten Feldherren (Shōgun) Japans dar. Er sicherte seine Stellung durch die Einführung eines strengen Ständesystems sowie einer zentralen Regierung. Die frühe Neuzeit Japans beginnt mit dieser Edo-Zeit und endet dann 1868.
Samurai in Assassin‘s Creed: Rassismus-Wirbel um brachiale Hauptfigur
In „Assassin’s Creed Shadows“ spielt vor allem die Ankunft der Portugiesen während des Bürgerkriegs eine wichtige Rolle. Diese waren in erster Linie als christliche Missionare unterwegs, brachten aber auch die ersten Feuerwaffen nach Japan. Über sie gelang auch ein Mann afrikanischer Herkunft namens Yasuke in das Land. Er stellt einen der beiden Hauptcharaktere im Spiel dar, zwischen denen der Spieler hin und her wechseln kann.
Samurai als umstrittene Hauptfigur: Der Spieldesigner von „Assassins Creed Shadows“, Pierre-Luc Fontaine, bei der Vorstellung des Spiels neben einer lebensgroßen Figur des Hauptcharakters Yasuke.
© AFP | ANDREJ IVANOV
Über Yasuke ranken sich viele Mythen, Legenden, aber auch viele eindeutige Falschaussagen. Fakt ist dennoch, dass es ihn gegeben hat, wie einige wenige überlieferte schriftliche Quellen zeigen. Dieser reale Bezug ist für „Assassin’s Creed“ schonmal eine Besonderheit. Es wird angenommen, dass Yasuke zunächst als Sklave aufwuchs, eventuell auch als Sklave nach Japan kam. Er wird als Schwertträger des oben genannten Oda Nobunaga erwähnt, was sicherlich etwas sehr Besonderes darstellt.
Ob Yasuke deshalb gleich als Samurai gilt, sorgt nach wie vor für viel Streit im Netz. Der Wirbel um den Hauptcharakter hat leider in den allermeisten Fällen auch sehr viel mit Rassismus zu tun hat. Vor allem die japanischen Fans der „Assassin’s Creed“-Reihe äußern hier ihren Unmut, welcher wiederum von zahlreichen Rassisten weltweit geteilt wird. Auch ist mir klar, dass man nicht gleich ein Rassist ist, nur weil man sich die Frage stellt, ob es im Spiel nicht auch ein „klassischer“ Japaner hätte sein können. Ich werde diese schwierige Diskussion hier nicht weiter ausführen – dennoch reiht sich an dieser Stelle perfekt die Frage ein, wie historisch authentisch das Spiel tatsächlich ist.
Japan: Streit um Tempel-Schändungen schwappt sogar bis ins Parlament
Immerhin: Mit Yasuke haben wir hier eine historisch belegte Person, die meiner Meinung nach eine spannende Basis mit sich bringt, auf der man viel aufbauen und entwickeln kann. Durch zahlreiche Videos, die sich mittlerweile sachlich mit ihm beschäftigt haben, konnten auch zahlreiche falsche Übersetzungen und ungeprüfte Abschriften korrigiert werden. Der Streit ums Spiel schwappte sogar bis ins japanische Parlament: Dort kam im März Unmut darüber auf, dass die im populären Spiel dargestellten Tempel und Schreine von böswilligen Spielern geschändet oder beispielsweise ein Kaisergrab geplündert werden können.
Lesen Sie auch: Sensationsfund in Japan – ältestes Schwert der Welt überraschend entdeckt
Zwar hat der Hersteller vor Erscheinen des Spiels nachgebessert und solchen virtuellen Zerstörungen einen Riegel vorgeschoben. Dennoch: Jede Menge Details wurden von vielen Personen bis ins Kleinste in diversen Beiträgen im Netz analysiert und diskutiert.
Papst als Endgegner: Bei Assassin‘s Creed wird mit zweierlei Maß gemessen
Bei dem bereits genannten Wikingerteil der Serie hatte offenbar niemand Probleme damit, Klöster zu plündern und in Brand zu stecken. Rüstungen, die die TV-Serie „Vikings“ wie eine Fünf-Sterne-Dokumentation aussehen lassen, wurden ebenfalls nicht kritisiert. Antike Gräber zu plündern, um an legendäre Waffen und Rüstungen zu kommen, ist essenzieller Teil aller Spiele der Reihe. Auch, dass Spieler einst den Papst als Endgegner vermöbeln musste, ist anscheinend längst vergessen. Dies soll hier nur ein kurzes Beispiel sein, um zu zeigen, wie mit zweierlei Maß gemessen wird, wenn es um historische Authentizität, Narrative und vor allem Populismus geht.
Offensichtlich ist: Bei keinem einzigen „Assassin’s Creed“ handelt es sich um ein spielerisches Abbild unserer Geschichte. Die Teile fußen auf wichtigen und vor allem interessanten Auszügen der menschlichen Vergangenheit – gewürzt mit einer Prise an Verschwörungen und Geheimbünden. In den Spielen kommen historische Personen vor, bekannte Gebäude und Orte. Man könnte auch von historischen Eastereggs sprechen, also versteckten Besonderheiten im Spiel. Dennoch bleibt die Serie eine Fantasyreihe, dem sollte sich jeder bewusst sein – so wie bei beispielsweise bei „Indiana Jones“ auch.
Assassin‘s Creed Shadows: Darum zögert der Archäologie-Experte noch
Ich finde die ersten veröffentlichten Videos mit echten Spielszenen sehr schön. Auch die zweite Hauptfigur, die weibliche Ninja (Shinobi) Naoe, wirkt interessant und bildet spielerisch den perfekten Gegenpart zum Haudrauf-Samurei Yasuke. Selbst gespielt habe ich das Spiel „Assassin’s Creed Shadows“ bislang noch nicht. Da die letzten Teile der Serie meiner Meinung nach viel zu groß angelegt waren und viel Zeit in Anspruch genommen haben, zögere ich noch, ob ich das Ganze nicht einfach als Zuschauer genieße.
Unser Experte
Ägyptische Pyramiden, entdeckte Schätze, der Alltag der alten Römer und Griechen: Archäologie fasziniert viele Menschen. Konstantin -Karpaten hat seine Leidenschaft zum Beruf gemacht. Der Münchener ist nach seinem Studium an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) seit Kurzem Doktor der Archäologie. Was er in seinem Job erlebt und was die wichtigsten Neuigkeiten aus der Welt der Archäologie sind, erzählt er für uns regelmäßig aus ganz persönlicher Sicht. Außerdem betreibt er die Social-Media-Kanäle „Excavation Time“ und den Podcast „Ausgegraben“.
Mit angeblich bereits zwei Millionen Spielern schlägt „Shadows“ im Verkauf bereits die Vorgänger „Odyssey“ und „Origins“ – liegt aber noch hinter „Valhalla“. Es wird sich zeigen, ob der neueste Ableger mit Japan-Flair den angekratzten Anbieter Ubisoft nach einer Reihe von Misserfolgen noch retten kann.