Berlin. Immer mehr junge Menschen erkranken an Darm- oder Prostatakrebs. Eine Hypothese: zu viel Fastfood. Nun haben Forscher eine weitere Theorie.
In vielen Ländern Europas erkranken immer mehr junge Menschen an Darm-, Prostata- und Blasenkrebs. Besonders auffällig ist das bei den 20- bis 30-Jährigen. Bereits mehrfach sind dafür Bewegungsmangel und schlechte Ernährung verantwortlich gemacht worden. Forscher aus Großbritannien, Norwegen und Finnland haben jetzt eine andere Erklärung.
In der Studie analysierten die Forscherinnen und Forscher vom britischen Wellcome Sanger Institute, den Universitäten Oslo und Helsinki internationale Überwachungsdaten, um in diversen Ländern die Infektionen mit E. coli-Bakterien und deren Stämmen zu analysieren, darunter Großbritannien, Norwegen, Pakistan oder Bangladesch.
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E. coli: Bakterium kann schwere Infektionen verursachen
Das Bakterium E. coli kommt häufig im menschlichen Darm vor. Die meisten Stämme sind harmlos. Wenn das Bakterium jedoch aufgrund eines geschwächten Immunsystems in die Blutbahn gelangt, kann es Infektionen verursachen, die von leicht bis lebensbedrohlich reichen.
Im Besonderen interessierten sich die Wissenschaftler aus Großbritannien, Finnland und Norwegen für zwei Stämme von E. coli-Bakterien, die in Industrieländern häufiger vorkommen und dort vor allem Infektionen der Harnwege verursachen. „Wir haben in den letzten fünf Jahren die Genomik im großen Maßstab genutzt, um E. coli-Stämme in mehreren Ländern zu verfolgen, und dabei Daten verwendet, die bis in die frühen 2000er-Jahre zurückreichen. Dadurch konnten wir beginnen, mögliche Zusammenhänge zwischen zwei E. coli-Stämmen und Krebsinzidenzraten zu erkennen“, sagt der Hauptautor der Studie, Professor Jukka Corander, laut Mitteilung.
Die Forscher vermuten, dass die höhere Rate bestimmter Krebsarten in den Industrieländern zumindest teilweise mit jenen E. coli-Stämmen zusammenhängen, die eine als Colibactin bekannte Substanz produzieren und Schätzungen zufolge mindestens 300 Jahre alt sind.
Krebs: Neuartiger Impfstoff könnte Risiko verringern
Im Jahr 2020 fanden Forscher laut Wellcome Sanger Institute heraus, dass Colibactin DNA-Brüche in menschlichen Zellen verursacht. Darüber hinaus entdeckten sie Hinweise auf Schäden durch Colibactin in Tumorproben von Darmkrebspatienten. Andere Studien haben gezeigt, dass Colibactin die Entwicklung von Prostata- und Blasenkrebs fördern kann.
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Die Produktion von Colibactin erfordert eine genetische Anpassung der Bakterien durch einen sogenannten horizontalen Gentransfer. Diese Art, Eigenschaften weiterzugeben, ist nur schwer zu erreichen. „Aus diesem Grund ist es nur zwei von weltweit Hunderten E. coli-Stämmen gelungen, die Colibactin-produzierenden Gene in den letzten Jahrhunderten stabil zu halten“, teilt das Institut mit.
Die Forscher empfehlen, Maßnahmen gegen die beiden E. coli-Stämme vorzubereiten. Die Entwicklung eines neuartigen Impfstoffs oder probiotischer Produkte könnte dazu beitragen, sie aus dem menschlichen Darm zu verdrängen. Mit dem Ziel, auch das Krebsrisiko zu verringern.