Ihre Patienten sind oft schwer krank. Für Tausende Krebsbetroffene hängt ihr Schicksal an einer der vier onkologischen Praxen in Billstedt, Reinbek, Ahrensburg und Norderstedt (im Hamburger Umkreis). Doch diese Praxen sind selbst in akuter Not. Es drohen medizinische Katastrophen.
„Wir warten seit vier Wochen auf unser Oktobergehalt“, klagt eine Angestellte der Onkologie Norderstedt am Langenharmer Weg vor wenigen Tagen im Gespräch mit der Hamburger Morgenpost.
Jetzt sei das Gehalt zwar mit vierwöchiger Verspätung angekommen, doch ob das Novembergehalt diese Woche ausgezahlt werde, sei ungewiss. Unregelmäßigkeiten gebe es seit Februar. Mal sei das Geld 15 Tage zu spät gekommen, mal 18 Tage.
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Gehälter mit starker Verzögerung bezahlt – Sozial- und Rentenversicherungsbeiträge gar nicht mehr
Außerdem bekomme man seit März die Sozial- und Rentenversicherungsbeiträge nicht mehr gezahlt. „Ich sehe, dass das Geld vom Bruttogehalt abgezogen wird, doch bei der Kranken- und Rentenkasse kommt es nicht an“, berichtet eine weitere Angestellte.
Das ganze Team – egal ob Ärzte, Krankenschwestern, Empfangs- oder Laborpersonal – ist betroffen. Allein dem Versorgungswerk der Ärztekammer Schleswig-Holstein ist seit Juni ein Loch von 46.000 Euro entstanden.
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Reihenweise Kündigungen in Arztpraxen
Manche bringt die Situation in Existenznöte. „Wie sollen wir unsere Miete, Kredite, Auto, Energiekosten bezahlen?“, klagt eine der fünf Angestellten, mit denen die Mopo sprach. „Ich möchte meinen Kindern schon gerne etwas zu Weihnachten schenken.“
Die Situation ist in allen vier Praxen des Unternehmens HOA, Hämatologisch-Onkologische-Allianz Stormarn GmbH, die gleiche. Die Folge: Es gibt reihenweise Kündigungen.
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Angesichts des allgemeinen Mangels an medizinischem Fachpersonal ist es leicht für die Ärzte, Schwestern und MTAs, woanders einen neuen Job zu finden. Das Problem ist allerdings: Sie werden nicht ersetzt.
Zahlreiche Kündigungen: Krebs-Praxen müssen aus Personalnot nachmittags häufig schließen
In Norderstedt bedeutet das, dass der Praxisbetrieb nach der Kündigung von zwei Therapieschwestern und einer Ärztin kaum noch aufrechtzuerhalten ist. Von den verbliebenen neun Angestellten arbeiten mehrere in Teilzeit.
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Nachmittags wird die Praxis nun häufig früher zugemacht. Ein Aushang informiert die Patienten über die schwierige Situation. Neue Patienten werden nicht mehr aufgenommen.
Genau das ist es, was das Personal fast noch mehr belastet als das ausbleibende Gehalt. „Wir können die Patienten doch nicht alleine lassen!“, heißt es dann. Wer krank ist, sei auf kurze Wege angewiesen.
In der Praxis gebe es viele Stammpatienten, bei denen der Krebs immer wieder komme. Es gibt ein großes Vertrauensverhältnis.
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Gerade in einer so schwierigen Situation wie einer Krebserkrankung, die mit großen Ängsten verbunden ist, wolle man die Menschen nicht noch mehr verunsichern, sagen die Angestellten. Und doch könne man die Geschehnisse nicht mehr verbergen.
„Viele Patienten machen sich Sorgen, wie es mit der Praxis weitergeht“, berichtet eine Angestellte. Das mit nach Hause zu nehmen, zusätzlich zu den eigenen Existenzsorgen, sei schwer.
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„Wenn jetzt noch jemand krank werden sollte, bricht alles zusammen“
Das Wohl der Patienten – es steht für alle, die einen medizinischen Beruf ergreifen, im Vordergrund. Deshalb leisten die Mitarbeiter in Norderstedt Überstunden bis zum Umfallen. Ob sie die jemals wieder abbummeln können, wissen sie nicht. Auch nicht, wie sie ihren nächsten Urlaub antreten sollen, ohne die Kollegen massiv zu belasten.
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„Das ist mit meinem Gewissen kaum vereinbar“, sagt eine. „Wenn jetzt noch jemand krank werden sollte, bricht alles zusammen“, eine andere.
Nach Mopo-Informationen geht auch der Vermieter der Praxis leer aus. Seit Monaten flattern Mahnungen zu den Mietrückständen ein. Auch das ist für das Personal ein Zeichen für die finanzielle Misere ihres Arbeitgebers.
Geschäftsführer Sekander Scherzai war zuletzt immer wieder als großer Retter aufgetreten. Der Arzt, der auch die Miamedes MVZ GmbH leitet, erklärte öffentlich, in prekären Stadtteilen wie Steilshoop, die medizinisch unterversorgt sind, neue Praxen zu eröffnen.
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„Er ist einfach abgetaucht. Wir fühlen uns komplett alleine gelassen.“
Außerdem dehnte er sein Engagement auf Pflegeheime aus. Die Beschäftigten in Norderstedt macht das fassungslos.
Vor allem, weil Scherzai Anfragen ihrerseits nicht beantwortet. „Er ist einfach abgetaucht. Wir fühlen uns komplett alleine gelassen.“ Das Vertrauen sei dahin.
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Geschäftsführung beteuert: „Mittlerweile haben wir eine Lösung gefunden.“
Gegenüber der Mopo erklärte Scherzai die Lage in den Krebs-Praxen so: „Die Gesellschaften sind defizitär – so haben wir sie auch aus der Restrukturierung übernommen.“ Von einer Insolvenz könne jedoch keine Rede sein.
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„Leider sind nach Abschluss der Restrukturierung im Jahr 2022 Gläubigerforderungen aufgetaucht, die im ursprünglichen Wirtschaftsplan nicht berücksichtigt waren.“ Man sei deshalb zuletzt auf Querfinanzierungen angewiesen gewesen. Mehrfach sei es zu Liquiditätsengpässen gekommen.
Scherzai zeigt Verständnis für seine Angestellten. Die Situation bedauere er sehr. Aber es gebe einen Lichtblick: „Mittlerweile haben wir eine Lösung gefunden, die Standorte zu konsolidieren und zum Jahreswechsel in eine neue Struktur zu überführen.“ Was genau die Lösung ist – darüber will er noch nicht sprechen.