Mit dem Olympia-Gold auf der Straße hätten wohl die wenigsten gerechnet – allen voran Kristen Faulkner selbst. Nun möchte sich die US-Amerikanerin bei der Tour de France Femmes ihren nächsten Traum erfüllen.
Mit ihren Stars und Stripes auf dem Trikot sticht Kristen Faulkner sowieso aus dem Peloton heraus. Doch auch ihr Weg in den professionellen Radsport ist alles andere als gewöhnlich. Denn vor acht Jahren wusste die US-Amerikanerin noch nicht einmal, wie man richtig auf einem Straßenrad fährt.
Nun darf sich die US-Amerikanerin zweifache Olympiasiegerin nennen. Auf der heutigen Etappe von Valkenburg nach Lüttich wurde die Klassik-Liebhaberin zwar nur Elfte, rückte damit aber auf den vierten Rang insgesamt vor. Gewonnen hat wieder einmal eine Niederländerin, nämlich Puck Pieterse, die sich im Regen knapp vor der gelb-tragenden Demi Vollering durchsetzte.
Olympia-Überraschung Faulkner
Faulkner wird es verkraften können, die Fahrerin vom Team EF-Oatly-Cannondale befindet sich nämlich immer noch auf Wolke sieben. Kein Wunder, denn Faulkner sorgte für einen der Momente bei den Olympischen Spielen in Paris, als sie im Straßenrennen quer durch die französische Metropole den Top-Favoritinnen wie Marianne Vos, Lotte Kopecky oder Elisa Longo Borghini den Olympiasieg wegschnappte. Nur wenige Tage später holte sie sich auf der Bahn auch noch ihre zweite Goldmedaille ab.
Damit war Faulkner nicht nur die erste US-Amerikanerin seit 40 Jahren, die eine Olympiamedaille auf der Straße holte; sie wurde auch zur erst dritten Sportlerin überhaupt, der es gelang, in verschiedenen Disziplinen bei Olympia erfolgreich zu sein. Spricht man mit Faulkner, merkt man schnell, dass sie immer noch fassungslos angesichts ihrer Ausbeute ist. “Ich habe immer davon geträumt, eines Tages eine Medaille bei den Olympischen Spielen zu gewinnen, aber zwei Goldmedaillen sind mehr, als ich je erwartet hatte”, sagte die 31-Jährige der Sportschau überglücklich.
Aus Harvard in den Profisport
Wenig überraschend, denn Faulkner sitzt erst seit rund acht Jahren im Sattel. Begonnen hatte alles in New York, wohin sie nach ihrem Informatikstudium zog und wo sie an einem Einführungskurs für Frauen teilnahm. Das Feuer war bei Faulkner entfacht. 2020 entschied sich die US-Amerikanerin schließlich, als Voll-Profi an den Start zu gehen – auch wenn sie im ersten Jahr noch Vollzeit bei einer Investmentfirma arbeitete.
Seitdem krönte sich Faulkner unter anderem zur panamerikanischen Meisterin im Zeitfahren, gewann den Frühjahrsklassiker Omloop van het Hageland sowie eine Etappe bei der Vuelta Espana Femenina. Dass sie in der kurzen Zeit solche Erfolge feiern durfte, führt sie auf ihre körperliche Fitness zurück. Diese hat sie sich beim Rudern erarbeitet, 2010 wurde sie sogar dort Junioren-Weltmeisterin.
Eine Rechnung mit der Tour offen
In der Karriere von Faulkner lief allerdings nicht immer alles rund. Vor allem mit der Tour de France Femmes hat die zweifache Olympiasiegerin eine Rechnung offen. Zwar war sie vor zwei Jahren bei der Premieren-Ausgabe schon einmal am Start, nach mehreren Stürzen zu Beginn sowie einer Corona-Erkrankung in der Vorbereitung beendete sie die Rennwoche abgeschlagen lediglich auf dem 40. Platz.
Schlimmer kam es im vergangenen Jahr, als ihr die Tour-Teilnahme ganz versagt blieb. Grund war ein Trainingsunfall, bei dem sie von einem Auto angefahren wurde und sich das Knie brach. Umso glücklicher ist die in Alaska geborene Fahrerin, in diesem Jahr gesund am Start zu stehen und ihr Bestes geben zu können. Denn neben dem Olympiasieg sei ihr großer Traum, einen Etappensieg bei der Tour de France Femmes zu holen.
Müde Beine nach Olympia
Nach den Sprintetappen zu Beginn, kommt nun auch endlich das hügelige Terrain, in dem sich Faulkner wohlfühlt. Insbesondere die kurzen, knackigen Anstiege seien wie für sie gemacht, nachdem sie im Vorfeld der Olympischen Spiele gezielt an ihrer Schnelligkeit und Schnellkraft gearbeitet habe. Damit hoffe sie, ihren Teamkolleginnen helfen zu können, sie selbst schiele nämlich nicht auf das Gesamtklassement.
Eher wolle man einen Etappensieg für das Team erreichen. Das wäre nach Erfolgen bei der Vuelta sowie dem Giro d’Italia etwas ganz Besonderes. Ob sie selbst dafür in Frage kommt, das bezweifelt sogar sie selbst. Denn Faulkner verspürt eine gewisse Müdigkeit, die Anstrengungen von Paris haben ihre Spuren hinterlassen. “Die ersten Tage waren wirklich herausfordernd, aber es wird jeden Tag besser”, so Faulkner im Interview. Deshalb kann man auf Donnerstag gespannt sein, denn auch die fünfte Etappe von Bastogne nach Amnéville sollte ihr liegen.