Im deutschen Twitch gibt es eine heftig geführte Debatte darum, was die wichtigsten Mitarbeiter von Twitch-Streamern verdienen sollten, wenn der YouTube-Kanal, den sie betreuen, viral geht. Der Streamer Trymacs erklärt, warum er Cutter zwar prozentual an einem Erfolg beteiligt, aber eben nur bis zu einem gewissen Grad, dann muss das gedeckelt werden. Als sich ein Cutter darauf nicht einlassen wollte, habe er sich eben einen neuen gesucht.
Das ist die Grundlage der Debatte: Eine Vielzahl von Content-Creators, ob MontanaBlack, Trymacs oder Asmongold, verdienen heute auf eine etwas seltsame, zweispurige Art ihr Geld. MontanaBlack hat mal aufgeschlüsselt, wie genau er sein Millionen Euro im Jahr verdient:
Die Streamer selbst sind großteils auf Twitch aktiv, in langen Livestreams, in denen sie mit anderen Content-Creators oder dem Chat interagieren. Sie reagieren auf Videos, spielen Games oder chatten einfach.
Das eigentliche Geld verdienen sie aber nicht auf Twitch, sondern auf YouTube, wo Werbung viel mehr Geld wert ist.
Andere Leute, Cutter, schauen sich ihre Twitch-Streams an, machen daraus Videos oder Clips und laden diese dann selbstständig auf YouTube hoch. Das Geld durch diese Videos, meist die Haupteinnahmequelle, bekommt dann der Streamer.
Der Streamer macht aber auch spezielle Videos nur für YouTube, die der Cutter dann auch aufbereitet, hier sind häufig sogenannte Placements, direkt geschaltete Werbung, enthalten.
Mein Cutter wird nicht mehr verdienen als ein Chefarzt in Detuschland
Das ist die entscheidende Szene, um die es geht: Die aktuelle Diskussion im deutschen Twitch löste eine Szene aus, in der über das Gehalt eines Cutters gesprochen wurde.
Laut Max Schradin, der noch relativ neu auf Twitch ist, dürfe ein Cutter nicht mehr verdienen als ein Chefarzt in Deutschland. Der Cutter solle zwar fair und sehr gut bezahlt werden, man könne aber einem Cutter nicht 30 % eines gut laufenden Kanals abgegeben. Das seien dann ja 40.000 € im Monat.
Der erfahrenere Twitch-Streamer Trymacs begrüßte es, dass Schradin das so klar geregelt habe. Genau dieser Punkt, eine nach obene offene prozentuale Beteiligung eines Cutters am Gewinn, sei etwas, wo es häufig zwischen Influencer und Cutter kracht.
Cutter machen die Rundumbetreuung eines Twitch-Streamers
Das ist die Aufgabe eines Cutters: Ein „Cutter“ ist in der modernen Welt von Twitch viel mehr, als jemand, der nur „Cuts“ setzt und ein Video zusammenstellt, indem er alle unwichtigen Passagen rausschneidet. Im Prinzip sind Cutter die Redakteure, Produzenten und Videobearbeiter der Twitch-Streamer:
- Der Twitch-Streamer selbst ist auf Twitch aktiv und produziert dort das „Roh-Material“, den Content
- Der „Cutter“ sichtet diese unbearbeiteten Video-Blöcke, schneidet daraus ein Video, macht das Titelbild dafür und den Titel und lädt das dann auf YouTube hoch
- Teilweise gibt der Cutter auch Themenvorschläge rein und sucht dem YouTuber Videos raus, auf die der reagieren kann
Der Begriff “Cutter” hat sich in Deutschland für den Job als Beschreibung etabliert. In den USA spricht man vom “Editor” – hier wird eher die redaktionelle Arbeit betont.
Wie wird der Cutter dafür bezahlt? Das ist grade die Debatte. Es gibt verschiedene Modelle, so können Cutter:
- fest eingestellt werden und ein festes Gehalt beziehen – das lohnt sich eigentlich nur für professionelle Streamer
- können einen Stundenlohn erhalten
- pauschal pro Video bezahlt werden
- oder sie werden prozentual am Gewinn eines Kanals beteiligt – das ist der spannende Punkt
Prozentuale Beteiligung am Gewinn für Cutter bringt große Vorteile für Streamer
Diesen Vorteil hat die Beteiligung: Ist ein Cutter am Gewinn eines Kanals beteiligt, bietet das zwei Vorteile für den Streamer:
- Der Cutter ist wahrscheinlich hochmotiivert, dass der Kanal wächst
- Wenn der Kanal nicht läuft, kostet der Cutter auch fast nichts, der Twitch-Streamer trägt also kein Risiko
Für den Cutter bietet das Modell einen großen Vorteil: Sollten der Streamer und dessen Kanal wirklich viral gehen und unverschämt gut laufen, dann verdient auch der Cutter unverschämt viel Geld
- Aus der Sicht des Cutters ist das auch gerechtfertigt. Denn er trägt ja das Risiko, mies bezahlt zu werden, wenn der Kanal mies läuft
- Aus Sicht von Trymacs ist das aber nicht gerechtfertigt. Denn den Job könnten ja auch andere übernehmen, die dafür viel weniger Geld nehmen
Trymacs hat seine Cutter entlassen, als sie zu viel Geld wollten
Kommt so ein Fall denn vor? Bei dem relevantesten deutschen Twitch-Streamer MontanaBlack war es so, dass er seine eigenen Reaction-Kanäle auf YouTube nicht selbst aufgebaut hat, sondern das waren Teenager (Die Crew und Richtiger Kevin), die er letztlich dazu „überredet hat“, ihn am Gewinn zu beteiligen.
Nachdem sie die Kanäle aufgebaut haben, hat MontanaBlack einen Deal mit ihnen geschlossen, wodurch er 50 % der Einnahmen bekommen hat. Vorher hat er nicht von diesen Kanälen profitiert. Er hätte die Kanäle aber jederzeit auf YouTube schließen lassen können, es sind ja seine Inhalte, an denen er die Rechte hat, die in den Videos verarbeitet werden.
Doch als die Kanäle weiter wuchsen, entschied sich MontanaBlack, den „50-%“-Anteil der Cutter herunterzuschrauben auf 40 % oder 30 % – das ist nicht genau bekannt. MontanaBlack machte aber klar, dass die Cutter hier keine andere Wahl hatten. Er könne jederzeit jemanden finden, der es für viel weniger Geld macht.
Auch Trymacs war wohl in einer ähnlichen Situation: Als sein Kanal durch die Decke ging, bot er seinem Cutter einen Fixbetrag an. Doch der Cutter wollte weiter am Gewinn prozentual beteiligt sein und sich nicht auf einen Handel einlassen.
Trymacs sagte:
Dann wollte er aber was Fünfstelliges haben und dann wurden auch Placements blockiert und nicht geschnitten und mehr oder weniger erpresst … und dann: Hab ich gesagt, Diggah, das geht nicht, und hab mir einen neuen Cutter gesucht.
Trymacs will Cutter am Erfolg beteiligen – außer es ist zu viel Erfolg
Das Modell sieht Trymacs vor: Für Trymacs ist im Gespräch mit Max Schradin ein Modell ideal, bei dem ein Cutter prozentual am Erfolg eines Kanals beteiligt ist, aber nur bis zu einem gewissen Grad, dann muss ein Deckel drauf.
Er begründet das mit „Angebot und Nachfrage“: Für das, was ein Cutter leisten muss, kommen in Deutschland einige infrage. Denen sei er bereit, ein „gutes Gehalt“ zu zahlen, aber auch keine Irrsinns-Summe.
Nur wenn er extrem hohe Ansprüche hätte, die nur begnadete Cutter wie Jules oder die Leute von Simplicissimus erfüllen könnten, wäre er bereit, auch 15.000 oder 20.000 € monatlich für einen Cutter zu bezahlen. Aber das, was er brauche, könnten sich auch 18-Jährige in ihrer Freizeit draufschaffen, die würden dann mit 18 eben 5.000 € bekommen. Damit sollten sie zufrieden sein, das sei schon irre viel Geld.
Das ist die Gegenposition: Der Cutter tim0cy erklärt:.
- Wenn Cutter am Aufbau eines Kanals beteiligt sind und der überragend läuft, sollten auch sie überragend verdienen
- Wenn Cutter 30 % bekommen und der Kanal eben irre viel Geld einspiele, dann bekämen Cutter dann eben auch „30 % von irre viel Geld“
Der YouTuber verdiene ja auch viel zu viel Geld, daher sei das nur fair. Trymacs, der so viel Glück im Leben hatte, solle es doch auch anderen Leuten gönnen, auch so viel Glück in ihrem Leben zu haben. Für Cutter sei es die prozentuale Beteiligung ohne einen Deckel nach oben die einzige Chance, auch so reich zu werden.
Wie wird das kommentiert? In den Kommentaren wird Trymacs schon dafür kritisiert, das Problem offenbar nicht zu verstehen oder jedenfalls sich nicht auf die Argumentation des Cutters einzulassen.
Einer sagt: Fast alle Arbeiter hassen ihre Chefs für Aussagen wie “Ich krieg auch jemanden, ders für weniger machen würde” – Die Leistung des Arbeitnehmers werde hier nicht gewürdigt.
Trymacs wird auch als Kack Chef bezeichnet.
Cutter und Influencer haben verschiedene Eigen-Interessen und der Influencer sitzt am langen Hebel
Das steckt dahinter: Es sind verschiedene Interessen, die hier verfolgt werden: Trymacs findet die Idee irre, einem Cutter 50.000 € zu zahlen, nur weil er selbst 150.000 € verdient.
Schlicht, weil er nicht so viel zahlen muss.
Trymacs wendet hier eine Logik von „Angebot und Nachfrage“ an, ohne die „historische Leistung“ des Cutters zu belohnen, durch dessen Leistung der Kanal erst so weit gewachsen ist, dass es jetzt so viel Geld ist, das verteilt werden kann.
Trymacs denkt betriebswirtschaftlich. Er zahlt das, was er zahlen muss, um die Leistung X zu bekommen, die er benötigt.
Wenn ihn ein Cutter an die Spitze gebracht hat, dann will er diese Leistung im Prinzip nicht belohnen, sondern er sagt: Das sei wie bei VW. Nur weil das Unternehmen um das 30-fache gewachsen sei, verdiene ein Mitarbeiter ja auch nicht das 30-fache.
Der Mitarbeiter verdient eben das, was er über „Angebot und Nachfrage“ wert ist.
Trymacs sieht nicht ein, warum er mehr von seinem Anteil abgeben sollte, als es notwendig ist. Er zahle ja schon gut.
Immer wieder sagt er: Er verstehe gar nicht, warum Leute seine Position nicht verstehen, es sei doch verrückt, wenn Cutter so viel Geld bekämen wie ein Chefarzt.
Letztlich ist das Problem hier. Cutter und Influencer arbeiten gemeinsam am Erfolg – aber der Influencer ist klar der Chef und in der Machtposition. Alle Rechte liegen bei ihm. Auch wenn der Cutter vielleicht das Gehirn der Operation ist, so ist der Influencer doch das Gesicht der Operation – der Cutter ist austauschbar, der Influencer nicht.
Wenn diese ganzen Deals ohne wirkliche Verträge abgeschlossen werden und auf Kuss geht raus-Basis laufen, dann können eben so Konflikte wie bei Trymacs entstehen, dass der erfolgreiche Cutter vor die Tür gesetzt wird, wenn der Kanal eine bestimmte Summe überscheitet.
Trymacs ist hier auf der Position: Das muss vorher nur alles abgeklärt sein, dann ist es okay. Aus Sicht von anderen geht Trymacs hier aber durch die goldene Tür in die Welt des Reichtums, macht hinter sich, für den Cutter, aber die Tür zu.
In der Tat wären wohl nur wasserfeste und verbindliche Verträge, die klar den Cutter einen gewissen Teil des Kanals als dessen Besitz zusprechen eine mögliche Lösung für das Problem.
Übrigens hat Trymacs offenbar kein Problem, von seinem Reichtum ordentlich Geld abzudrücken, wenn der Staat es denn will oder eine Firma: „Ist verjährt, krieg ich nicht wieder“ – Trymacs fällt nach 3 Jahren auf, dass ihm Unternehmen 240.000 € schulden