HomeNachrichtUnternehmen behauptet, eine Lösung für das Atommüll-Problem zu haben

Unternehmen behauptet, eine Lösung für das Atommüll-Problem zu haben

Berlin. Eine neue Technologie soll hoch radioaktiven Atommüll massiv reduzieren. Das Verfahren ist kompliziert und Experten sind skeptisch.

Wohin mit dem strahlenden Atommüll? Die Frage beschäftigt Politiker und Wissenschaftler, seit es gelang, durch Kernspaltung Energie zu erzeugen. Bisher denken alle Länder mit entsprechenden Kraftwerken darüber nach, das hoch radioaktive Material sicher unter der Erde zu lagern. Ein Schweizer Unternehmen verspricht, das Problem zu lösen. Die Bundesagentur für Sprunginnovationen (Sprind) hat das Konzept jetzt für einen deutschen Standort durchrechnen lassen.

27.000 Kubikmeter hoch radioaktiven Abfalls haben die deutschen Atomkraftwerke (AKW) hinterlassen. Nach den bestehenden Plänen sollen sie unter Tage verstaut werden. Kein leichtes Unterfangen: Der Standort muss mehrere hunderttausend Jahre unbeschadet überstehen. In Deutschland dauert die Suche noch Jahrzehnte. Derzeit lagert der Atommüll an 16 Standorten vor allem neben den ehemaligen AKW.

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„Wir bieten eine Lösung für große Teile des Atommülls“, sagt Guido Houben, Geschäftsführer der deutschen Tochter der Schweizer Transmutex. „Wir gewinnen daraus Rohstoffe und Krebsmedikamente.“ Nur zehn Prozent hoch radioaktiver Abfälle verblieben, dazu mittel radioaktive Abfälle, die endgelagert werden müssten. „Und statt für mehrere 100.000 Jahre strahlt dieser Restabfall in dem von uns berechneten Fall nur noch 810 Jahre in einem garantiert sicheren Behälter“, behauptet Houben.

Technologisches Neuland: Anlage wäre das erste Projekt dieser Größe weltweit

Der berechnete Fall ist der Standort eines ehemaligen deutschen AKW mit dem dort gelagerten Atommüllmix. Für die Studie im Auftrag von Sprind arbeiteten Transmutex, Tüv Nord, die Großkanzlei PSWP und die Technische Universität München zusammen. „Die Anlage besteht im Wesentlichen aus zwei Teilen“, erklärt Houben. „Im ersten werden Rohstoffe und Edelmetalle abgeschieden, die in der Medizin und der Luftfahrt genutzt werden können. Im zweiten werden die hoch radioaktiven Bestandteile des Atommülls abgebrannt und liefern Energie.“ Was sich nicht weiternutzen lässt, wird zum Lagern verglast.

Kernkraftwerk Isar 2

Das abgeschaltete deutsche Kernkraftwerk Isar 2 in Bayern.
© DPA Images | Armin Weigel

Transmutex will Teile des ehemaligen Akw weiternutzen, Zäune etwa, Werksfeuerwehr, Betriebsgebäude und die Hochsicherheitskuppel. Denn der Verbrennerteil der Anlage ist ein neuer Atomic Deactor. Neben den Rohstoffen und Edelmetallen liefert die Anlage auch Energie, 600 Megawatt (MW) Wärme oder 256 MW Strom sind berechnet. Zum Betrieb wären 36 MW nötig. Das abgeschaltete deutsche Akw Isar 2 in Bayern hatte 1485 MW Leistung.

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Der Studie zufolge könnte die Anlage in zehn Jahren laufen, wenn sie jetzt in Auftrag gegeben würde. Echte Bauzeit wäre von 2030 bis 2035. „Eine erste Anlage kostete 2,5 Milliarden Euro“, sagt Houben. „Wenn ein bestehender AKW-Standort genutzt wird, sinken die Kosten auf 1,5 Milliarden Euro.“ Es wäre das erste Projekt in dieser Größe weltweit. Das bedeutet auch, dass unvorhergesehene Probleme auftauchen können, die die Anlage deutlich verteuern und die Bauzeit verlängern – üblich bei neuartigen Konzepten im Atomsektor. Und Deutschland müsste das Atomgesetz ändern.

Experten vom Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung sind skeptisch

Auch wenn es einfach klingt, das, was sich Transmutex vorstellt, ist kompliziert. Teile der geplanten Anlage sind in dieser Größe technologisches Neuland. Etwa die Mülltrennung. Sie „arbeitet völlig anders als die Wiederaufarbeitungsanlagen im britischen Sellafield und im französischen La Hague, deutlich effizienter, proliferationssicher und ökologischer“, sagt Houben. Transmutex will die Edelmetalle aus dem Atommüll nach einem Verfahren herausholen, mit dem auch Kupfer aus einer Salzlösung gewonnen wird. Der strahlende Rest wird dann mit Thorium vermischt in neue Brennstäbe eingesetzt. Das Material wird bisher vor allem experimentell genutzt.

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Sterben Müllverbrennung besteht aus einem Reaktor, der nicht mit Wasser, sondern Blei gekühlt werden soll. Statt auf eine Kettenreaktion wie in klassischen AKW, die sich selbst in Gang hält, setzt Transmutex auf Transmutation – das strahlende Material verwandelt sich dabei in weniger strahlendes und gibt Energie ab. Das läuft, sehr vereinfacht, nur, wenn es angeschaltet wird. Dafür ist eine präzise Energiequelle nötig, in diesem Fall ein Teilchenbeschleuniger. Ein ähnlicher ist seit gut 50 Jahren am Schweizer Paul-Scherrer-Institut im Einsatz, allerdings nicht in der geplanten Größe und Zuverlässigkeit.

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Behälter mit hochradioaktiven Abfällen und Transporthauben im atomaren Zwischenlager in Gorleben.
© picture alliance/dpa | Lucas Bäuml

Experten vom Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (Base) sind skeptisch. „Auch wenn das Base Forschung in diesen Feldern begrüßt und laufend beobachtet, ist es wissenschaftlich nicht seriös zu behaupten, eine solche hypothetische Technologie könne ein Endlager für hoch radioaktive Abfälle überflüssig machen“, sagt ein Sprecher. „Weder die bislang vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse noch die jahrzehntelangen Erfahrungen in der kerntechnischen Industrie lassen einen solchen Schluss zu.“

Bleibt die Frage, wer die Anlage bauen und betreiben soll, sollte der deutsche Staat als Eigentümer des Atommülls den Auftrag vergeben. Transmutex ist es nicht. „Wir sind ein Projektentwickler“, sagt Houben. „Wir liefern die Technologie und das Design der Anlage, aber können sie natürlich nicht weltweit bauen und betreiben.“ Das Unternehmen wurde 2019 in Genf ausgegründet. Hinter ihm stehen Risikokapitalgesellschaften aus der EU und den USA, die das Start-up mit rund 40 Millionen Euro finanziert haben. Derzeit beschäftigen die Schweizer 50 Mitarbeiter, bis Ende 2025 sollen es 100 sein. Kernmärkte sind neben Deutschland Indien und die USA.

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