Interview: US-Vermögensverwalter über „deutsche Hysterie“ und die Gewinner des Trump-Schocks
Dienstag, 19.11.2024, 10:20
Elliot Hentov, Experte für Geostrategie beim Vermögensverwalter State Street, erklärt im Interview, was Trump 2.0 für das Elektroauto, die Energiebranche und die Rüstungsbranche heißt und warum er das wahre Problem für Europa nicht in Handelszöllen sieht.
Während in Deutschland die Regierung zerbricht und um Neuwahlen gerungen wird, werden auf globaler Ebene gerade die Karten ganz neu gemischt. Donald Trump hat seinen Wählern viele Versprechen gegeben , die er nun einhalten muss. Auf andere Länder wird er dabei wie schon während seiner ersten Amtszeit wohl nicht viel Rücksicht nehmen.
Trump 2.0 – wer muss sich jetzt warm anziehen?
Elliot Hentov, Head of Macro Policy Research beim weltweit viertgrößten Vermögensverwalter State Street , erklärt im Interview mit FOCUS online, welche Branchen vom neuen Präsidenten und seiner Regierung profitieren dürften, welche Hoffnungen man sich auf einen Frieden in der Ukraine machen kann und warum es für den Rest der Welt so schwierig ist, sich vom US-Dollar abzukoppeln.
FOCUS online: Wurden Sie vom sehr deutlichen Wahlergebnis der US-Wahl überrascht?
Elliot Hentov : Wir gingen tatsächlich zuletzt von einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent für einen Sieg Donald Trumps aus; insofern lagen die Republikaner rund 2,5 Prozent stärker, als wir es erwartet hatten. Im Senat erhielten sie einen Sitz mehr, als wir erwartet hatten.
Kommen wir dazu, was „Trump 2.0“ nun eigentlich bedeuten wird. Zunächst: Mit „Drill, Baby, Drill“ hat Trump immer klargemacht, dass er die Ölindustrie, und zwar die heimische in den USA, stark fördern will. Wird er das auch umsetzen, und was passiert auf dem Energiesektor?
Elliot Hentov : Wir erwarten, dass der weltweite Ölpreis sich künftig im Rahmen halten wird, vielleicht sogar etwas nachgibt. Die US-Ölproduktion war allerdings unter der Biden-Administration bereits hochgefahren worden, deswegen gehen wir davon aus, dass sie sich nicht enorm steigern, sondern einfach hoch bleiben wird.
Ölindustrie, aber auch Erneuerbare werden wachsen
Der Energiesektor wird ein starkes Wachstum erleben – nicht allein wegen der Fördermengen, sondern weil dieser Sektor durch Deregulierung und Änderungen bei der Besteuerung Rückenwind bekommen dürfte.
Betrifft das den gesamten Energiesektor oder nur die sogenannten fossilen Energien wie Erdöl und Gas?
Elliot Hentov : Es betrifft vor allem den fossilen Sektor. Bei den erneuerbaren Energien sieht das Bild gemischt aus. Wir sind da optimistischer als der Rest des Marktes. Wirklich gefährdet sehen wir nur die Elektroauto-Industrie und deren Subventionen sowie den Ausbau von Ladestationen, sofern er Subventionen benötigt. Auch bei den Emissionsvorschriften für die Autoindustrie könnte es womöglich nicht zu weiteren Verschärfungen kommen. Bei den anderen Feldern – etwa Wind- und vor allem Solarenergie – gehen wir dagegen davon aus, dass es weiter Wachstum und Subventionen geben wird.
Über Trumps neues Kabinett ist noch wenig bekannt, wie beurteilen Sie die bereits bekannten oder gehandelten Personalien?
Elliot Hentov : Aus Sicht der Finanzmärkte wird natürlich der Posten des Finanzministers sehr wichtig sein. Die bisher kursierenden Personen sind Gefolgsleute Trumps, aber auch solche, die hohe Kompetenzen in ihren Bereichen und einen sehr guten Track Record aufweisen.
Tesla-Chef Elon Musk wird ja in irgendeiner Form Teil der neuen Regierung sein. Könnte er Trump nicht davon überzeugen, dass Emobilität die Zukunft sei?
Elliot Hentov : Man wird die Hebel, die man in diesem Bereich umlegen kann, vielleicht etwas langsamer umlegen, falls es das Geschäftsmodell von Tesla beeinträchtigen würde.
Was raten Sie den deutschen Autobauern? Sollten sie jetzt nicht am besten mehr Produktion in die USA verlagern, um die drohende Zoll-Politik abzufedern?
Elliot Hentov : Ich sehe die Handelszölle nicht als die größte existenzielle Herausforderung, nicht für Europa und auch nicht für die europäische Autoindustrie. Wir reden hier von 10 Prozent Zöllen im schlimmsten Fall, falls es überhaupt dazu kommt; das ist verkraftbar. Es wird zu längeren Verhandlungen zwischen den USA und der EU kommen, wo man gegenüber den USA Zugeständnisse machen wird. Etwa den weiteren Kauf von LNG-Gas oder Agrarprodukten.
„Katastrophal sind nicht die Handelszölle“
Was aber katastrophal für Europa ist, ist der Ausschluss aus dem Innovations-Bereich. Risiko-Kapital – etwa beim Thema Künstliche Intelligenz und anderen fortgeschrittenen Technologien – wird eher in die USA wandern. Europa sollte sich nicht von diesem Handelskrieg-Thema ablenken lassen, sondern sich überlegen, wie man wieder wettbewerbsfähiger wird. Dabei spielt die Auto- und Zuliefer-Industrie auch eine Rolle, weil deren altes Modell in Zukunft nicht mehr so gut funktionieren wird. Da geht es darum, sich neben dem klassischen Kundengeschäft für eigene Produkte neue Endabnehmer zu suchen. Hier gibt es zum Beispiel gute Aussichten in der Rüstungsindustrie.
Das heißt dann auch, man braucht wieder mehr Rüstungsaktien im Depot? Seine Anhänger hoffen ja, dass Donald Trump ähnlich wie in seiner ersten Amtszeit eben gerade keine Kriege beginnen wird und stattdessen womöglich sogar Konflikte wie den in der Ukraine beenden könnte.
Elliot Hentov : 2025 mag ein Jahr werden, dass etwas friedlicher ausgeht als das Jetzige – doch wir gehen davon aus, dass das nicht bis 2030 so bleiben wird. Wir leben in einer Ära, wo einfach alle aufwachen müssen. Der Nachfrage-Boom der Rüstungsindustrie wird nicht aufhören. Und zwar unabhängig davon, ob es nun zu einer Befriedung in der Ukraine kommt oder nicht.
Ich gehe nach wie vor davon aus, dass Trump ein Waffenstillstand und irgendeine Art diplomatischer Prozess in der Ukraine gelingen könnten. Aber auch in diesem Fall heißt das gerade für die Europäer: Sie können sich nicht mehr allein auf die USA verlassen, sondern müssen selbst in ihre Verteidigungsfähigkeit investieren.
Drei Prozent vom BIP für Rüstungsausgaben
Das Motto lautet dabei: „Drei ist das neue Zwei!“. Das heißt, Freiheit bedingt, derzeit mindestens zwei Prozent vom Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Rüstungsausgaben zu stecken. Künftig, also in einem Zeithorizont innerhalb von zehn Jahren, dürften es dann wohl sogar eher drei Prozent vom BIP sein.
Investitionen, auch solche, wie Donald Trump sie versprochen hat, sind aber ja immer schuldenfinanziert. Was bedeutet das für den Dollar und werden die USA irgendwann unter ihrer Schuldenlast zusammenbrechen?
Elliot Hentov : Als Reaktion auf hohe Schuldenaufnahme steigen die Langzeitzinsen von Renditen an. Das bedeutet auch einen Anstieg des Dollars, den wir in den kommenden Wochen sehen werden. Ein stärkerer Dollar wäre eigentlich positiv für Europa – aber nur dann, wenn es nicht zu Unterbrechungen von Handelsflüssen kommt. Das Paradoxe ist: Wenn die Finanzierungszinsen in den USA stark ansteigen, könnte das zu einem leichten Rückgang der Zinsen in der EU führen, weil man innerhalb der Welt der „Safe Assets“ weiß, dass man dann einige seiner Assets in Märkten mit geringerem Kreditrisiko anlegt.
Was die Stärke des Dollars angeht: Die BRICS-Staaten, mit ihren wichtigsten Mitgliedern China, Russland, Brasilien und Indien, arbeiten an einer „De-Dollarisierung“ der Welt. Was bedeutet Trump 2.0 für diese Bestrebungen?
Elliot Hentov : Es ist technisch extrem schwierig, dem Dollar zu „entkommen“. Die Mehrheit der Finanzinstrumente sind in Dollar finanziert und berechnet. Der Ukraine-Konflikt hat zudem gezeigt, was passiert, wenn sich ein Land – in diesem Fall Russland – aus dem Dollar-Raum zurückzieht. Russland hat sich von 2014 bis 2022 stark aus dem Dollarraum entfernt, stattdessen auf strategische Goldreserven und andere Währungen wie den chinesischen RMB gesetzt. Dort gibt es aber Liquiditätsbeschränkungen, die ganz große Reserven einfach nicht zulassen.
Wegen Putins eisernem Russland machen wir einige historische Denkfehler
„Eine Abkoppelung vom Dollar ist extrem schwer“
Eine Währung hat immer drei Funktionen: eine Handelsfunktion, also zur Abwicklung von Im- und Exporten. Die zweite Funktion ist die Investition von Überschüssen in Reserve-Assets. Die dritte Funktion ist es, global Schulden aufnehmen zu können. Im ersten Bereich, also dem des Handels, ist eine De-Dollarisierung noch am ehesten möglich, da gibt es Alternativen zum Dollar. In den anderen zwei Bereichen allerdings ist die Abkoppelung vom Dollar extrem schwer. Gerade wenn man auf breiter Basis Schulden aufnehmen will, gibt es keine Konkurrenz zum Dollar-Raum.
Kommen wir noch einmal auf Deutschland. Der deutsche Blick auf die USA – vor allem der vieler Politiker und Medien – war gekennzeichnet von Dingen wie Trump mit Hitler-Gruß oder in einer Reihe mit Diktatoren auf einem Magazin-Cover. Manche Journalisten nennen ihn einen „Faschisten“. Registrieren die Amerikaner so etwas eigentlich? Und könnte das Folgen haben, etwa für die weitere wirtschaftliche Zusammenarbeit?
Elliot Hentov : Man könnte das in gewisser Weise schon als „deutsche Hysterie“ bezeichnen. Allerdings gab es ähnliche Reaktionen ja auch in den USA, gerade aus den liberalen New Yorker Kreisen, die die US-Presse dominieren. Was in Deutschland da noch dazu kommt, interessiert in den USA eher niemanden. Was aber schon wahrgenommen wird, sind die Reaktionen von führenden Politikern in den europäischen Nationen. Trump weiß genau, dass er zum Beispiel zu Viktor Orban einen ganz guten Draht hat. Bei Deutschland stellt sich im Moment die Frage, wer das Land im kommenden Jahr überhaupt vertreten wird, wenn Trump seine zweite Präsidentschaft beginnt.
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