Er hatte bei seiner Einführung vor knapp vier Jahren die Audi-Gemeinde gespalten, avancierte zum Gegenstand eines Gerichtsverfahrens, überlebte einen Vorstandswechsel – und ist mittlerweile sang- und klanglos in der Versenkung verschwunden: Der „Leitfaden für gendersensible Sprache “, mit dem Audi im Frühjahr 2021 je nach Fallkonstellation „Geschlecht unsichtbar“ bzw. „alle Geschlechter sichtbar machen“, jedenfalls den Sprachgebrauch ändern wollte.
Audi genderte seit 2021
„Audi gendert“ war die Pressemitteilung vom 2. März 2021 betitelt – und sie setzte einen neuen Ton in der Kommunikation. Man wollte fortan „die Vielfalt der Geschlechter besser abbilden“ und die entsprechenden Formulierungen „in der internen und externen schriftlichen Audi Kommunikation allgegenwärtig machen“.
Welche Fallstricke dort lauerten, wird bei der Lektüre des 13seitigen, uns vorliegenden Leitfadens erst so richtig bewusst. Die Anrede „Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen“ sei nicht„gendersensibel“, da sie „nicht-binäre Menschen“ ausschließe. Gleiches gelte für das „Gendersternchen“, weshalb Audi den „Gender Gap“ mit Unterstrich verwende – auszusprechen mit „glottoralem Stopp“.
Mitarbeiter mussten Fallbeispiele büffeln
Die Mitarbeiter konnten zahlreiche Fallbeispiele büffeln. Kostprobe: „Der Begriff Audianer ist nicht gendersensibel formuliert.“ In “Kontexten, bei denen Stereotype aufgebrochen werden sollen, wird der Gender Gap empfohlen.” Und sofern sie direkt angesprochen wurden, sollen sogar Unternehmen gegendert werden – als „Partner_in“ und „Lieferant_in“ statt als Partner und Lieferant.
Nur bei homogenen Gruppen durfte eine rein weibliche oder männliche Anrede benutzt werden. Doch Vorsicht: „Ist unsicher, welchem Geschlecht sich die betroffenen Personen zugehörig fühlen, soll eine gendersensible Variante benutzt werden, um keine Person auszuschließen“, mahnt die Digital-Fibel. Keine leichte Aufgabe, denn es dürfen „keine Rückschlüsse vom Äußeren auf das Geschlecht gezogen werden“.
Das Echo bei den Fans war verheerend, in den sozialen Medien wurden die Vorgaben mit beißender Ironie kommentiert. Dass der damalige Audi-Chef Duesmann sich 2022 gar für Tempolimits einsetzte , goss weiteres Öl ins Feuer. Noch im Juli 2023 entschied das OLG München: Ein VW-Mitarbeiter, der den Audi-Vorgaben im Rahmen seiner konzernweiten Rolle ausgesetzt war und geklagt hatte, habe kein Recht darauf, „in Ruhe gelassen zu werden“. Das Thema kam nicht zur Ruhe.
Viel Ironie und Spott in den sozialen Medien
Sabine Maaßen, die als Personalvorstand treibende Kraft hinter den Gender-Vorgaben war, hatte Audi zu diesem Zeitpunkt längst verlassen. Doch es dauerte noch ein weiteres Jahr, bis ihr Vermächtnis korrigiert wurde: In den aktuellen Pressemeldungen haben wir den „Gender Gap“ nicht mehr finden können, die jüngste Meldung vom 3. Februar 2025 spricht beispielsweise lapidar von „Kunden“, womit nach bewährtem Brauch männliche, weibliche und alle sonstigen Kunden angesprochen sind.
Wir haben nachgefragt: Tatsächlich hat Audi bereits im Juli 2024 beschlossen, den umstrittenen Unterstrich nicht mehr zu verwenden, dies aber nicht nach außen bekanntgegeben. Audi erläutert: Der „Gender Gap“ habe in Suchmaschinen und bei der Übernahme von Pressetexten durch Medien, aber auch bei der Erfassung durch maschinelle Screenreader und Übersetzungs-Programme für Schwierigkeiten gesorgt.
Probleme bei Suchmaschinen und Übersetzungsprogrammen
Man darf jedoch auch davon ausgehen, dass Audi-Chef Gernot Döllner seine Marke aus der Schusslinie der Kritik nehmen wollte – zumal kein anderer Hersteller nachgezogen ist, als die Ingolstädter ihre Audianer zu „Audianer_innen“ machen wollten.
In einem Statement legt Audi Wert auf die Feststellung, man kommuniziere „weiterhin intern und extern gendersensibel.“ Doch mit dem „Gender Gap“ hat die Marke das Flaggschiff der Gender-Sprache jetzt abgeräumt. Und der eingangs erwähnte Leitfaden? Was von seinen Empfehlungen übriggeblieben ist, wurde kurzerhand in den allgemeinen Styleguide integriert.