Verbrenner wirklich verboten?: Warum das Elektroauto-Wunderland Norwegen kein Vorbild für Deutschland ist
Mittwoch, 08.01.2025, 09:46
Zahlenmäßig ist der norwegische Automarkt völlig unbedeutend. Trotzdem sieht die Elektroauto-Lobby in dem Land das grüne Paradies: Durch Strafzahlungen und Subventionen wurde die Emobilität erzwungen. Als Vorbild für Deutschland taugt das allerdings wenig.
„In Norwegen sind Verbrenner jetzt verboten“ oder „in Norwegen fahren fast nur noch E-Autos“ – diese Meldungen liest man derzeit gerade in den sozialen Medien rauf und runter. Sie erzählen eine norwegische Erfolgsstory, nachdem in vielen EU-Ländern und besonders in Deutschland der Absatz von E-Autos zuletzt zurückgegangen ist . Norwegen, so die E-Auto-Befürworter, müsse als Vorbild für Deutschland dienen mit seiner zweigleisigen Strategie: Zum einen müsse auch in Deutschland der Besitz von Benzin- und Dieselautos stark verteuert werden, zum anderen viel Steuergelder an die Besitzer von E-Autos verteilt werden.
Norwegen setzt auf Elektro und alternative Kraftstoffe
Doch was stimmt an diesen Behauptungen und was nicht? Schaut man sich die absoluten Zahlen an, ist Norwegen als Automarkt in Europa völlig unbedeutend; gerade einmal 129.000 Neuwagen wurden 2024 verkauft. Davon waren aber knapp 115.000 Elektroautos. Tatsächlich also schaffte Norwegen die von einigen herbeigesehnte „Verkehrswende“. Im Jahr 2024 konnte das Land, das pikanterweise durch den Verkauf fossiler Brennstoffe wie Öl und Gas extrem reich geworden ist, seinen zuvor schon hohen E-Auto-Anteil bei den Neuzulassungen von 82,4 Prozent noch einmal erhöhen auf 88,9 Prozent.
Norwegen bleibt damit mit großem Abstand Spitzenreiter in Europa. Natürlich fahren nicht „fast alle“ Autos in Norwegen elektrisch, sondern nur ein Drittel, wenn man sich die Bestandsflotte anschaut. Das von der Politik ausgerufene Ziel, nahezu die gesamte Fahrzeugflotte zu elektrifizieren, rückt aber zumindest theoretisch durchaus in Reichweite.
Auch andere skandinavische Länder wie Dänemark haben einen sehr hohen E-Auto-Anteil. Busse sollen in Norwegen ebenfalls nur noch elektrisch fahren oder mit alternativen Kraftstoffen wie Biogas. Dem Diesel wird in Norwegen nach Informationen aus der Kraftstoff-Branche schon jetzt 40 Prozent HVO beigemischt. Dieser synthetisch hergestellte Diesel sorgt für eine wesentlich bessere Klimabilanz als normaler Dieselkraftstoff. Bis 2030 sollen zudem die Hälfte aller LKW und 75 Prozent aller Reisebusse „emissionsfrei“ unterwegs sein. Mit Klima-Diesel oder auch mit Batteriebetrieb funktioniert das in Norwegen ganz gut, weil Strom fast ausschließlich mit Wasserkaft gewonnen wird – im Gegensatz zu Deutschland, wo wegen der Konstruktionsfehler der Energiewende gerade jetzt im Winter Strom an vielen Tagen entweder zum großen Teil mit Kohle und Gas produziert und/oder aus dem Ausland importiert werden muss. Allein deshalb ist die immer wieder aufgestellte Forderung, Deutschland solle sich bei seiner Verkehrspolitik ein Beispiel an Norwegen nehmen, realitätsfern: E-Autos in Deutschlands fahren einfach erheblich dreckiger als in Skandinavien. Erst ab 90.000 Kilometern Laufleistung sind E-Autos der Kompaktklasse hierzulande klimafreundlicher unterwegs als Verbrenner. Würde man ausschließlich Ökostrom tanken, sinkt die Schwelle, ab der das E-Auto sauberer ist, auf 65.000 Kilometer. Auch die Strompreise sind in Norwegen erheblich günstiger als in Deutschland, so dass sich ein Stromer vom rein finanziellen Aspekt her viel schneller lohnt als bei uns.
Kein Verbot, aber gerade Premium-Hersteller weitgehend elektrisch
Norwegen ist trotz allem das beste Beispiel dafür, dass der komplette Umstieg auf Emobilität prinzipiell machbar ist, wenn Stromnetze und Ladeinfrastruktur in Zukunft entsprechend angepasst werden. Das zumindest scheint in Norwegen bisher gut zu klappen. Ein immer wieder betontes Detail stimmt allerdings nicht: Im Gegensatz zu dem, was die EU für 2035 plant, nämlich ein Verkaufsverbot für alle neuen Benziner, Diesel, Hybride und sogar Plug-in-Hybride mit einer noch nicht konkretisierten Option für E-Fuels als Ausnahme, gibt es in Norwegen kein Verkaufsverbot. Schaut man z.B. in den Konfigurator von BMW, so sind diverse Hybridmodelle wie z.B. der X1 weiterhin erhältlich. Ebenso zeigt ein Blick auf die norwegischen Webseiten der Autohersteller von Alfa Romeo über Honda bis Dacia, Nissan, Mercedes, Mazda, Skoda, Renault oder Toyota, dass immer noch zahlreiche Hybridfahrzeuge konfiguriert werden können.
Gegenüber FOCUS online bestätigt Norwegens BMW-Sprecher Oskar Södergren, dass die norwegische Regierung das Verkaufsverbot zwar geplant hatte, dies aber im Sommer 2024 zurückgenommen wurde – weil es mit den Regeln des europäischen Wirtschaftsraums (EEA) kollidiere, die Norwegen auch als Nicht-Mitglied der EU akzeptiert hat. Das bestätigt auch der große norwegische Autohändler „Mandal Bil“, der neben Volvo und Suzuki die Marke Maxxus aus China vertreibt. Es sei weiterhin möglich, Hybridfahrzeuge mit Benzin- oder Dieselmotoren zu kaufen; sie seien allerdings durch Strafsteuern deutlich teurer als Batterieautos.
Die vielen Privilegien, die der norwegische Staat Elektroauto-Besitzern zugeschanzt hat, führen in Verbindung mit den Strafzahlungen bei einer Benziner- oder Diesel-Zulassung dazu, dass auch im Premium-Segment fast alle Kunden Batterieautos kaufen. Bei BMW etwa werden in Norwegen nach Angaben des Herstellers nur noch rund fünf Prozent Verbrenner verkauft, der Rest sind E-Modelle wie der i4, i5, iX oder i7.
Dass die reine Elektro-Strategie in Norwegen nur Anhänger findet, wie es die vielen begeisterten Medienberichte der letzten Wochen fast immer nahelegen, entspricht aber nicht ganz der Wahrheit. So zeigte etwa eine Umfrage der Universität Bergen aus dem Jahr 2023, dass eine wachsende Mehrheit ein Verbot, das damals noch geplant war, keineswegs gutheißen. In den vergangenen Jahren zeigten Daten der Gebrauchtwagen-Plattform Finn, dass Benziner und Diesel streckenweise begehrter waren als Elektrofahrzeuge. Die Nachfrage nach nicht-elektrischen Fahrzeugen ist also nach wie vor groß.
Streit um neue Elektro-Prämie – Autohändler macht ungewöhnlichen Vorschlag
In Norwegen können nur Reiche mit Benzin oder Diesel fahren
Dennoch: In Norwegen sind Verbrenner zumindest als Neuwagen etwas für Reiche geworden. Ein Dacia Duster etwa, in Deutschland ab 18.990 Euro zu haben, kostet in Norwegen fast 40.000 Euro. Ein Mazda MX-30 (Elektroauto) startet bei umgerechnet 19.000 Euro, während das Verbrenner-Pendant und kleine SUV Mazda CX-30 über 41.000 Euro kostet – rund 11.000 Euro mehr als der günstigste CX-30 in Deutschland. Wer weniger Geld hat, muss ein Elektroauto fahren, ob er das nun mit Begeisterung tut oder nicht.
Allerdings ist das Durchschnitts-Bruttoeinkommen in Norwegen mit rund 80.000 Euro im Jahr auch deutlich größer als die 49.000 Euro in Deutschland (Zahlen des Statistischen Bundesamts von 2021). Nur in der Schweiz, Luxemburg, Liechtenstein und Monaco ist das Durchschnitts-Brutto noch höher. Die von der Elektroauo-Lobby geforderte Übernahme des norwegischen Modells würde also für Deutschland, wo nach wie für die große Mehrheit ein Elektroauto nicht das präferierte Modell ist und das Durchschnittseinkommen viel geringer, bedeuten, dass ein großer Teil der Kunden sich gar kein neues Auto leisten könnte – oder eben nur einen für ihren Bedarf nicht tauglichen Stromer.