HomeNachrichtZwischen Realität und Fiktion - Wie dissoziative Störungen das Bewusstsein spaltet

Zwischen Realität und Fiktion – Wie dissoziative Störungen das Bewusstsein spaltet

Was sind dissoziative Störungen?

Dissoziative Störungen kennzeichnen sich durch eine Trennung zwischen Wahrnehmungs- und Gedächtnisinhalten, was zu einer Störung des Bewusstseins führt. Dies kann sowohl die Wahrnehmung der eigenen Person als auch das Gedächtnis betreffen. Symptome können unter anderem Amnesien, Depersonalisation, Derealisation und Dysfunktionen des Selbstempfindens und der Selbstwahrnehmung sein.

Die Ausprägung dissoziativer Störungen kann variieren, von leichten bis hin zu schweren Formen wie der dissoziativen Identitätsstörung. Der französische Psychiater Pierre Janet prägte den Begriff der Dissoziation und verstand darunter eine Fragmentierung oder Spaltung des Bewusstseins im Rahmen traumatischer Erlebnisse.

Es wird geschätzt, dass dissoziative Störungen bei fast 20 Prozent der Allgemeinbevölkerung auftreten können. Im Vergleich zu anderen psychischen Erkrankungen sind dissoziative Störungen einzigartig in ihrer Art und Weise, wie sie das Bewusstsein und die Wahrnehmung beeinflussen. Während viele psychische Erkrankungen durch bestimmte Verhaltensweisen oder Gefühle gekennzeichnet sind, beziehen sich dissoziative Störungen spezifisch auf Probleme mit dem Bewusstsein und der Wahrnehmung, die oft als Reaktion auf traumatische Erfahrungen auftreten.

Der Facharzt für Neurologie Dr. med. Mimoun Azizi, M.A., ist seit 2021 Chefarzt der Geriatrie/Neurogeriatrie am Allgemeinen Krankenhaus Celle. Darüber hinaus ist er Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und besitzt u.a. Zusatzqualifikationen in der Notfallmedizin, Geriatrie und Palliativmedizin. Der Autor verschiedener Fachbücher und -artikel besitzt zudem einen Magister der Politikwissenschaften und Soziologie sowie einen Master der Philosophie.

Verschiedene Formen von dissoziativen Störungen

Dissoziative Störungen sind eine Gruppe von Erkrankungen, die durch eine Unterbrechung oder ein Versagen der normalen Integration von Bewusstsein, Gedächtnis, Identität oder Wahrnehmung gekennzeichnet sind. Sie werden in verschiedene Kategorien unterteilt, die in der „International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems“ (ICD) oder „Internationale Klassifikation der Krankheiten“ definiert sind.

Eine dieser Kategorien ist die dissoziative Amnesie. Hierbei erleben Betroffene Erinnerungsverluste für meist traumatische Erlebnisse, die nicht lange zurückliegen. Dieser Zustand ist oft reversibel. Die dissoziative Fugue (franz. fugue = Flucht) ist eine weitere Form der dissoziativen Störung. In diesen Fällen können Betroffene für längere Zeiträume neue Identitäten annehmen und diese auch ausfüllen.

Ein weiterer Typ ist der dissoziative Stupor (lat. stupor = Erstarrung). Hierbei handelt es sich um eine Herabsetzung oder sogar das Fehlen der willkürlichen Reaktionen auf äußere Reize. Es ist wichtig zu beachten, dass bei diesem Zustand keine somatischen Ursachen vorliegen.

Die dissoziative Störung der Motorik und Sensibilität führt zu Veränderungen von Bewegungsmustern und/oder Hautempfindungen. Auch hier sollten somatische Ursachen ausgeschlossen sein. Es gibt sowohl einfache als auch komplexe Formen dissoziativer Störungen. Einfache Formen betreffen in der Regel spezifische Bereiche des Bewusstseins oder des Gedächtnisses, während komplexe Formen mehrere Bereiche betreffen können und oft schwerwiegender sind.

Diagnosestellung

Die Diagnose einer dissoziativen Störung stellt eine Herausforderung dar, da die Symptome dieser Störungen oft mit denen anderer somatischer Erkrankungen übereinstimmen. Beispiele hierfür sind cerebrale Krampfanfälle und Halbseitensymptomatiken. Zudem können viele Betroffene diese dissoziativen Störungen nicht bemerken, was als „Amnesie für die Amnesie“ bezeichnet wird.

Oft stehen zu Beginn der Diagnose andere Symptome im Vordergrund, wie somatische Symptome, Angststörungen, Depressionen, Essstörungen, Suchterkrankungen, Stimmenhören und Selbstverletzungen. Es ist daher hilfreich, aktiv nach Symptomen zu fragen und den klinischen Gesamteindruck zu berücksichtigen. Weitere Hinweise können traumatische Erfahrungen in der Kindheit oder der Ausschluss einer somatischen Genese sein.

Auch vorherige Diagnosen wie Angststörungen, Depressionen, Persönlichkeitsstörungen, Psychosen und Somatisierungsstörungen können bei der Diagnosestellung hilfreich sein. Spezifisch-diagnostische Anzeichen einer dissoziativen Störung sind Amnesien im Alltag sowie rezidivierende oder chronische Depersonalisation und Derealisation.

Auch Stimmenhören und Hinweise auf Identitätswechsel können auf eine dissoziative Störung hinweisen. Zur Diagnosestellung werden spezifische Fragebögen verwendet, wie der Fragebogen zu dissoziativen Symptomen (FDS), der Dissoziationsfragebogen (DIS-Q) und der „Somatoform Dissociation Questionnaire“.

Welche anderen psychischen Erkrankungen treten häufig zusammen mit dem Krankheitsbild auf?

Komorbidität bezeichnet das gleichzeitige Auftreten von zwei oder mehr Erkrankungen bei einem Patienten. Bei dissoziativen Störungen ist dies keine Seltenheit. Es ist häufig zu beobachten, dass Patienten mit dissoziativen Störungen auch unter anderen psychischen Erkrankungen leiden. Dazu gehören Persönlichkeitsstörungen, affektive Störungen, Angststörungen, Substanzmissbrauch sowie Essstörungen und Somatisierungsstörungen.

Diese zusätzlichen Erkrankungen können die Therapiechancen verschlechtern und somit auch die Prognose beeinträchtigen. Im Rahmen der Diagnosestellung müssen immer auch somatische Ursachen ausgeschlossen werden. Hierzu zählen beispielsweise Epilepsien und Schlaganfälle. Eine Amnesie kann ebenfalls im Kontext verschiedener neurologischer Erkrankungen auftreten, wie etwa bei der transienten globalen Amnesie (TGA) oder nach Hirnverletzungen.

Die Diagnosestellung bei dissoziativen Störungen ist nicht einfach und erfordert Erfahrung. Die Symptome können sich mit denen anderer Erkrankungen überschneiden, was eine klare Zuordnung deutlich erschwert oder sogar unmöglich macht. So ist es beispielsweise schwierig, dissoziative Krampfanfälle von nicht-dissoziativen Krampfanfällen zu unterscheiden. Zudem existieren auch Mischformen von Erkrankungen, was die Diagnosestellung zusätzlich kompliziert.

Therapieoptionen:

Dissoziative Störungen werden in der Regel durch eine multimodale Therapie behandelt. Dieser Ansatz kombiniert Psychotherapie mit einer medikamentösen Behandlung und wird häufig durch Ergotherapie und Physiotherapie ergänzt. Die Auswahl der Medikamente ist nicht spezifisch, sondern richtet sich nach den jeweiligen Symptomen des Patienten.

Bei psychotischen Symptomen können Neuroleptika zur Anwendung kommen, während Antiepileptika als Stimmungsstabilisatoren dienen können. Da die Therapien individuell angepasst sind, sollte die Behandlung von Experten durchgeführt werden. Die Wirksamkeit dieser Therapieoptionen variiert je nach individueller Situation und Reaktion des Patienten, generell haben sie sich jedoch als effektiv erwiesen.

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